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11 Januar 2021, 09:56

Russische Journalistin zu Gast bei Staatschef: Die besten Zitate aus einem ungewöhnlichen Interview

MINSK, 11. Januar (BelTA) - Die russische Fernsehmoderatorin und Journalistin Nailja Asker-sade hat in den ersten Tagen des Jahres 2021 die Familie Lukaschenko besucht und ein großes Interview mit Alexander Lukaschenko und seinem Sohn Nikolai gemacht. Das Interview wurde am 10. Januar beim TV-Sender „Rossija 1“ ausgestrahlt. Wir führen die besten Aussagen und Zitate des belarussischen Präsidenten auf.

Das Gespräch fand in einer häuslichen Atmosphäre statt – bei Tee und Pfannkuchen. Es wurden viele Themen angesprochen, private wie politische. Den Sohn Nikolai charakterisierte Asker-sade in ihrem privaten Account in den sozialen Netzwerken als „nicht verwöhnt“. Er sei ein bescheidener und denkender Mensch, schrieb sie.

Rund-um-die-Uhr-Präsident

Auf die Frage, ob der müde ist, Präsident zu sein, erwiderte Alexander Lukaschenko, dass sich der Mensch an vieles gewöhnt. „Man fühlt sich wie ein Hamster in seinem Laufrad. Solange sich das Rad dreht, kann man nicht halt machen. Ob man müde ist… Ehrlich gesagt gibt es in diesem Teufelskreis keine Zeit, daran zu denken. Gäbe es diese Zeit, würde ich bestimmt daran denken. Aber die Zeit ist nicht da.“

Sein Arbeitstag habe keinen Anfang und es gebe keinen Feierabend. Oft müsse man rund um die Uhr wach sein und arbeiten. Er stehe sehr früh auf, „eine Gewohnheit aus der Kindheit.“ Die Morgengymnastik beginnt um 5.30 Uhr, jeden Tag. Fitness im Freien, keine schweren Übungen. Er möge Spielsportarten wie Fußball und Hockey. Seine Knieverletzung in der 10 Klasse mache ihm auch heute noch zu schaffen, aber er sei ein Stammgast auf dem Eis. „Training dreimal die Woche“, gibt er zu. Mit Putin spiele er gerne Hockey. Auf dem Eis seien sie Gegner, in der Politik eher Verbündete. „Wir sind untrennbar in einem Team“, sagt er.

Über Freund und Feind

Wladimir Putin sei sein Freund und der Freund des belarussischen Volkes. Das habe der russische Präsident bewiesen. Auf die Frage, ob er noch Freunde hat, antwortet der belarussische Staatschef nach einer langen Pause: „Ich glaube kaum. Gegner habe ich viele. Ob sie meine Feinde sind, weiß ich nicht. Kommt Zeit kommt Rat.“

Integration mit Russland

In der weiteren Integration mit der Russischen Föderation sehe Alexander Lukaschenko die Zukunft von Belarus. „Nur müssen wir auf diesem Weg grundsätzliche Barrieren abschaffen. Es müssen in den beiden Staaten gleichwertige Bedingungen für Menschen und Unternehmen geschaffen werden. Ohne Gleichberechtigung wird es keine Bewegung nach vorne geben. Das betrifft sowohl den Gaspreis als auch den freien Verkehr von Arbeit, Kapital, Waren und Dienstleistungen.“ Niemand werde einen Unionsstaat ernst nehmen, der 30 Jahre lang keine Einigung in Bezug auf grundlegende Fragen erzielen könne. Kein anderes Land der Welt sei mit Russland so eng integriert wie Belarus, dennoch könnte das Endergebnis viel besser sein. Als Krönung dieser Integration sei eine gemeinsame Währungsunion zu betrachten. Das hätten die Staatschefs der beiden Länder bereits angesprochen. Bislang habe es dazu „keine so große Notwendigkeit“ gegeben.

