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25 Juli 2024, 23:58

„Der SBU hat mich für Aufgaben in Minsk benutzt“: Deutscher Söldner über Terrorismus

MINSK, 25. Juli (BelTA) – Dass er in Belarus einen Terrorakt begangen hat, ist der größte und womöglich der letzte Fehler in seinem Leben. Das gab der deutsche Söldner Rico Krieger in einem Interview mit dem TV-Sender Belarus 1 zu. 

Krieger erzählte den Journalisten des Staatsfernsehens, wie er vor einem Jahr die Entscheidung traf, in die Ukraine zu gehen, um sich einer ausländischen Söldnerlegion anzuschließen. 

„Ich wurde als Rettungssanitäter ausgebildet und habe über ein Jahr lang in diesem Beruf gearbeitet, bei Hilfeeinsätzen nach Verkehrsunfällen und bei Herzinfarkten. In Deutschland ist das ein guter Beruf, ich habe die Ausbildung selbst finanziert. In Berlin dauert ein Rettungskurs 9 Monate. Ich habe dort theoretisches und praktisches Wissen erworben“, erzählte er die Vorgeschichte. „Außerdem habe ich im Sicherheitsdienst der US-Botschaft in Berlin gearbeitet. Dort habe ich gelernt, wie man mit Waffen umgeht. Sowohl mit Pistolen als auch mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr. Das Training mit Kurz- und Langwaffen fand alle drei Monate statt. Darüber hinaus bin ich mit dem Scharfschützengewehr vertraut.“

Rico Krieger erzählte, dass er sich über die Ereignisse in der Ukraine per TV informiert und gedacht habe, dass er sich dort nützlich machen könne. Als Sanitäter verdiente er in Deutschland 2.800 Euro. Das ist weniger als im  Regiment, dem er sich schließlich anschloss. „Aber sie boten mir 2.000 Euro pro Monat an. Im Falle meines Todes hätte die Familie eine ziemlich hohe Summe erhalten - etwa 420 Tausend Euro“, so der Söldner.

Im Interview sagte Krieger, dass es nach seinen Informationen derzeit etwa 132 ausländische Söldnertruppen in der Ukraine gebe. Er schickte Bewerbungen an alle, die er finden konnte, aber es stellte sich heraus, dass die Überprüfung der Dokumente ziemlich lange dauerte. Damit war er nicht zufrieden. Der erste Verband, der ihm auf sein Schreiben antwortete, konnte ihn nur nach einem Test, nach der Erfüllung bestimmter Aufgaben rekrutieren. 

„Ich kontaktierte ihre Betreuer aus dem SBU, dem Sicherheitsdienst der Ukraine. Sie überprüften meine Ausweise und riefen mich per Video auf meinem Handy an“, erzählte der Söldner. „Ich sprach mit einem Mann, er trug eine Maske. Im Hintergrund gab es zwei Fahnen, eine ukrainische und eine mir unbekannte, mit drei Streifen: zwei weiße und eine rote.“

Der Terrorist sagte, dass man ihm in einem der Gespräche angeboten habe, nach Minsk zu fliegen, um dort wichtige Aufgaben zu erfüllen. Bei Erfolg würde er nach Deutschland zurückkehren und von dort aus bereits in die Ukraine weiterreisen. 

„Mir wurde erklärt, dass man mit mir einen Vertrag schließen würde, auf der Ebene des ukrainischen Verteidigungsministeriums. Sie sagten, sie würden sich mit der deutschen Regierung in Verbindung setzen. Und dann kann ich mich einer ausländischen Militärformation anschließen. Heute denke ich, dass ich von dem SBU benutzt wurde, um die Aufgaben in Minsk zu erfüllen. Ich habe kein Geld von ihnen bekommen, ich habe alles auf eigene Kosten gemacht. Damals kam mir das nicht seltsam vor. In den deutschen Medien heißt es doch immer: Man soll der ukrainischen Führung vertrauen, und ich habe ihr tatsächlich vertraut“, sagt Rico Krieger.

