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05 Februar 2025, 16:19

Welchen maximalen Nutzen kann sich Belarus von SOZ und BRICS erhoffen? Was steht im Strategiepapier und was sagen Experten

Mitte letzten Jahres wurde Belarus Vollmitglied der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), ein paar Monate später formalisierte es den Status eines BRICS-Partners. Das war keine spontane Entscheidung, sondern ein wohlüberlegter und durchdachter Schritt des Präsidenten. Weitere Schritte der belarussischen Staatsführung zeugen davon, dass sich das Land nicht Hals über Kopf in den Strudel stürzt. Im Januar verabschiedete Alexander Lukaschenko zwei wichtige Dokumente: die Strategie der belarussischen Beteiligung an der SOZ und die Aktionsstrategie für die BRICS. Experten sind sich einig, dass diese Plattformen neue Möglichkeiten für die Entwicklung der internationalen Zusammenarbeit und Stärkung belarussischer Positionen auf der Weltbühne eröffnen. Nun, wollen wir der Sache auf den Grund gehen.

In der neuen Folge von „Postfactum: Beschlüsse des Ersten“ auf dem YouTube-Kanal der Telegraphenagentur BelTA erzählen wir darüber, was Alexander Lukaschenko von der SOZ und BRICS erwartet, welche Ziele sich Belarus setzt und wie es diesen Verbänden nützlich sein kann, ob sie endlich die Geschichte der Vorherrschaft des Westens beenden können und warum Belarus nicht bereit ist, auf der Reservebank zu bleiben.
In früheren Ausgaben haben wir Ihnen bereits erklärt, was die SOZ und BRICS von anderen internationalen Organisationen unterscheidet. Alexander Lukaschenko sagte im Vorjahr: Die SOZ und BRICS sind eine fortschrittliche Weltmehrheit. Sie sind eine Herausforderung für die Ideologie der globalen Vereinheitlichung. Und seiner Meinung nach gehört Belarus dazu - neben den Nationen, die unterschiedliche Kulturen repräsentieren, aber durch den Wunsch nach Frieden und Entwicklung vereint sind.

Seit wann arbeitet Belarus mit der SOZ zusammen?

Belarus nimmt seit 2010 an der SOZ teil. Zunächst hatte sie den Partner-Status. 2015 wurde unserem Land der Beobachter-Status zuerkannt. Diese Entscheidung kann als einzigartig betrachtet werden: Belarus gehört nicht zur asiatischen Region, und wir sind bisher der einzige europäische Staat, der aktiv mit der SOZ zusammenarbeitet.

„Als wir beschlossen haben, der SOZ beizutreten, war das kein Modetrend und kein Wunsch, dem neuen Trend hinterherzulaufen. Wir waren uns des kreativen Potenzials dieser Organisation klar bewusst und erhofften uns einen praktischen Nutzen von ihrer Arbeit. Ursprünglich wurde sie als Plattform für die Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit gegründet, aber heute zählen wir auf einige praktische Wachstumspunkte“, sagte Andrej Lutschenok, Sonderbotschaft des Außenministeriums für Zusammenarbeit mit SOZ und BRICS.

Als Alexander Lukaschenko im Dezember 2005 die Ergebnisse seines Staatsbesuchs in China zusammenfasste, sagte er, dass es für Belarus sehr wichtig sei, in der SOZ präsent zu sein.

"Das ist eine Organisation, die sich sehr dynamisch entwickelt. Das heißt, es entsteht ein mächtiges Machtzentrum, und es ist sehr wichtig für uns – auch nur als Beobachter - in dieser Organisation präsent zu sein. Denn es handelt sich um eine dynamisch wachsende Region, in der sich in Zukunft wichtige Ereignisse abspielen werden, auch in der Wirtschaft. Durch die Teilnahme an dieser regionalen Organisation können wir nicht nur in politischer und außenpolitischer, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht solide Gewinne erzielen“, erklärte das Staatsoberhaupt damals.

Um sich eine Vorstellung von den Aussichten der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit zu machen, muss man sich nur ansehen, wie viel Platz die SOZ-Mitglieder auf der Weltkarte einnehmen. Bei einer solchen Größe, so der Präsident, brauche man keinen Militärblock im Stil der NATO, um jegliche Aggression abzuschrecken.

