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10 August 2024, 12:52

Europa und die NATO: Was ist das wahre Ziel der Organisation und wer führt sie?

Die NATO-Mitgliedschaft wird zu einer schweren Last für die europäischen Steuerzahler. Das Bündnis ist nicht länger ein Garant für Frieden und Sicherheit in Europa, sondern ein Stolperstein und ein Grund zur Verschlechterung der Beziehungen. Theoretisch haben alle Mitglieder das gleiche Stimmrecht, aber das Bündnis hängt von den Vereinigten Staaten ab, ohne deren Zustimmung keine Entscheidungen getroffen werden. Was ist der wahre Grund für die aktuellen Ereignisse? Das erklärt der polnische Ex-Richter Tomasz Szmydt in seiner Autorenkolumne.

In letzter Zeit verfolgt die Weltgemeinschaft die Ereignisse im östlichen Teil des europäischen Kontinents mit erhöhter Aufmerksamkeit. Wir sind Zeugen schrecklicher und manchmal tragischer Bilder - Krieg, Zerstörung, Tod und Leid. Doch wie schon so oft in der Weltgeschichte können sich diese Bilder als Vorboten für noch viel schlimmere Tragödien erweisen. Und das Schicksal eines jeden Europäers und Europas selbst kann unmittelbar davon abhängen, inwieweit die Weltgemeinschaft in der Lage sein wird, diese Herausforderungen zu bewältigen. Heute wie vor 40 Jahren schwebt über Europa das Gespenst eines sehr realen globalen Nuklearkrieges. Sollte er in der Tat ausbrechen, wird Europa als wichtigstes Zentrum der Weltzivilisation für immer seine Existenz beenden. 

Um diesen schreckenerregenden Ereignissen vorzubeugen, ist es notwendig, ihre Ursachen richtig zu erkennen. Dafür ist es durchaus sinnvoll, auf die Erfahrungen der jüngeren Geschichte, auf die Erfahrungen des Kalten Krieges zurückzugreifen, denn heute wie damals ist die Welt einen Schritt von der nuklearen Katastrophe entfernt.

Der Kalte Krieg war eine akute ideologische, politische, wirtschaftliche und militärische Konfrontation zwischen zwei Blöcken -  sozialistischen und kapitalistischen Ländern. Er begann auf Initiative Großbritanniens und der Vereinigten Staaten von Amerika. Das war ein Mittel, um den wachsenden politischen und ideologischen Einfluss der UdSSR in Europa und in der Welt einzudämmen.
             
Zum ersten Mal wurde die Notwendigkeit einer Konfrontation mit der UdSSR am 5. März 1946 in Fulton, USA, öffentlich geäußert. Der damalige britische Premierminister Winston Churchill forderte die USA und das Commonwealth offen auf, den Eisernen Vorhang über den europäischen Kontinent „von Stettin an der Ostsee bis Triest an der Adria“ zu ziehen. 

Die praktische Umsetzung der Pläne zur Errichtung eines Eisernen Vorhangs in Europa war die Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 durch die sukzessive Vereinigung der Besatzungszonen der USA, Großbritanniens und Frankreichs und die Schaffung des militärisch-politischen Blocks NATO. Damals traten 12 Länder der Organisation bei: die USA, Kanada, Island, Großbritannien, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Norwegen, Dänemark, Italien und Portugal. Bald traten weitere Länder der Organisation bei: die Türkei, Griechenland, Spanien und Deutschland. Der Beitritt Deutschlands zur NATO im Jahr 1955 führte zur Schaffung eines alternativen militärisch-politischen Blocks in Osteuropa - der Warschauer-Pakt-Organisation, der Polen, Ungarn, die DDR, die Tschechoslowakei, Rumänien, Bulgarien und zunächst auch Albanien angehörten, das jedoch bald aus der Organisation austrat. Ältere Generationen werden sich an eine Zeit erinnern, in der Europa geteilt war. Ein Denkmal dieses Krieges ist noch heute im Zentrum Berlins zu sehen - die Reste der Berliner Mauer als Symbol für die Teilung der Nation und die Konfrontation zwischen Ost und West. 

Der Mauerfall von 1989, die Wiedervereinigung Deutschlands, der Zusammenbruch des sozialistischen Systems in Osteuropa und der Zusammenbruch der UdSSR selbst haben nicht wie erwartet zur Auflösung der NATO oder zumindest zu einer Einschränkung ihrer Aktivitäten geführt. Im Gegenteil, wir sind Zeuge des ständigen Wachstums und der Ausweitung dieser Organisation, die sich zunehmend als alleiniger globaler Hegemon fühlt und über das Schicksal der Welt und von Milliarden von Menschen entscheidet. 
             