Er kaufte ein Flugticket und schickte sein Foto. Nach Angaben des Söldners war der Weg nach Minsk kompliziert: durch Aserbaidschan, von Berlin nach Baku, dort 13 Stunden warten, dann Abflug nach Minsk.

Rico Krieger sagte, dass der SBU ihm vor seiner Ankunft in Minsk mitteilte, dass er in Ossipowitschi eine Aufgabe zu erfüllen hat. „Was genau, wusste ich zu diesem Zeitpunkt nicht. Mir wurde gesagt, sie würden mir klare Koordinaten und Anweisungen geben. Ich musste mich in einem Hotel einchecken und eine Militärjacke kaufen. Sie sagten mir, ich soll mich nicht von den Einheimischen unterscheiden. Sie sagten, dass sich viele Menschen dort solche Jacken tragen. In Ossipowitschi habe ich anhand der Koordinaten des ukrainischen Sicherheitsdienstes Fotos von militärischen Einrichtungen gemacht“, fuhr er fort.
          
Fotos, die er machte, schickte er per Messenger. „Als ich nach Minsk zurückkehrte, sagte man mir, ich hätte gute Arbeit geleistet. Die Ukraine sei stolz auf mich, ich hätte Tausende von Leben gerettet. Und am Abend wurde mir mitgeteilt, dass ich morgen im Bahnhof Oserische Fotos machen sollte. Ich tat dies und schickte die Fotos erneut. Man sagte mir, dass alles in Ordnung sei. Und es sah so aus, als ob es keine weiteren Aufgaben geben würde. Aber wieder bekam ich eine Nachricht: Ich sollte nach Koordinaten zu einem bestimmten Ort gehen und einen Rucksack finden. Es war der 5. Oktober, am Abend. Es war bereits dunkel. An der angegebenen Stelle war hohes Gras, irgendwo ein Meter hoch. Aber ich habe den Rucksack gefunden“, sagt Rico Krieger.

Es war der „richtige“ Rucksack, so wurde ihm bestätigt. Daraufhin erhielt er per Messenger das Foto, das er am Morgen im Bahnhof Oserische gemacht hatte. Die Aufgabe lautete: Er sollte den Rucksack dort abstellen, wo der Wagen stand. Doch in jenem Moment gab es dort keinen Wagen mehr.

„Dann schrieben sie: Lass den Rucksack auf der Eisenbahn, neben den Gleisen, direkt am Bahnsteig. Sie fragten mich mehrmals im Messenger, ob ich meinen Rucksack wirklich an der angegebenen Stelle gelassen hätte. Ich habe einfach ein Foto gemacht und es abgeschickt. Es war ein kleiner schwarzer Rucksack. Er wog zwei, vielleicht drei Kilo“, sagte er.

Der Söldner hat den Rucksack gegen 21 Uhr in der Nähe des Bahnhofs abgestellt. Später erfuhr er, dass es an diesem Ort eine Explosion gegeben hatte.

„Es ist ein großes Glück, dass niemand zu Schaden gekommen war und dass es keine Menschenopfer gab“, sagte Rico Krieger und fügte hinzu, dass es ihm schwer fällt, darüber zu erzählen. „Es war der größte Fehler meines Lebens. Und wahrscheinlich auch der letzte“, fügte er hinzu.