Warum wollte Belarus an BRICS teilnehmen

Belarus hatte die BRICS schon seit langem im Blick gehabt, hatte es aber mit dem Beitritt nicht eilig. Auf dem Gipfeltreffen in Ufa im Jahr 2015 erklärte Alexander Lukaschenko, dass Belarus den offenen Charakter der BRICS begrüße und bereit sei, als befreundeter Staat an BRICS-Aktivitäten teilzunehmen. Die Republik hat lange und konsequent die Idee der "Integration der Integrationen" entwickelt und sich stets für gleichberechtigte Beziehungen zwischen West und Ost, Nord und Süd ohne Trennlinien eingesetzt.
Im Mai 2023 richtete der belarussische Präsident einen offiziellen Appell an die Staatsoberhäupter der BRICS-Mitgliedsstaaten, das Land in die Organisation aufzunehmen. Diese Entscheidung, erklärte das Außenministerium wenig später, sei ein absolut logischer Schritt im Rahmen der Umsetzung der belarussischen Ansätze zum Ausbau der Interaktion in multilateralen Formaten mit traditionellen Partnern und befreundeten Staaten.

„Diese ernstzunehmende Struktur vereint die mächtigsten Staaten des Planeten und umfasst mehr als 40 % der Erdbevölkerung. Und wir sind daran interessiert, uns an den Integrationsprozessen in diesem Raum zu beteiligen. BRICS ist eine weitere Säule, mit deren Hilfe wir in der Lage sein werden, das Gleichgewicht und die wirtschaftliche Stabilität aufrechtzuerhalten“, sagte Alexander Lukaschenko auf dem Treffen zu internationalen Fragen im vergangenen Juli.
Warum entwickelte Belarus eine Strategie für die SOZ-Teilnahme

Was haben die Strategien für die belarussische Teilnahme an SOZ und BRICS an sich? Beginnen wir mit der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. In dem Dokument heißt es, dass Belarus die SOZ als eine regionale Organisation betrachtet, die zum Aufbau einer multipolaren, fairen und stabilen Weltordnung beiträgt und über ein hohes Potenzial für den Aufbau einer für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit in den Bereichen Handel, Wirtschaft und Investitionen verfügt".

Unser Land beabsichtigt, die Wettbewerbsvorteile der Organisation und ihr Potenzial zur Lösung gemeinsamer politischer und sicherheitspolitischer Probleme zu nutzen und nach optimalen Mechanismen zur Ausweitung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und zur Vertiefung der kulturellen und humanitären Beziehungen zu suchen.

"Natürlich geht es nicht nur darum, an den Sitzungen der SOZ-Strukturen teilzunehmen. Es ist wichtig, nicht nur an den Sitzungen teilzunehmen, sondern unsere Position zu bestimmten Sicherheitsfragen zu artikulieren – zur Sicherheit in einem breiteren Kontext. Wir sprechen nicht nur über militärische und verteidigungspolitische Sicherheit. Wir sprechen auch über Sicherheit im wirtschaftlichen Bereich und über Sicherheit bei Wahlen. Es gibt also eine ganze Reihe von Themen, und die Frage ist, ob unsere Meinung bereits in den Schlüsseldokumenten verankert sein wird. Das ist wichtig für uns", sagte Analytikerin des Belarussischen Instituts für Strategische Studien Olga Lasorkina.

Zu den Hauptzielen der belarussischen Beteiligung an den SOZ-Aktivitäten gehören die Gewährleistung des Schutzes der staatlichen Interessen auf multilateraler Ebene, die Schaffung günstiger äußerer Bedingungen zur Gewährleistung der Souveränität, der territorialen Integrität und der nationalen Sicherheit, die Gewährleistung einer nachhaltigen Entwicklung in politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und anderen Bereichen sowie die Förderung eines umfassenden und ausgewogenen Wirtschaftswachstums. Dies scheint allgemein und vage zu sein. Aber das ist es nur auf den ersten Blick.

„Aufgrund der globalen wirtschaftlichen und finanziellen Dominanz einiger westlicher Länder  sind viele Staaten einem enorm starken Sanktionsdruck ausgesetzt. Der Handel stockt. Und natürlich sind wir daran interessiert, eine neue, alternative Infrastruktur für Finanz- und Investitionszahlungen zu entwickeln. Diese Idee wird im Rahmen der SCO und der BRICS diskutiert. Gleichzeitig arbeiten wir daran, den Anteil der Abrechnungen in nationalen Währungen zu erhöhen, um immer weniger von westlichen Währungen abhängig zu sein“, sagte der Botschafter des Außenministeriums.
Gleichzeitig wird daran gearbeitet, den Anteil der Abrechnungen in nationalen Währungen zu erhöhen. Auch Belarus ist an dieser Richtung interessiert. Das nächste Thema ist die Logistik.
"Als Land, das in Europa liegt, sind wir an der Schaffung und dem Ausbau bereits bestehender Verkehrskorridore interessiert, sei es auf dem Schienen-, Land- oder Seeweg, an der multimodalen Kommunikation, dem Ausbau des Nord-Süd-Korridors und anderen. In der Verkehrsverflechtung und der Ausweitung des SOZ-Logistikraums sehen wir Möglichkeiten für die Arbeit und praktische Vorteile. Das dritte Thema ist die Ernährungssicherheit. Hier verfügen wir über Erfahrungen, Kompetenzen und Errungenschaften und sind bereit, Technologien zu teilen“, sagte der Botschafter für Sonderaufgaben.

