MINSK, 13. Februar (BelTA) – Das Oberste Gericht hat heute im Fall Katrjuk, der als Henker von Chatyn bekannt ist, das Verlesen des Vernehmungsprotokolls von Grigori Lakusta zugelassen. Lakusta war stellvertretender Zugkommandant des 118. Schutzmannschafts-Bataillons und wurde nach dem Krieg zum Tode verurteilt. Aus seinen Aussagen konnten die Ereignisse der Tragödie von Chatyn rekonstruiert werden.
Die Vernehmung von Lakusta fand am 5. April 1973 statt. Der ehemalige Henker erinnerte sich an die Ermordung von Hans Welke und die darauf folgenden Ereignisse.
Ihm zufolge seien die SS-Leute im Zuge einer Durchkämmungsaktion ins Dorf gekommen. Sie hätten einen Partisanen erblickt, der vor einer Scheune Wache stand. „Aus dem Dorf wurde das Feuer auf uns eröffnet. Wir erhielten den Befehl, in Stellung zu gehen und das Gegenfeuer zu eröffnen. Wir fingen an, ins Dorf vorzurücken. Gefeuert wurde aus allen Waffen. Das Dorf war umzingelt. Alle ersten Züge der ersten Kompanie erhielten von Meleschko den Befehl, die große Scheune vor uns einzukreisen. Wir bildeten eine Sichel. Ich stand mit meinem Trupp direkt vor dem Scheunentor. Uns wurde befohlen, niemanden aus der Scheune herauszulassen. Als unsere Kompanie diese Scheune umstellte, waren bereits einige Dorfbewohner in die Scheune getrieben worden. Auch nachdem wir die Scheune umstellt hatten, wurden die Menschen weiter in die Scheune getrieben. Keiner wurde zurückgelassen“, erinnerte sich Lakusta.
Als alle Dorfbewohner in der Scheune waren, hat man sie geschlossen und in Brand gesteckt. „Die Leute schrien furchtbar, sie weinten. Es war unerträglich, diese Todesschreie zu hören. Als das Dach der Scheune einstürzte und mehrere Menschen fliehen wollten, wurde das Feuer auf sie eröffnet. Alle haben geschossen. Hauptsächlich wurde aus dem Maschinengewehr geschossen. Als das Schießen aufhörte, hörte niemand mehr die Menschen schreien“ - so beschrieb der Henker die Ereignisse. Die erste Kompanie wurde nach Hause geschickt.
Lakusta zählte lange die Namen derer auf, die an der Strafaktion teilgenommen hatten. Die Namen von Meleschko, Passetschnik und Katrjuk waren dabei.
Dann wurde das Vernehmungsprotokoll von Lakusta verlesen, das auf den 11. April 1973 datiert war. Er erzählte, dass an der Ermordung von Zivilisten am Vorabend der Chatyn-Tragödie und am Niederbrennen des Dorfes Chatyn am darauffolgenden Tag der gesamte Zug des 118. Bataillons teilnahm.
Während der Vernehmung am 31. Mai 1973 wurde Lakusta gebeten, seine Aussagen über die Strafaktion des 118. Bataillons am Tag der Ermordung Welkes zu ergänzen. Darin kommen auch weitere Angaben über die Ermordung der Chatyn-Bewohner vor.
„Nach dem Zusammentreffen mit den aus Minsk eingetroffenen Nazis durchkämmten der dritte Zug, die erste und zweite Abteilung des ersten Zuges unter dem Gesamtkommando von Winnizki den Wald auf der linken Seite der Autobahn Pleschenizy-Minsk. Wie ich bereits bei der Vernehmung am 18. Mai dargelegt habe, hatten wir auch einen Zug mit Maschinengewehren dabei. Die SS-Leute, die aus Minsk kamen, gingen voraus, in der Mitte. Der dritte Zug – das war meine Gruppe und die von Katrjuk – ging an der linken Flanke. Wir liefen sechs Kilometer durch den Wald“, erinnert sich Lakusta.
