Projekte
Services
Staatsorgane
Flag Mittwoch, 7 Juni 2023
Minsk heiter +14°C
Alle Nachrichten
Alle Nachrichten
Präsident
11 Januar 2023, 17:45

Belarus hat ein besonderes Verhältnis zur historischen Erinnerung

Im April 2021 hat die Generalstaatsanwaltschaft ein Strafverfahren wegen des Genozids an der belarussischen Bevölkerung eingeleitet. Es handelt sich um Verbrechen an Belarussen, die während des Großen Vaterländischen Krieges und in der Nachkriegszeit begangen wurden. Man könnte fragen: Warum braucht das Belarus? In Belarus vergisst niemand, welche Heldentaten hier im Zweiten Weltkrieg vollbracht wurden. Man gedenkt aller Gefallenen. Schulkinder erfahren im Geschichtsunterricht über diese schreckliche Zeit. Der Staat feiert jedes Jahr den Tag des Sieges. Die Geschichten über den Heldenmut der Großväter und Urgroßväter werden von Generation zu Generation weitergegeben. Warum waren dann im August 2020 auf einmal so viele Extremisten und Neonazis auf den belarussischen Straßen zu sehen? Wie ist es dazu gekommen, dass man sich von Fälschungen derart irreführen ließ, dass das Land beinahe ins Chaos gestürzt wäre?

Soziale Medien und Messenger haben die Gemüter erobert. Gut und Böse haben plötzlich die Plätze getauscht. Nazismus und Faschismus erhoben das Haupt, und jemand beschloss, den heiligen Sieg des sowjetischen Volkes im Großen Vaterländischen Krieg in Frage zu stellen. Bei dem Strafverfahren wegen des Völkermordes an der belarussischen Bevölkerung geht es nicht nur darum, historische Gerechtigkeit wiederherzustellen und weiße Flecken in der Geschichte zu beseitigen. Es ist auch eine Frage der Konsolidierung der verfassungsmäßigen Ordnung und der nationalen Sicherheit. Das Jahr der historischen Erinnerung hat neue Seiten des verheerenden Krieges gezeigt. Es gibt neue Beweise für die Gräueltaten der Nazis in Belarus. Aber was heute auch immer passiert, Belarus setzt sich nach wie vor auf internationaler Ebene für die Bewahrung der historischen Erinnerung ein.

Wie viele belarussische Siedlungen wurden während des Großen Vaterländischen Krieges von den Nazis vernichtet?

Nach Angaben von Waleri Tolkatschow, Leiter der Abteilung für die Ermittlungen in besonders wichtigen Kriminalfällen der Generalstaatsanwaltschaft von Belarus, wurden im vergangenen Jahr Dutzende von Ausgrabungen an Orten der Massenvernichtung von Zivilisten durchgeführt und Überreste geborgen. Alle Gutachten sprechen eine Sprache: Die Menschen sind eines gewaltsamen Todes gestorben. Die sterblichen Überreste wurden mit allen rituellen Ehren wieder beigesetzt.

“Im Rahmen des Strafverfahrens haben wir neue, bisher unbekannte Siedlungen gefunden, die während der deutschen Besatzung zerstört wurden. Lag die offizielle Zahl früher bei 9,2 Tausend, so kann man heute mit Recht behaupten, dass es mehr als 10,5 Tausend Siedlungen gab. Sie wurden zusammen mit der Zivilbevölkerung vernichtet, das heißt die Menschen wurden bei lebendigem Leib verbrannt. In diesem Jahr planen wir mindestens 30 Ausgrabungen an Massenvernichtungsorten“, so Waleri Tolkatschow.

Eine große Hilfe bei der Arbeit der Generalstaatsanwaltschaft leisten einfache Zivilisten. Im Rahmen der Ermittlungen wurden bereits mehr als 15.000 Zeugen und Opfer befragt. Die Videoaufnahmen sind frei zugänglich, so dass die ganze Welt die Wahrheit sehen und hören kann. Für solche unmenschlichen Verbrechen gibt es keine Verjährungsfrist. Die Nazis haben Häuser und Menschen in Schutt und Asche gelegt, aber die blutigen Seiten der Geschichte konnte niemand aus dem Gedächtnis löschen. Selbst nach mehreren Jahrzehnten. Auf der Karte der verbrannten Dörfer befindet sich hinter jedem roten Punkt ein echter bewohnter Ort. Es gibt mehr als 10.000 davon. Die Hälfte haben die Nazis zusammen mit den einheimischen Helfershelfern ausgerottet. Und wer einmal in Chatyn oder einer anderen Gedenkstätte gewesen ist, kann die Totenstille dieser Orte nie vergessen, denn diese Stille schreit zum Himmel.

