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In diesem Jahr ist in Belarus das Tierschutzgesetz („Über den verantwortungsvollen Umgang mit Tieren“) in Kraft getreten. Hierzulande wurde viel über die Details gesprochen. An zahlreichen Diskussionen nahmen Fachleute, Tierpfleger und Tierschützer teil. In der neuen Ausgabe von „Postfactum: Beschlüsse des Ersten“ erzählen wir Ihnen, welchen Umgang mit Tieren Alexander Lukaschenko als skandalös betrachtet, was das neue Gesetz als Verstümmelung definiert und wie die Auffangstation in Minsk funktioniert.
Wie viele Vergehen gegenüber Tieren werden in Belarus registriert?
Die Statistiken sind enttäuschend: Im Jahr 2020 wurden in Belarus 17 Vergehen gegenüber Tieren registriert. Im Jahr 2021 waren es 31 Straftaten. Die Straftäter mussten eine Geldstrafe zahlen, manche wurden zu Freiheitsstrafe verurteilt. Aber der entsprechende Rechtsrahmen war immer noch unzureichend.
„Die wichtigste Bestimmung und die Schwerpunkte dieses Gesetzes beziehen sich auf den verantwortungsvollen Umgang mit Tieren. Bevor man sich ein Tier anschafft, sollte jeder Tierhalter verstehen, dass ihm damit eine gewisse Verantwortung auferlegt wird. Dieses Gesetz hat all jene Rechtsbeziehungen gestrafft und geregelt, die auf der Ebene des Gesetzes geregelt werden mussten“, sagt Julia Pyrskaja, Anwältin der Anwaltskammer Minsk.
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Was hat sich seit dem Inkrafttreten des Tierschutzgesetzes geändert?
Früher musste ein Tierbesitzer nur dann Strafe zahlen, wenn er seinem Tier bereits einen Schaden zufügte. Heute sind selbst vorsätzliche Handlungen strafbar, die potenziell zu Schmerzen, Schaden oder Leiden von Tieren führen können. Das gilt auch für Nutztiere.
„Es ist klar, dass das Leben eines Nutztieres mit seiner Schlachtung endet. Dennoch müssen für noch lebende Nutztiere humane Bedingungen geschaffen werden. Das Bedürfnis des Tieres nach Nahrung, Licht, Wasser, Auslauf und der Befriedigung seiner natürlichen Bedürfnisse soll gewährleistet werden“, sagte Julia Pyrskaja.
Mit anderen Worten: Eine Kuh, eine Ziege oder ein Schwein sollen unbedingt gefüttert werden. Werden die Nutztiere unterernährt – gilt das ebenfalls als Tierquälerei. Dafür wird man zur Verantwortung gezogen. Die Landwirtin Anastassjia Tschernjawskaja findet oft auf der Straße Kaninchen, Gänse, Katzen und Hunde. Ihre früheren Besitzer brauchten sie eines Tages nicht mehr.
„Gespielt und weggeworfen. Manche Tiere wurden von Kindern gequält. Ihre Eltern haben sie dafür sogar nicht gescholten. Die Kinder wissen nicht, das Tiere leiden können. Es ist furchtbar. Jede Geschichte trifft einfach einen Nerv. Wie kann ein Mensch dem Tier so etwas antun? Beispiele gibt es mehr als genug. Im Herbst brachte uns ein Mann einen 12-jährigen Kater. Er lebte 12 Jahre im Haus. Die Kinder haben eines Tages das Tier gequält, der Kater wehrte sich dagegen. Also haben sie beschlossen, ihn einfach rauszuwerfen. Sie fragten mich, ob ich ihn bei mir aufnehmen könnte. Ich habe ihm gesagt, dass ich ihn nicht aufnehmen konnte, weil der Kater im Haus lebte und ich ein kleines Kind hatte. Aber ich sagte, ich könnte für ihn ein anderes Zuhause finden. Wissen Sie, was er getan hat? Der Typ hat den Kater einfach irgendwo im Feld weggeworfen. Wir haben ihn nicht sofort gesehen. Es hat drei Tage gedauert, bis wir ihn gefunden haben. Der Kater lief umher und fror, und ihn herum ein Rudel Hunde“, erzählte uns Anastassija Tschernjawskaja.
Warum duldet Alexander Lukaschenko keine Tierquälerei?
Als Alexander Lukaschenko im Juli 2022 den Bericht von Juri Tertel, Leiter der staatlichen Inspektion für den Schutz von Fauna und Flora, entgegennahm, wies er auf die eklatanten Fälle von Tierquälerei hin und forderte sofortige Reaktion. Das Staatsoberhaupt stellte fest, dass solche Vergehen gegenüber Tieren oft von jungen Menschen verübt wurden. „Es ist ein Problem. Junge Leute quälen Tiere und stellen entsprechende Videos ins Internet“, empörte sich der belarussische Staatschef.