Brudervolk Russland

Wie betrachtet er Russland, fragte Asker-sade. „Als Bruder, Verbündeter oder Nachbarstaat?“ Russen – also alle Menschen, die auf dem Territorium der Russischen Föderation leben - seien Belarus ein Brudervolk, sie seien Bruder. Die beiden Staaten seien eng verwandt, hätten gleiche Wurzeln und hätten nichts zu teilen. Die beiden Staaten könnten einander den Rücken stärken. „Wir wissen, dass wir im Osten den älteren Bruder haben, der uns helfen kann. Auch Russland ist überzeugt, dass es im Westen ohne Belarus gewissen Schwierigkeiten hätte.“

Über die Nichtanerkennung der Wahlen von Westen

Die Präsidentschaftswahlen, die im August 2020 stattgefunden haben, wurden in vielen westlichen Staaten nicht anerkannt. „Stört Sie das“, fragte die Moderatorin.

„Überhaupt nicht. Wir haben die Wahlen nach allen Regeln und Standards durchgeführt wie jeder andere Staat. Das Volk hat seine Entscheidung getroffen. Das ist unsere Angelegenheit. Und im Westen hat jeder so seinen Geschmack – manche akzeptieren diese Wahl, manche erkennen sie nicht an. Das ist Geschmackssache. Diese Nichtanerkennung ist natürlich etwas unangenehm, aber dass mich dieser Umstand kaputt macht – das ist sicher nicht der Fall.“

Über Swetlana Tichanowskaja

Auf die Frage, was er über die im Ausland lebende Opposition hält, und ganz konkret über seine Rivalin Swetlan Tichanowskaja, erwiderte Lukaschenko: „Tichanowskaja hat keine eigene Stimme. Ihre Stimme ist die Stimme derer, die hinter ihr stehen, die sie finanzieren und die Richtung weisen. Und das sind Geheimdienste aus Litauen und Polen. Womöglich auch aus der Ukraine. In Belarus und Russland sind wir uns in einem einig: Die Strippenzieher sitzen in den USA, ihre Rolle ist sehr groß. Sie haben bei Warschau ein entsprechendes Zentrum eingerichtet, mit über mehr als 100 Personen, die ihre Anweisungen aus den USA erhalten. Alle Ideen aus dem Übersee werden in diesem Zentrum generiert und dann von der Opposition zum Ausdruck gebracht. Ich kann nichts Schlimmes über Swetlana Tichanowskaja sagen, aber sie kann keinen einzigen Gedanken selbstständig formulieren. Alles, was sie sagt, wir ihr aus fremder Hand vorgeschrieben“.

Dialog mit allen

Über sein Treffen mit verhafteten Oppositionspolitikern im KGB-Gefängnis sagte der Staatschef, er habe mit eigenen Augen gesehen, was das für Menschen seien, und was sie anrichten könnten, wenn sie an die Macht gelangen würden. Er bereue nicht, dieses Gespräch geführt zu haben. Die Staatsmacht sei zum Dialog mit allen politischen Kräften bereit. Das habe er damit auch demonstriert.

Referendum und neue Verfassung

Mitte Februar soll die Allbelarussische Volksversammlung zum 6. Mal zu einer Tagung zusammenkommen. Dieses Organ wird unter anderem über die Änderungen der belarussischen Verfassung beraten. Die Abstimmung über die neue Verfassung soll nur im Rahmen eines Referendums vollzogen werden. Auf die Frage, wann dieses Referendum stattfinden soll, sagte der Staatschef, dass die neue Verfassung voraussichtlich Ende 2021 auf den Tisch gelegt wird. Anschließend wird das Volk bei einem Referendum entscheiden, ob diese Verfassung in Kraft treten soll. Änderungen, die im Rahmen der Verfassungsreform geplant seien, würden sich in erster Linie auf die Umverteilung von Vollmachten und Befugnissen, auf die Bildung von Parteien und politische Fragen beziehen. Unverändert bleibe der Grundsatz, dass Belarus ein sozial orientierter Staat sei. „Nur das Volk wird über die neue Verfassung abstimmen. Weder das Parlament noch der Präsident“, betonte der Staatschef.