„Was waren das für Menschen, die in unseren Alten, Frauen und Babys nichts gesehen haben, was sie an ihre Verwandten erinnern konnte? Wie konnten sie nur die Zivilisten so kühl und methodisch töten? Sogar die Babys wurden auf Bajonetten aufgespießt – man wollte so die Kugel sparen... Das klingt höllisch und schrecklich, aber wir können es uns nicht leisten, für diese Gräueltaten auf unserem Territorium irgendwelche Euphemismen zu finden. Das werden wir auch nicht tun. Wenn wir unsere Emotionen vergessen, werden wir den ersten Schritt tun zum Vergessen der Geschichte und der Ereignisse, die diese Emotionen hervorgerufen haben. Heute gedenken wir der verstorbenen Einwohner des Dorfes Borki und der umliegenden Dörfer. Dieser furchtbare Tag, an dem im Jahr 1942 die Stimmen der Kinder für immer verstummten, wird nie vergessen werden... und dieses Denkmal ist ein Beweis und ein Versprechen dafür“, sagte der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko im Juli 2020 bei der Einweihung einer Gedenkstätte für verbrannte Dörfer in Mogiljow.

Wer steckt wirklich hinter der Zerstörung der sowjetischen Denkmäler in den baltischen Staaten?

Die moderne Kriegsführung ist viel raffinierter als es 1941 der Fall war. Wirtschaftsblockade, Informationskonfrontation, ideologische Erpressung sind seine Mittel. Und auch eine skrupellose Umschreibung der Geschichte. Im Dezember 2022 wurden in der Stadt Odessa Denkmäler für die russische Zarin Katharina die Große und den Militärführer Alexander Suworow abgerissen. Offenbar haben die Mitglieder des Stadtrats vergessen, wer ihre Stadt gegründet hat. Immerhin sind mehr als zwei Jahrhunderte vergangen. Und das Rathaus von Vilnius hat erklärt, es halte es nicht für notwendig, der UNO über die Zerstörung der sowjetischen Denkmäler zu berichten. Im Sommer beschloss die Verwaltung von Vilnius, die Stelen an der Gedenkstätte auf dem Friedhof von Antakalnis zu entfernen.

Mehr als 3.000 Rotarmisten sind dort begraben. Der UN-Menschenrechtsausschuss war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden, aber die Litauer und Letten halten nicht viel davon. In der Republik Lettland wurde das Gesetz angenommen, wonach bis zum 15. November alle Denkmäler der sowjetischen Epoche zerstört werden sollten. Die Frist wurde nicht eingehalten. Es stellte sich heraus, dass der Kampf mit den Denkmälern kein Blitzkrieg war.

Der Krieg gegen die Denkmäler ist keineswegs der erste. Bereits in den 1990-er Jahren wurden die ersten Versuche gemacht. Das Gedenken an die Heldentaten der sowjetischen Soldaten, die Europa von Faschismus befreiten, zu verunreinigen. Alles fing mit der Entkommunisierung an und endete mit Russophobie. In der Zwischenzeit ist eine ganze Generation herangewachsen, die nicht zwischen Schwarz und Weiß unterscheiden kann. Was werden sie ihren Kindern beibringen, die für Hype oder Likes bereit sind, Farbe über den heiligen Ort zu schütten und sogar auf die Denkmäler zu pinkeln?

„In Lettland sind heute die Nachkommen derer an der Macht, die in Mordkommandos der Wehrmacht belarussische Dörfer niedergebrannt haben. Sie wurde alle im Westen erzogen, sind aber heute nach Lettland zurückgekehrt und haben mit der Unterstützung Europas die Macht übernommen. In den ersten Jahren hatten sie Angst, etwas offen zu tun. Aber heute, nach dem Beginn der militärischen Sonderoperation Russlands in der Ukraine, haben sie begonnen, alles offen zu zerstören. Sie schämen sich nicht dafür“, ist Wjatscheslaw Selemenew vom Nationalarchiv überzeugt.

Belarus wird die Rehabilitierung des Nationalsozialismus niemals zulassen. Das steht im Gesetz, in der Verfassung. Die Slogans der SS und der Neofaschisten werden auf unseren Straßen nicht zu hören sein. Und wenn irgendwo auf der Welt Kriegsdenkmäler zerstört werden, so werden sie in Belarus im Gegenteil aufgebaut und restauriert. Wir feiern am 9. Mai den Tag des Sieges, am 3. Juli den Tag der Unabhängigkeit und seit kurzem am 22. Juni den Tag des Volksgedenkens der Opfer des Großen Vaterländischen Krieges und des Genozids am belarussischen Volk.