Er wies an, sofort Vorschläge zu unterbreiten, auch wenn dies nicht gerade ein Spezialgebiet der Aufsichtsbehörde war. „Aber nimm bitte dieses Thema unter Kontrolle. Es geht doch um Tiere. Sie sind zuverlässig, anständig und treu. Sie werden uns niemals verraten. So, wie die jungen Menschen heute mit Tieren umgehen, ist inakzeptabel. Wir werden ein entsprechendes Gesetz verabschieden. Aber inzwischen soll die Tierschutzinspektion auf solche Vergehen gebührend reagieren“, sagte Alexander Lukaschenko.
Die Täter seien leicht zu finden, sagte Alexander Lukaschenko. Viele posten ihre Videos sofort in sozialen Netzwerken. „Und zweitens: Die große Mehrheit der Belarussen haben Mitleid mit Tieren, Sie werden unsere Behörden sofort alarmieren, wenn sie solche Vergehen bemerken“, sagte das Staatsoberhaupt.
„Wir müssen darauf reagieren. Bis wir ein Gesetz haben, bitte ich Sie, diese Angelegenheit so gut wie möglich zu kontrollieren. Was sie da anstellen, ist himmelschreiend. Man wirft Steine auf einen Schwan oder schießt auf ihn, das ist reine Tierquälerei. Schwäne sind überhaupt heilige Vögel! Oder man quält einen Hund. Wir müssen uns mit diesem Thema intensiv befassen. Ich bitte Sie: Nehmen Sie dieses Problem unter Kontrolle!“, forderte Lukaschenko.
Der Präsident hat das Problem mit der Tierquälerei mehrfach angesprochen. Wie sehr Alexander Lukaschenko Vierbeiner liebt, sieht man daran, wie er mit seinem Spitz Umka umgeht. Übrigens erzählte das Staatsoberhaupt am 26. Januar dieses Jahres im Gespräch mit Journalisten, wie er Umka bekommen hat.
„Man hat diesen Hund einem anderen geschenkt, aber er wollte mich nicht verlassen. Tja, was soll man machen. Deshalb liebe ich ihn so sehr. Er ist wie ein Kind. Sein Hauptkonkurrent ist natürlich mein Sohn Nikolai. Er spürt meine Liebe zu Kolja. Ich habe das vorher nicht verstanden, obwohl ich im Dorf geboren bin und mich mit Tieren auskenne“, sagte Alexander Lukaschenko. „Ich hätte nicht gedacht, dass man Tiere wie Babys behandeln kann. Sie sind treu und zuverlässig. Menschen können vielleicht nicht so treu sein wie Hunde. Und er hat die Instinkte eines Hundes. Wenn ich irgendwohin gehe, wo Menschen sind (er ist sehr eifersüchtig), weiß er aus dem Bauch heraus, dass er dort unbedingt sein sollte.“
Wie Volontäre Haustieren zweites Leben schenken
Nicht gleichgültige Menschen und Freiwillige stellen Fotos und Videos von verstümmelten Katzen und Hunden ins Internet. Auf diese Weise sammeln sie Geld für die Behandlung, und im Idealfall wird ein neuer Besitzer gefunden. Oft filmen zufällige Passanten, wie Tiere gequält werden. Im April 2022 tauchte im Internet ein Video auf, auf dem eine Frau auf der Straße ihren Hund mit Füßen schlug. Die Miliz reagierte sofort: Die Frau wurde festgenommen. Später wurde das Video dem Präsidenten gezeigt. Alexander Lukaschenko reagierte blitzschnell.
Der Welpe wurde nach Minsk gebracht, und am 2. Mai übergab ihn der Präsident beim letzten Hockeytraining an den Trainer seiner Mannschaft, Senator Dmitri Baskow. Auf diese Weise fand der Hund ein Zuhause. Auch Pepa bereitet sich auf den Umzug vor. Sie hatte weniger Glück: Im August letzten Jahres wurde sie von der Straße in eine provisorische Auffangstation gebracht.
„In dieser Zeit brachte sie vier Welpen zur Welt. Wir haben sie in gute Hände weggegeben. Und jetzt ist sie selbst dran. Sie findet bals ein neues Zuhause“, sagte Zooingenieurin Tatjana Tscherkas.
Was dazu führt, dass Haustiere auf der Straße landen
Die Geschichten darüber, wie Tiere verraten und weggeworfen werden, können die Mitarbeiter des Tierheims endlos erzählen. Die Menschen verstehen oft nicht, wie viel Verantwortung sie für die Tiere tragen: Manchmal werden Tiere nach ein oder zwei Tagen zurückgegeben. Man nimmt sie, spielt mit ihnen und ist nicht mehr bereit, sich um sie zu kümmern und sie zu pflegen.