„Dann kamen wir zu einer Lichtung“, fuhr er fort. „Wir sahen, dass in dem Dorf in der Nähe einer Scheune ein Wachposten mit einem Gewehr stand. Als der Wachposten uns sah, feuerte er nach oben. Die Maschinengewehrtrupps gingen in Stellung und eröffneten das Feuer auf das Dorf. Alle Strafmänner gingen in die Offensive. Wir gingen um das ganze Dorf herum und blieben 50 Meter vor dem linken Ende stehen, denn so lautete der Befehl - wir sollten einen Kordon bilden. Direkt vor uns, etwa 50 Meter entfernt, stand eine Scheune, deren Tore wir sehen konnten. Wir sperrten das Dorf etwa eine Stunde lang“, sagte Lakusta.
Dann, so Lakusta, seien die neuen Strafeinheiten und die Bataillonskommandeure ins Dorf eingedrungen. Neben Lakustas Trupp befand sich Katrjuks Trupp. Der dritte Zug befand sich nicht weit vom Dorf. „Als ich in der Absperrung stand, sah ich sehr gut, dass das aus Minsk eingetroffene Strafkommando die Dorfbewohner zur Scheune trieben und dann in der Scheune einsperrten. Wir standen direkt davor. Alle wurden in die Scheune getrieben: Männer, Frauen, Kinder. Alle Dorfbewohner waren nun in der Scheune“, erinnerte er sich.
Dann hat man die Tür geschlossen. Von der anderen Seite wurde die Scheune in Brand gesetzt. Es kam der Befehl: „Niemand darf die Scheune verlassen. Auf Fliehende sollte das Feuer eröffnet werden!“
Als die Scheune brannte, konnten wir Schreie der Dorfbewohner hören. Die Menschen versuchten, das Tor einzuschlagen und herauszukommen. Das Strohdach brannte schnell ab und stürzte ein. Durch das Loch im Dach versuchten die Verzweifelten zu entkommen. Auf sie wurde das Feuer mit allen möglichen Waffen eröffnet, hauptsächlich mit Maschinengewehren. Noch bevor das Feuer eröffnet wurde, hatten alle Polizisten in der Absperrung die Scheune im Visier und hielten ihre Waffen bereit. Geschossen wurde nicht nur mit Maschinengewehren, sondern auch mit Gewehren und Handmaschinengewehren. Geschossen haben meine Männer und die Männer von Katrjuk. Auch die Polizisten des dritten Zuges schossen auf die Menschen, welche versuchten, aus der Scheune zu fliehen“, erinnerte sich Lakusta.
Die Schießerei habe nicht lange gedauert, weil die Dichte des Feuers hoch war und die Menschen sofort getötet wurden. Das Dach des Schuppens stürzte ein und die Todesschreie verstummten. „In den Flammen und durch unsere Schüsse starben alle Dorfbewohner, darunter auch unschuldige Kinder, die den Partisanen sicher nicht geholfen haben. Die unbewaffneten Menschen wurden in die Scheune getrieben, sie leisteten uns keinen Widerstand. Ich glaube, dass dies eine Rache war für den Mord am Hauptmann Welke. So wurde die Wut an den unschuldigen Dorfbewohnern ausgelassen. Obwohl die Deutschen und die Bataillonskommandeure die Toten als Partisanen bezeichneten, war dennoch klar, dass es sich bei den Toten um Zivilisten und nicht um Partisanen handelte“, sagte Lakusta.
Er gab zu, dass es sich tatsächlich um eine Strafaktion gegen unbewaffnete sowjetische Zivilisten handelte. Diesem Vernehmungsprotokoll zufolge konnte er die Zahl der Menschen, die in den Flammen und durch Schüsse ums Leben kamen, nicht nennen, aber es waren viele. Ihm zufolge wurden alle Bewohner des Dorfes getötet.
„Als die Scheune abbrannte und die Menschen darin alle tot waren, wurden wir aus der Absperrung genommen und zu Fuß direkt durch den Wald nach Pleschenizy geschickt“, erinnerte er sich. Die aus Minsk gekommenen SS-Leute blieben noch kurze Zeit im Dorf.