Welche Aufgaben sieht Belarus für sich als SOZ-Mitglied

Es geht in erster Linie um die Stärkung des internationalen Ansehens der Republik, die Förderung eines koordinierten Herangehens an die wichtigsten Fragen der Weltpolitik und die Schaffung eines unteilbaren Sicherheitsraums.

Natürlich ist Belarus daran interessiert, die praktische Handels- und Wirtschaftskooperation zu vertiefen, die kulturelle und humanitäre Zusammenarbeit auszubauen und die zwischenmenschlichen Beziehungen zu entwickeln. Das klingt ziemlich allgemein und vage, nicht wahr? Tatsächlich aber umfasst jede dieser Aufgaben viele Bereiche der Zusammenarbeit, und ihre Umsetzung wird die Initiierung und Durchführung von mehr als einer Veranstaltung erfordern.

„Wenn wir über Ziele und Aufgaben sprechen, so sprechen wir davon, die Subjektivität unseres Landes zu erhöhen, neue Märkte zu erschließen und makroökonomische Infrastrukturprobleme zu lösen. Belarus hat eine exportorientierte Wirtschaft. Wir sollen bis zu 60 Prozent der hergestellten Produkte exportieren. Ist das viel oder wenig? Zum Vergleich: Wir stehen auf Platz 14 der Weltrangliste, während Amerika und Russland auf den Plätzen 104 und 121 liegen. Daher unterstützen wir die Außenwirtschaft. Unsere Souveränität auf den internationalen Märkten bleibt ein Garant für die nationale Sicherheit des Landes und der Wirtschaft“, sagte Wirtschaftswissenschaftler Georgi Griz.

Ihm zufolge ist jeder Schritt, den Belarus unternimmt – sei es die Teilnahme am Unionsstaat und an der EAWU, die Durchführung von Projekten mit afrikanischen Ländern und China oder die Teilnahme an der SOZ und BRICS - eine natürliche Fortsetzung seiner außenpolitischen Strategie.

Warum ist BRICS-Format für viele Länder so attraktiv

Ein weiterer Bezugspunkt in der heutigen Weltpolitik sind die BRICS. Alexander Lukaschenko bemerkte einmal: China, Indien, Lateinamerika, Afrika, die arabischen Staaten - alle sind des amerikanischen Jochs überdrüssig. Die Mehrheit der Weltbevölkerung ist heute für eine neue, gerechte Welt. Ohne Diskriminierung und Sanktionen. Für eine Welt, in der alle Völker frei und gleichberechtigt sind und in der Fragen und Probleme im Dialog gelöst werden.

Unter den gegenwärtigen geopolitischen Bedingungen sieht die belarussische Führung die BRICS als eine maßgebliche internationale Plattform, die die Bemühungen der globalen Mehrheit zur Schaffung echter Multipolarität, Gleichheit und Inklusivität in den internationalen Beziehungen sowie die Suche nach wirksamen Wegen zur Lösung drängender Probleme bündelt.
"BRICS ist die Gemeinschaft der Zukunft. Von ihrem Potenzial her kann sie der Geschichte der Dominanz des kollektiven Westens ein Ende setzen, der sich als unfähig erwiesen hat, die Verantwortung für die zivilisierte Entwicklung der internationalen Beziehungen zu tragen. Die BRICS-Mitgliedstaaten haben die Macht, dafür zu sorgen, dass die wirklichen Hebel des Einflusses in die Hände der fortschrittlichen Weltmehrheit übergehen“, sagte Alexander Lukaschenko auf dem Gipfel in Kasan.

Bislang hat BRICS keine Charta, keinen Sitz, keinen ständigen Vorsitzenden und kein Sekretariat. Die Arbeit der Vereinigung wird vom ausrichtenden Land während seiner Präsidentschaft koordiniert. Die BRICS-Zusammenarbeit findet in drei Hauptbereichen statt: Politik und Sicherheit, Wirtschaft und Finanzen sowie Kultur und humanitäre Beziehungen.

