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21 September 2020, 16:24

Über Ansätze zur außenpolitischen Doktrin von Belarus

Vorsitzender der Ständiger Kommission für internationale Angelegenheiten der Repräsentantenkammer Andrej Sawinych spricht sich zu Ansätzen zur außenpolitischen Doktrin von Belarus aus.

Mitte der 1990er Jahre schlug der belarussische Präsident dem Land das Konzept einer Mehrvektorenaußenpolitik vor. Das Außenministerium und andere Ministerien sollten demzufolge mit einer großen Anzahl von Subjekten der internationalen Tätigkeit – ausländischen und internationalen Organisationen kooperieren.

Das Außenministerium sollte für Bildung günstiger äußerer Bedingungen für sozialwirtschaftliche Entwicklung des Landes sorgen.

Diese Arbeit wurde innerhalb von 30 Jahren planmäßig, konstruktiv und effizient durchgeführt. Wir eröffneten belarussische ausländische Einrichtungen in den wichtigsten Ländern, wurden Mitglieder der führenden internationalen Organisationen. Belarus erhält ständig technische Hilfe, Kreditressourcen. Auf der Prioritätenliste diplomatischer Repräsentanzen standen das Wachstum von belarussischen Exporten und Gewinnung von Investitionen und Kooperationsprojekten zu für das Land günstigen Bedingungen.

Ich kann mit Zuversicht erklären, dass alle internationalen Programme und Kooperationsbedingungen immer auf Entsprechung den Bedürfnissen der sozialwirtschaftlichen Entwicklung von Belarus und vom Standpunkt der Verbesserung der Wirtschaftslage der Bürger unseres Landes eingeschätzt wurden.

Das Außenministerium hielt sich immer an dieses Prinzip.

Im Unterschied zu anderen Staaten wurden in unserem Land nie außenpolitische Entscheidungen getroffen, von denen nur eine soziale Gruppe auf Kosten anderer profitieren würde. Gesamtnationale Interessen standen immer im Mittelpunkt.

Der Widerspruch der modernen Welt besteht darin, dass führende Mächte den Eindruck machen, dass wir in der Welt des Völkerrechts und allgemeiner Prinzipien existieren. In der Wirklichkeit wurde das Zusammenwirken aufgrund alter und seit langem bewährter Prinzipien „realpolitik“ solchen Ländern wie Belarus sehr oft vorgeschlagen. Zurzeit wird es schon zu einer Norm. Das bedeutet, dass derjenige, der mächtiger ist, auch mehr Rechte genießt.

Wir müssen offen sagen, das unsere Partner immer nur den Eindruck machten, dass sie sich um Schaffung einer gerechten Welt kümmern, die gleiche Entwicklungsmöglichkeiten allen Staaten gewährt. Die drohende Systemkrise lässt auf politische Korrektheit verzichten. Davon zeugt das Verhalten des US-Präsidenten Donald Trump. In dem Kontext interessieren wir uns für die Verwandlung europäischer Staatschefs. Hier gibt es aber nur zwei Varianten. Sie folgen entweder dem Beispiel von Trump oder werden durch die neue Generation der Entscheidungsträger wie Marine Le Pe von der politischen Arena weggefegt, für die „realpolitik“ zur Verhaltensregel wird.

Wir müssen gestehen, dass dieses Prinzip der mächtigen Staaten es dem Außenministerium nicht gestattete, gesetzte Aufgaben zu verwirklichen. Dazu zählen zum Beispiel WTO-Beitritt oder Unterzeichnung des allseitigen Kooperationsabkommens mit Belarus. Daran ist Belarus aber zweiffellos nicht schuldig.

Ich kehre zum Konzept der Mehrvektorenaußenpolitik zurück und möchte betonen, dass ähnliche Ansätze zur Entwicklung von Kontakten innerhalb von Jahrzehnten von nahezu allen GUS-Staaten, Russland einschließlich eingesetzt wurden. Wir versuchten, uns in die globale Welt zu „fügen“, nachdem wir die größte wirtschaftliche und soziale Katastrophe in der neuesten Geschichte überlebt hatten.

Im Universum gibt es nichts Ständiges. Heutzutage verfolgen wir, wie die Versuche, eine globale Welt mit Amerika im Zentrum zu schaffen, zusammenbrechen. Die politische Weltordnung ändert sich, bewegt sich unerbitterlich Richtung der Regionalisierung, Schaffung einer multipolaren Welt, einer Welt von Staatenverbindungen oder Makroregionen. Nahezu alle alten Modelle und Kooperationsansätze werden gebrochen oder grundlegend verändert.

