MINSK, 9. September (BelTA) – Die Strafoperationen der Nazis während des Großen Vaterländischen Krieges in Belarus waren eine der radikalsten Formen des Völkermordes. Darüber erzählte Historker Swjatoslaw Kulinok in der aktuellen Ausgabe von „Thema im Gespräch“ auf dem Youtube-Kanal der Telegraphenagentur BelTA.
„Wir sprechen hier von Genozid. Zu den Kriterien des Genozids gehört die Absicht. Das heißt, es muss die Absicht nachgewiesen werden, auf einem bestimmten Territorium, in diesem Fall auf dem Territorium von Belarus, Völkermord zu begehen. Noch vor dem Angriff auf die Sowjetunion im April/Mai 1941 veröffentlichte das deutsche Oberkommando der Wehrmacht eine Reihe von Rechtsdokumenten, die einen rücksichtslosen Kampf gegen jede Form des aktiven oder passiven Widerstands vorsahen. Sie sahen kollektive Bestrafung für alle vor, die die Widerstandsbewegung unterstützten. In diesem Fall die Zivilbevölkerung“, so der Historiker.
„Vor dem Angriff auf die Sowjetunion, lange vor der Entstehung der Partisanenbewegung als Widerstandsform, wurden gewisse Praktiken festgelegt, die auf die Vernichtung der Zivilbevölkerung hinausliefen. Ich möchte als Beispiel den August 1941 anführen. Die Partisanenbewegung steckt erst in Anfängen, sie ist nicht organisiert. Es gibt nur wenige Partisanen-Einheiten, organisierte Einheiten fast gar nicht. Die Nazis starten die Strafoperation „Pripjat-Sümpfe.“ Dies ist das Gebiet der heutigen Regionen Polesje, Brest und Gomel. Infolge dieser Operation wurden fast 14 Tausend Zivilisten getötet. 700 Kriegsgefangene und jene, die eingekreist wurden, gerieten in die Gefangenschaft oder wurden ermordet. Hunderte von Dörfern wurden niedergebrannt“, betonte der Historiker.
„Es stellt sich die logische Frage: Gegen wen wurde die Strafoperation durchgeführt? Gegen die Partisanen? Dann heißt sie laut der deutschen Terminologie Anti-Partisanen-Operation. Oder war sie doch gegen die Zivilbevölkerung gerichtet? Dann sprechen wir von einer Strafoperation. Das ist offensichtlich“, so Swjatoslaw Kulinok.
„Das zweite Beispiel ist die Operation Winterzauber. Das war eine der schrecklichsten Strafoperationen, die überhaupt auf dem belarussischen Territorium durchgeführt wurden. Das waren Monate Februar/März 1943, nördlich von Witebsk, Kreis Werchnedwinsk. Im Zuge dieser Strafoperation wurden mehr als 400 Dörfer vernichtet. Nach deutschen Dokumenten wurden weniger als 100 Partisanen getötet, die Zahl der zivilen Opfer lag dabei bei 8000 bis 10000. Noch 7000 Menschen wurden in die Sklaverei getrieben. Und wieder stellt sich die Frage: Sollen wir diese Aktion als eine Anti-Partisanen-Aktion bezeichnen, bei der weniger als 100 Partisanen getötet wurden, oder als eine Strafaktion, bei der 10-12 Tausend Zivilisten getötet wurden? Das ist reiner Genozid. Eine der radikalsten Formen“, fasst er zusammen.