Diese Bereiche sind zweifellos für Belarus von Interesse. Daher besteht das Hauptziel der Teilnahme an den BRICS-Aktivitäten darin, sich in die Arbeit der bestehenden multilateralen Mechanismen einzubringen, wobei die weitere institutionelle Entwicklung der Organisation berücksichtigt wird. Gleichzeitig wird Belarus versuchen, seine Vollmitgliedschaft in dieser Vereinigung zu formalisieren.

Belarussische Aktionsstrategie BRICS – was steht darin?

Die BRICS-Aktionsstrategie wurde angenommen, um die außenpolitischen Leitlinien des belarussischen Präsidenten umzusetzen. Alexander Lukaschenko ist der Ansicht, dass der Entwicklung der Beziehungen zu Asien, Afrika und Lateinamerika sowie der Stärkung der Interaktion mit dem wichtigsten Partner - Russland - besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte.

In der gemeinsamen Arbeit mit den BRICS-Mitgliedern und Partnern räumt Belarus der Zusammenarbeit in den Bereichen Politik und Sicherheit auf der Grundlage der Prinzipien des gegenseitigen Respekts, der unteilbaren Sicherheit und der Garantien für die Entwicklung des Landes ohne Konfrontation und Gegensätze Priorität ein. Für die Republik Belarus ist es wichtig, eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung zu gewährleisten, die darauf abzielt, das menschliche Potenzial zu erhalten und zu vermehren, hohe soziale Standards und eine angemessene Lebensqualität zu gewährleisten sowie Innovationen und die neuesten Technologien einzuführen.
Wir sprechen natürlich auch über die globale Ernährungssicherheit, die Bekämpfung von Hunger und Armut, die Folgen des Klimawandels und den Ausbau der multilateralen Zusammenarbeit im humanitären Bereich. Wie im Falle der SOZ wird in dem Dokument jeder dieser Bereiche hinreichend ausführlich beschrieben. Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass es sich in erster Linie um eine Strategie handelt, auf deren Grundlage noch an der Taktik gearbeitet werden muss.

Lässt sich die Beteiligung an der SOZ und den BRICS leicht monetarisieren?

Olga Lasorkina stellt fest, dass die SOZ und die BRICS heute nicht buchhalterisch sind. Das heißt, die Zusammenarbeit mit diesen Strukturen lässt sich nicht sofort monetarisieren, auch wenn man das gerne möchte.

„SOZ und BRICS stehen eher in einem politischen Kontext. Wir sind der SOZ und den BRICS zu einem entscheidenden Zeitpunkt beigetreten, als sich sowohl die Welt als auch diese beiden Organisationen im Wandel befanden. Und es ist wichtig für uns, in diesen Plattformen für die Zukunft Fuß zu fassen, nicht nur um neue Handels- und Wirtschaftspartner zu gewinnen. Das ist auch wichtig, aber es ist keine Superaufgabe. Das Wichtigste für uns ist, nicht als "später", sondern als "jetzt" an der Gestaltung einer neuen Welt beteiligt zu sein, sie also selbst zu gestalten. Dies ist eine wichtigere Aufgabe für den Durchschnittsstaat, aber sie wird nicht im Hier und Jetzt monetarisiert. Das ist eine Frage der Zukunft", sagte Olga Lasorkina.

Sie wies auch darauf hin, dass eine große Anzahl von Ländern eine Teilnahme an BRICS anstrebt, aber wissen sie alle von Belarus? „Wir sollten uns ehrlich fragen: Was wissen sie über Belarus, wie ist die Qualität dieses Wissens? Daran werden wir auch arbeiten. Das heißt, die Dividende wird später kommen, nicht jetzt“, fügte die Expertin hinzu.

Die von Alexander Lukaschenko genehmigten Strategien sind für fünf Jahre - bis 2030 - ausgelegt. In Zukunft können sie erweitert, aktualisiert und überarbeitet werden, um bestimmten aktuellen Trends Rechnung zu tragen. Für Belarus ist die Mitgliedschaft in der SOZ und die Teilnahme an den BRICS-Staaten kein Modetrend und schon gar nicht ein Weg, um für große Schlagzeilen zu sorgen. Die Interaktion mit diesen Ländern liegt im langfristigen Interesse unseres Staates. Die internationale Arena ist wie die Börse: Einige Menschen sind es gewohnt, mit Aktien zu spekulieren, um einen momentanen Gewinn zu erzielen, während andere geduldig in ihre Zukunft investieren und eine wohlverdiente Belohnung erhalten.
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