„Wir werden unser Heimatland, unsere Unabhängigkeit und Souveränität an niemanden abgeben. Wir werden auf jeden Fall durchhalten! Die Welt ist mehr als nur die Europäische Union. Es gibt genügend verantwortungsvolle Länder und ganze Regionen auf der Welt, mit denen wir weiterhin eng zusammenarbeiten werden. Wir sind die Erben der großen Generation, die uns Leben, Freiheit und Unabhängigkeit schenkte. Belarussen, denkt bitte daran, das alles, was wir sagen und was wir denken, unsere Helden dort oben zu sehen und zu hören bekommen. Auch heute hören sie mich. Sie müssen verstehen, dass sie damals nicht umsonst gefallen und gestorben sind. Von dort oben helfen sie uns auch heute noch, unsere Heimat Belarus zu verteidigen. Sie helfen uns vor allem durch ihr Vorbild: Sie haben unbeugsamen Widerstand, Mut und Selbstlosigkeit während des Großen Vaterländischen Krieges an den Tag gelegt. Heute feiern wir die Heldentaten unseres Volkes, ehren die Veteranen und trauern um die Opfer. Wir verneigen uns vor den Helden und unschuldigen Opfern des Krieges. Die Erinnerung an sie ist uns heilig. Wir werden niemals in die Knie gehen, solange wir die Erinnerung wachhalten. So ist es, so sollte es sein und so wird es immer sein!, sagte Alexander Lukaschenko am 22. Juni 2022 bei einer Kranzniederlegung in der Heldenfestung Brest.

Was tun die Historiker, um das Thema Holocaust in Belarus zu untersuchen?

Insgesamt wurden seit den neunziger Jahren mehr als 20 Dokumentensammlungen zu den Ereignissen des Großen Vaterländischen Krieges veröffentlicht. Es gibt keine Probleme beim Zugang zu den Materialien. Alle Unterlagen aus jener Zeit wurden vor langem deklassifiziert. Archivare, Historiker und Wissenschaftler sind bereit, die heldenhafte Chronik weiter zu ergänzen.

Im Januar planen wir die Präsentation der Dokumentensammlung „Holocaust. Tragödie und Erinnerung“. Das Buch ist bereits im Verlag und soll in naher Zukunft veröffentlicht werden. Wir haben alles, was zum Thema Holocaust veröffentlicht wurde, zusammengefasst. Ein neuer Abschnitt ist dem Gedenken an den Holocaust in Belarus gewidmet. Tatsache ist, dass man uns vorwirft, dass in Belarus nicht viel getan wird. Sie sagen vor allem, dass unser Präsident dieses Thema ignoriert. Aber in unserer Sammlung beweisen wir, dass wir es dem belarussischen Präsidenten zu verdanken haben, dass wir die Gedenkstätte Trostenez haben. Ohne seine Initiative gäbe es die Gedenkstätte nicht. In Chatyn hat sich auf Initiative des Präsidenten viel getan“, sagte Wjatscheslaw Selemenew.

Wie viele Belarussen wurden während des Großen Vaterländischen Krieges getötet und in die deutsche Sklaverei getrieben?

Belarus wird es sich niemals erlauben, die Geschichte umzuschreiben und das Andenken der Sieger zu verraten. Diese Entscheidung des belarussischen Präsidenten hallt in den Herzen der Belarussen nach. Die Nachkommen der Sieger werden nicht zulassen, dass die Waffentaten ihrer Vorfahren entwertet werden. Die Wunde ist zu tief, um selbst mit der Zeit geheilt zu werden.

„Jeder neuen Generation wird es immer schwerer fallen, das Leid und die Entbehrungen ihrer Vorfahren zu verstehen, sich die Grausamkeit und die Leichtigkeit vorzustellen, mit der die Nazis das Leben der Alten, der Frauen und der Säuglinge auslöschten, an die echte Bereitschaft der Menschen zu glauben, für ihr Vaterland zu sterben. Aber all das ist passiert. Stille Zeugen der Verbrechen der Faschisten sind Chatyn, Krasny Bereg, Trostenez, Jama, Borki, Ola, Massengräber und jeder Quadratmeter unseres Landes. Sie sind die Hüter der Wahrheit. Es ist unsere heilige Pflicht, sie zu bewahren und an die nächsten Generationen weiterzugeben. Solange die Menschen selbst kommen, ihre Söhne und Töchter an diese denkwürdigen Orte bringen, wird Belarus nie vergessen, wie Kinder in den Armen ihrer Eltern und hilflose alte Menschen verbrannten. Und wenn heute jemand in der Welt es vorzieht, die schrecklichen Seiten des Zweiten Weltkriegs zu vergessen und versucht, die Schuld den anderen Staaten in die Schuhe zu schieben, wird Belarus die wahre Geschichte in Stein meißeln“, sagte der belarussische Staatschef 2020 in Swetlogorsk.

In den Jahren der NS-Besatzung von 1941 bis 1944 wurden auf belarussischem Gebiet über 3 Millionen Zivilisten und Kriegsgefangene ermordet. 377 Tausend Menschen, von denen viele an den Folgen von Entbehrungen und Folter starben, wurden unter Androhung des Todes in die deutsche Sklaverei verschleppt. Die Nazis zerstörten und verbrannten 209 Städte, über 9,2 Tausend Dörfer und Weiler, von denen 5.295 Siedlungen mit ihrer gesamten oder einem Teil ihrer Bevölkerung vernichtet wurden.

Abonnieren Sie uns auf
Twitter
Letzte Nachrichten aus Belarus