Globale Finanzelite investierte riesige Ressourcen in die Globalisierung und setzt sich demzufolge heftig der Weltteilung in verschiedene Machtszentren zur Wehr. Die Logik dieses großen Konflikts, an dem alle Staaten, Belarus einschließlich, teilnehmen, besteht darin, dass der Sieger alles bekommt.

Diese Tendenzen müssen von allen Staatsdiensten in allen Staaten beurteilt werden. Das beeinflusst alle Lebensbereiche, einschlielich außenpolitische Doktrinen aller Länder.

Belarus muss in erster Linie die Mehrvektorenaußenpolitik auf Entsprechung den Verhältnissen und Bedingungen des internationalen Lebens überprüfen.

Meiner Meinung nach können wir behaupten, dass die Mehrvektorenpolitik angesichts der Kollision von geopolitischen Projekten, Vereinigung von Staaten in Makroregionen und Vernichtung des globalen Handels und des Finanzsystems nicht mehr die erforderlichen äußeren Bedingungen für eine günstige Entwicklung von Belarus garantiert.

Ich vermute, dass die Politik korrigiert werden muss. Die jüngsten politischen Ereignisse legen nahe, dass ein neues außenpolitisches Paradigma erforderlich ist. Es muss eine neue Struktur der außenpolitischen Prioritäten anbieten.

Ich bin überzeugt, dass die Stärkung von politischen, wirtschaftlichen und Militärbeziehungen zur Russischen Föderation im Rahmen des Unionsstaates für uns weiterhin auf der Prioritätenliste steht. Dieses Land bleibt nach wie vor unser wichtigster strategischer Partner.

Von Bedeutung ist auch die Entwicklung von Kontakten mit den Ländern der Eurasischen Wirtschaftsunion. In der Perspektive müssen wir gemeinsam um allmähliche Erweiterung dieser Struktur sowohl durch die GUS-Staaten, als auch andere eurasische Länder bemühen. Somit schaffen wir eine selbstständige Makroregion mit unabhängigem Finanzsystem, eigenem Markt und Arbeitsteilung.

Zur obersten Priorität der zweiten Ebene gehören unsere bilateralen Beziehungen zu China, der Türkei, Vietnam, Iran, Indien, wenn Belarus davon profitiert und diese Kontakte nicht den Interessen der Eurasischen Makroregion widersprechen oder diese Prozesse stärken.

Die Beziehungen zu EU und USA müssen auch ausgebaut werden. Die Kontakte müssen vom Standpunkt der geopolitischen Risiken beurteilt werden. Im Fokus muss die Zusammenarbeit in Handel und Wirtschaft, Digitalbranche, Wissenschaft, Ökologie stehen.

Zweifellos bleibt Belarus offen für die Beziehungen zu anderen Staaten in Südostasien, Afrika, Lateinamerika, im Nahen Osten, falls diese den gegenseitigen Interessen entsprechen. Das Zusammenwirken mit diesen Ländern muss meiner Meinung nach als zusätzlicher Faktor angesehen werden, der zum Wirtschaftswachstum und Entwicklung beiträgt.

Wir dürfen aber nicht über notwendige diplomatische Begleitung von globalen Projekten belarussischer Unternehmen vergessen. In Belarus gibt es Belarussisches Kaliunternehmen, globaler Spieler auf dem Düngermarkt, der auf allen Märkten handeln muss. In dem Zusammenhang können wir allem Anschein nach über Minsker Traktorenwerk oder Maschinenbaukomplex von Belarus sprechen.

Während die Mehrvektorenpolitik auf Suche nach neuen Möglichkeiten in der ganzen Welt orientiert wurde, wird die neue außenpolitische Doktrin Aufmerksamkeit der Vertiefung und Diversifizierung der belarussischen Positionen auf schon traditionellen Märkten schenken.

Unter neuen Bedingungen werden verschiedene negative Tendenzen in internationalen Beziehungen gesperrt.

Wir sind ein verhältnismäßig kleines Land mit beschränkten Ressourcen, das sich auf zukunftsträchtige Richtungen konzentrieren muss.

In diesem Artikel schlage ich keine neue außenpolitische Doktrin vor. Ich spreche mich nur zu diesem Thema aus.

Die Bildung einer neuen außenpolitischen Doktrin ist das Vorrecht des Präsidenten. Das Außenministerium muss konzeptuelle Vorschläge grundlegend durcharbeiten. Ich möchte meine aufrichtige Überzeugung aussprechen, dass es schon die höchste Zeit für diese Arbeit und diese Änderungen ist!

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