„Das war lange her, man wollte eine junge Hündin. Die Familie brachte sie nach vier Jahren zurück. Sie sagten: Die Kinder sind groß geworden, sie brauchen das Tier nicht mehr. Können Sie sich das vorstellen? Was sind denn das für erwachsene Kinder, wenn sie ihren Freund nicht mehr brauchen? „Nehmt sie zurück“, sagen sie. Sie gehört euch. Solche Geschichten sind selten, aber sie kommen auch vor“, sagte Tatjana Tscherkas.
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Tiere, die hier leben, werden oft gefunden. Manchmal kommen Tierbesitzer zu uns und geben ihre Haustiere ab. Derzeit leben hier 92 Hunde und 94 Katzen.
„Wir haben mehr Katzen und Hunde im Sommer und weniger im Winter. Aber wenn man es mit früheren Jahren vergleicht..... Wir haben zum Beispiel 94 Katzen - so viele Katzen hatten wir noch nie. Obwohl wir 110 Hunde und 130 Katzen gleichzeitig halten können. Jene Tiere, die hier sind, werden so lange gehalten, bis sie jemand mitnimmt“, erklärt Tamara Zarikowskaja.
Ehrenamtliche Helfer betreiben soziale Netzwerke und finden neue Besitzer für Katzen und Hunde. Aber natürlich wünschen sich alle, dass es weniger streunende Katzen und Hunde auf den Straßen gibt. Am neuen Tierschutzgesetz wirkten auch Tierpfleger solcher Auffanglager mit.
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„Wir haben an der Entwicklung mitgewirkt. Es gab mehrere Entwürfe, der letzte ist bereits angenommen worden. Vieles von dem, was wir wollten, wurde nicht berücksichtigt. Wir wollten die obligatorische Sterilisation und das obligatorische Chipieren. Ich möchte sagen, dass für uns - für das temporäre Haltezentrum - das Wichtigste ist, dass unsere Tiere neues Zuhause finden. Das ist die größte Hilfe für uns. Bitte kommt und nehmt uns unsere Tiere ab. Sie können sich unseren Telegram-Kanal "Fauna der Stadt" ansehen. Dort gibt es Fotos von allen Tieren, die wir dort halten“, betonte Tamara Zarikowskaja.
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Welche Gefahren bestehen für unverantwortliche Tierhalter?
Es gibt keine gesetzliche Kastrations- und Sterilisationspflicht, aber die Besitzer müssen unerwünschte Würfe verhindern. Wie wird dies geregelt? Das Gesetz ist vor kurzem in Kraft getreten. Und es werden derzeit Verordnungen ausgearbeitet. Darin werden die Einzelheiten festgelegt. Und hier ist die Frage, die von Brigitte Bardot im Jahr 2018 aufgeworfen wurde, gelöst. Zur Erinnerung: Die französische Schauspielerin veröffentlichte auf der Website ihrer Stiftung einen offenen Brief an Alexander Lukaschenko. Darin ging es unter anderem um die Einschläferung von Streunern. Jetzt ist es verboten, gesunde Haustiere einzuschläfern.
Der Punkt ist, dass ein Tier früher als Eigentum behandelt wurde. Wie eine Sache. Daher konnte der Besitzer über das Leben des Tieres verfügen.
„Nachdem das Gesetz in Kraft getreten ist, wird ein Tier als Lebewesen behandelt. Es war ein solches, aber auf gesetzgeberischer Ebene begann man, es als ein Lebewesen zu behandeln, das leiden und fühlen kann“, erklärte Julia Pyrskaja.
Eine weitere wichtige Neuerung ist die Definition des Begriffs „Verstümmelung“. Jetzt ist es ohne tierärztliche Indikation nicht mehr möglich, Tieren zum Beispiel Schwänze oder Zähne zu entfernen. Mit anderen Worten, die Operation „weiche Pfoten“, bei der einer Katze die Krallen entfernt werden, um zu verhindern, dass sie an den Möbeln kratzt und diese beschädigt, ist nun verboten.
„Eine Verstümmelung ist jede Störung der anatomischen Integrität eines Tieres. Es kann ein Schaden sein, der das Aussehen des Tieres stört, der die funktionellen Fähigkeiten des Organismus beeinträchtigt. Und mehr noch: wenn dieser Schaden eine psychische Störung beim Tier verursacht hat“, sagte Julia Pyrskaja.
Wird die Tierquälerei nachgewiesen, kann das Tier dem Besitzer weggenommen werden. Mehr noch: Das Recht des Besitzers, andere Haustiere zu halten, kann für einige Zeit eingeschränkt werden. Im Allgemeinen ist das Gesetz verabschiedet worden. Die Hauptsache ist, dass man sich an alle Regeln hält.
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