Die Situation rund um Belarus ist in den letzten Jahren sehr kompliziert. Das Land sieht sich dem Terror ausgesetzt, sowohl im Informationsraum als auch im realen Leben. Es wird immer wieder versucht, die Gleise zu sprengen oder Industrieanlagen mit Drohnen anzugreifen. Der Staat trifft Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit und der Staatsbürger. Die steigende Zahl terroristischer Delikte war der Grund für die Änderung des Strafrechts im Jahr 2022. Die Todesstrafe kann nun gegen Personen angewendet werden, die einen terroristischen Akt begehen, unabhängig von den Folgen. Rico Krieger ist kein zufälliges Opfer. Er ist ein zutiefst motivierter Verbrecher. Er hat den Terroranschlag absichtlich begangen.
Рико Криегер. Скриншот видео
„Sie tun überhaupt nichts“: Fehlende Reaktion der deutschen Führung auf das Todesurteil 

„Ich hatte ein Treffen mit den deutschen Diplomaten. Sie sagten, dass die Bundesregierung in meinem Fall nichts tun kann. Ich bat darum, dass sie mir wenigstens Kleidung geben. Denn ich hatte nichts. Geschweige denn Duschgel oder ein Handtuch. Und sie sagten mir: „Nur wenn dein Vater oder deine Verwandten das bezahlen. Aber sonst nicht“, sagte Rico Krieger.

Ihm zufolge fand seit dem 16. Juni ein offener Prozess statt und bei jeder Anhörung waren ein oder zwei Leute von der deutschen Botschaft anwesend. Bevor ein bezahlter Anwalt bestellt wurde, hatte Krieger die Strategie, sich voll schuldig zu bekennen. Mit dem neuen Anwalt änderte sich die Strategie und Krieger bekannte sich teilweise schuldig.

„Jetzt fühle ich mich wie eine Giraffe, die von heute auf morgen erschossen werden soll“, gab er zu.

Der deutsche Terrorist gestand, dass er jeden Tag das Gefühl hat, völlig im Stich gelassen und betrogen worden zu sein. „Die Regierung sollte für mich kämpfen, aber das tut nur meine Familie. Die einzigen, die noch irgendwie für mich kämpfen, sind mein Vater, meine Mutter und meine Großmutter. Sie versuchen, die deutsche Regierung zu überreden, dass sie wenigstens etwas tut“, sagte er.

Rico Krieger ist selbst zu dem Schluss gekommen, dass Deutschland keinen Kontakt zu Belarus aufnehmen will. „Auch wenn es für mich Chancen gibt, tut Deutschland nichts“, sagte er.

Die Zeit sei gegen ihn, sagt Rico. Jeden Moment könne das Urteil vollstreckt werden. Krieger sagte, er bedauere sehr, was er getan habe, jede Minute und jede Sekunde. 

Der Terrorist sagte, er sei ein wenig erleichtert, dass es keine Verletzten gegeben habe. Allerdings habe er darüber nachgedacht, dass es Opfer geben könnte. Er räumte ein, dass ihm solche Gedanken durch den Kopf gingen, aber er verscheuchte sie. 

Rico Krieger sagte, er hoffe, dass Präsident Alexander Lukaschenko ihm verzeihen und ihn begnadigen würde. „Es ist sehr beängstigend, dass im Falle einer Hinrichtung meine Leiche nicht nach Deutschland übergeben wird und meine Angehörigen sich nicht einmal von mir Abschied nehmen können. Ich träume davon, wenigstens meine Freundin, meine Heimat, meine Eltern noch einmal zu sehen. Aber die deutsche Regierung tut gar nichts“, sagte er.

Der Terrorist fügte hinzu, dass er unter panischer Angst leide. „Ich bin natürlich kein Held. Ich habe nur große Angst“, sagte er.

Rico Krieger wurde des Terrorismus, der Agententätigkeit, des Söldnerwesens, der Bildung einer extremistischen Vereinigung oder der Beteiligung daran, der illegalen Lagerung und des Tragens von Sprengstoffen und Sprengkörpern durch eine organisierte Gruppe, der vorsätzlichen Beschädigung von Verkehrswegen, die zum Tod, Entgleisung, einem Unfall und anderen schweren Folgen führen konnte, schuldig gesprochen. Nach der Gesamtheit der Straftaten wurde er zur Todesstrafe verurteilt. Das Urteil ist in Kraft getreten.              
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