Multilateral ausgerichtete Außenpolitik

Alexander Lukaschenko hält eine multilateral ausgerichtete Außenpolitik der Republik Belarus für enorm wichtig. „Wir führen den Handel mit rund 120 Staaten. Diesen Handel müssen wir politisch und diplomatisch untermauern. Das ist ein Axiom. Darin besteht das Wesen unserer multilateralen Politik. Belarus hat auch früher unter Sanktionen gelitten. Wer hat uns in dieser Lage geholfen? Russland. Wer noch? China. China hat uns $7 Milliarden an Investitionen angeboten. Wir haben viele Projekte sofort umgesetzt. Die EU hat uns Kredite gewährt – aus diesen Mitteln haben wir alle Verkehrsadern in Ordnung gebracht und neue gebaut. Warum sollen wir auch mit der EU keine Beziehungen haben? Russland wird uns so viel Kredite nicht anbieten können. Deshalb reden wir von der mehrseitigen Politik.“

Auf die Frage, ob ihn die Sanktionen traurig machen würden, sagte der Staatschef: „Nein. Ich bin daran gewohnt.“ Auch die Drohungen, Belarus und Russland vom SWIFT abzukoppeln, würden nur den Initiatoren schaden. Warum der Westen überhaupt einen Kreuzzug gegen Belarus führe, weiß Lukaschenko auch die Antwort: „Der Westen kommt an Russland näher ran. Sie werden die Nächsten sein. Deshalb passen Sie gut auf“

Über die Eishockex-WM 2021 in Minsk

Auf die Frage, ob Minsk in diesem Jahr die Eishockey-Weltmeisterschaft austragen wird, sagte Lukaschenko: „Wissen Sie, ich mache mir darüber keine Gedanken. Wenn ja, dann ja. Wenn nicht – dann eben nicht. Aber es gibt keinen einzigen triftigen Grund, die Weltmeisterschaft in der belarussischen Stadt nicht austragen zu lassen. Wir sind bereit, das Sportturnier sogar morgen stattfinden zu lassen. Die Arenen stehen bereit“.

Über Normandie-Format, Ukraine und Selenskyj

Das nächste Treffen im Normandie-Format wird womöglich nicht in Minsk stattfinden, vermutete die Journalistin während des Rundgangs über den Palast der Unabhängigkeit. Im Jahr 2015 waren hier mehrere Staatschefs zu einer Krisensitzung zusammengekommen. Lukaschenko darauf: „Wenn die nächste Sitzung in Paris stattfinden soll, dann ist das in Ordnung. Aber wenn sie den Wunsch äußern, in einem undemokratischen Staat wie Belarus die Sitzung abzuhalten, dann werde ich alle willkommen heißen. Jedes Treffen soll dem ukrainischen Volk Nutzen bringen.“

Auf den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sei er nicht sauer. Die Ukraine habe sich politisch in eine Ecke hineinmanövrieren lassen, so dass es heute keinen leichten Ausweg gebe. Wolodymyr Selenskyj sei ein angehender Politiker und habe bereits Aussagen gemacht, die man ihm nicht unbedingt übel nehmen solle. Die ukrainische Staatsführung habe zwar erklärt, dass sie die Wahlen in Belarus nicht anerkenne, aber die Beziehungen zwischen den Menschen in den beiden Staaten seien gut und freundschaftlich.

„Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Belarus und der Ukraine bleibt erhalten. Dieses Fundament wollen wir nicht demolieren. Wirtschaftlich treten wir ab und zu als Vermittler zwischen Russland und der Ukraine auf. Diplomatische Beziehungen wurden aufs Eis gelegt, das ist wahr. Kontakte bestehen nur zwischen den Botschaften.“

Sohn Nikolai über den Vater

Das Interview wurde an mehreren Orten gedreht – einer davon war bei Alexander Lukaschenko zu Gast. Der Gastgeber lud Nailja Asker-sade zu einem Abendessen ein. Serviert wurden Pfannkuchen mit Pilzen und Butter. Am Tisch sein jüngster Sohn Nikolai. In der häuslichen familiären Atmosphäre sind alle Fragen nicht über Politik und Wirtschaft, sondern über den Vater Alexander Lukaschenko.

„Papa“ - so sagt Nikolai zu seinem Vater unter vier Augen. „Vater“ klinge sehr kühl, „Batja“ - zu abwertend. Der Vater-Sohn-Konflikt sei – wie in vielen Familien – eine Selbstverständlichkeit. „Verschiedene Meinungen, die wir haben, Ambitionen und ähnliches – wir streiten uns, dass die Funken sprühen. Aber als Vater bin ist sehr streng“, gab Alexander Lukaschenko zu.

Nikolai bestätigte, dass es Konfliktsituationen gebe und dass sie erfolgreich gelöst würden. Er gebe seinem Vater manche Ratschläge. „Meine Ratschläge werden jedes Mal anders wahrgenommen. Wir sind beide starke Persönlichkeiten und haben oft unterschiedliche Ansichten. Aber trotz Emotionen, die wir mitunter nach außen tragen, hören wir einander immer zu“, sagte er. Politische Themen seien kein Tabu in der Familie. Die Tonalität solcher Gespräche sei variabel. Aber auch eine ganz andere Meinung des jüngsten Sohnes von Lukaschenko mache ihn nicht zum Oppositionspolitiker, wie das Alexander Lukaschenko einst formuliert hat.

Ob er lieber schweige oder seine Meinung dem Vater offen sage, wurde Nikolai gefragt. „Ich werde nie schweigen, wenn es etwas zu sagen gibt. Meine Meinung hört mein Vater immer. Dass ich sein Handeln oder seine Worte für nicht richtig halte, erfährt er auch von mir. Aber privat, nicht öffentlich.“

Er sehe sich in der Zukunft nicht in der Rolle eines Politikers, gab Nikolai zu. Der Vater bestätigte: „Keiner der Söhne will in die Politik.“

Über seinen zukünftigen Beruf denkt Nikolai nicht nach. Das Leben sei so stürmisch, die Werte veränderten sich so rasch. Der junge Mann spricht Englisch und lernt seit kurzem Spanisch, hat Freunde unter Altersgenossen, spielt Eishockey und Klavier. Als Sohn des Staatschefs ist man in das politische Geschehen ohnehin involviert, deshalb interessiert man sich dafür automatisch.

„Welche Nachteile hat das Leben als Präsidentensohn?“, fragte Asker-sade. „Nachteile sind solange Nachteile, bis wir sie für solche halten“, kam die Antwort.

Entscheidungen treffen

Wie treffe er die wichtigen Entscheidungen – selbst oder nach Absprache mit Ratgebern, wurde Alexander Lukaschenko gefragt. „Meine Entscheidung ist oft das Ergebnis einer großen Beratungsarbeit. Es gibt viele Menschen, die darauf Einfluss nehmen können. Aber wenn die Entscheidung gefallen ist, dann werde ich sie hart verfechten und umsetzen“, sagte der Staatschef.

Politische Krisen nach den Wahlen seien in Belarus eine Selbstverständlichkeit. Politisch gefärbt, aber im Grunde genommen wirtschaftlich bedingt. Eine stabile Wirtschaft werde dafür sorgen, dass wir in den nächsten Jahren nichts zu fürchten brauchen.

Aus seiner Sicht wird die Lukaschenko-Ära in die Geschichte des Landes als eine Zeit eingehen, die geprägt war durch Stabilität, Frieden und Gerechtigkeit.

Über das Ende der Präsidentschaft"

„Irgendwann werden auch Sie ihre politische Karriere beenden müssen“, bemerkte Nailjy Asker-sade zum Abschluss des Interviews. „Sicherlich. Ich bin heute nicht mehr so empfindlich, wenn es darum geht, dass man aus dem Beruf ausscheiden muss“, antwortete er. „Was haben Sie dann vor? Memoiren schreiben wie Obama?“ - „Nein, ich neige nicht dazu. Auch wenn es viel Interessantes gibt, was man für die Geschichte festhalten kann. Ich werde mich wahrscheinlich ausruhen. Wird jemand meine Hilfe benötigen, stehe ich gerne zur Verfügung. Ich will auch, dass dieses Land erhalten bleibt, für unsere Kinder. Bald kommt eine neue Generation der Politiker, die die Verantwortung für die Zukunft des Landes übernehmen sollen“, sagte Alexander Lukaschenko.

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