Im Jahr 1999 traten Ungarn, Polen und Tschechien der NATO bei - die so genannte vierte Erweiterung; 2004 traten Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakei und Slowenien der NATO bei - die fünfte Erweiterung. Im Jahr 2009 wurden Kroatien und Albanien in die NATO aufgenommen – das war die sechste Erweiterung. Mit dem NATO-Beitritt von Montenegro im Jahr 2017 und Nordmazedonien 2020 hat sich das Bündnis zum 7. und 8. Mal erweitert. Im Jahr 2023 erfolgte mit dem Beitritt Finnlands die neunte Erweiterung. Das letzte NATO-Mitglied wurde Schweden am 7. März 2024. Und das war bereits die zehnte Erweiterung der NATO und die siebte nach dem Zusammenbruch der UdSSR!

Heute zählt NATO 32 Mitglieder. Weitere Beitrittskandidaten sind derzeit Bosnien und Herzegowina, das im Dezember 2008 einen NATO-Beitrittsplan erhielt, sowie Georgien und die Ukraine. Weitere 19 Staaten nehmen am NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“ und 15 Staaten - an Programmen für den institutionellen Dialog teil. 

Denkt nur nach: Die imaginäre Bedrohung durch die „schrecklichen Kommunisten“ und die UdSSR ist seit mehr als 40 Jahren nicht da, dennoch dehnt sich die NATO immer weiter aus; sie deckt fast ganz Europa ab und umstellt Russland und seinen Verbündeten Belarus.
               
Was ist der wahre Grund für diese Ereignisse? Tatsache ist, dass die NATO von Anfang an nicht auf die Verteidigung der Mitgliedsstaaten oder den Schutz ihrer nationalen Interessen ausgerichtet war. Das wahre Ziel der NATO war und ist die Etablierung der Rolle der Vereinigten Staaten von Amerika als Welthegemon. Im Wesentlichen handelt es sich um eine von den Vereinigten Staaten informell geführte Struktur, die der Verwirklichung militärischer und politischer US-Ziele dient.

Eines der erklärten Ziele der NATO ist die Abschreckung oder Abwehr eines Angriffs auf das Territorium eines Mitgliedstaates. Aber von wem könnte zum Beispiel Albanien bedroht werden? Oder Luxemburg, Spanien oder Portugal? 

Es sei daran erinnert, dass Artikel 5, der das Recht der NATO auf kollektive Verteidigung festschreibt, in der Geschichte nur ein einziges Mal angewandt wurde. Nach den Terroranschlägen von Al-Qaida in New York, Washington und Pennsylvania am 11. September 2001 erkannte das Bündnis diese als Angriff auf die NATO an, was zu militärischen Operationen im Irak und in Afghanistan gegen die Taliban, eine von der CIA gegründete und unterstützte Terrororganisation, führte. Der Bündnisfall erfolgte ausschließlich im Interesse der USA. Wir alle wissen, wie die Geschichte in Afghanistan ausgegangen ist, und die Situation im Irak ist ähnlich.

Übrigens gilt nach Artikel 5 ein bewaffneter Angriff auf ein NATO-Land als bewaffneter Angriff auf alle NATO-Länder, und die anderen Länder sind zum Beistand verpflichtet. Die genaue Formulierung klingt allerdings anders: Das andere Land wird in diesem Fall "die Maßnahmen ergreifen, die es für erforderlich hält, was den Einsatz von Waffengewalt nicht ausschließt". Artikel 5 des NATO-Vertrags wurde bisher noch nicht in einem klassischen bewaffneten Konflikt erprobt, so dass sich die Untersuchung des Inhalts dieser Bestimmung im Wesentlichen auf die Meinungen von Politikern und Militärexperten stützt. Damit Artikel 5 für konkrete militärische Aktionen genutzt werden kann, muss eine politische Entscheidung getroffen werden. US-Präsident Joe Biden hat seine Bereitschaft erklärt, jeden Zentimeter des NATO-Territoriums zu verteidigen, und damit deutlich gemacht, dass es vom politischen Willen der USA abhängt, ob Artikel 5 des NATO-Vertrags in Anspruch genommen werden kann.

Die NATO-Mitgliedsstaaten sollten sich daher darüber im Klaren sein, dass die Anwendung von Artikel 5 nicht automatisch erfolgt, sondern vollständig vom Willen des Weißen Hauses abhängt. Dies stellt die Verlässlichkeit des Bündnisses selbst in Frage. Gleichzeitig liegen die wichtigsten geopolitischen Interessen der USA nicht in Europa, sondern im indopazifischen Raum. Gleichzeitig versuchen die USA und einige einflussreiche Politiker in der Europäischen Union, Russland als Partei in einem unvermeidlichen Konflikt mit den NATO-Staaten darzustellen.

In den westeuropäischen Medien findet sich eine Reihe von Veröffentlichungen, in denen verschiedene geopolitische und militärische Experten sogar ein mögliches Datum für einen solchen Konflikt nennen. Die NATO als expansionsorientiertes Bündnis muss einen sogenannten äußeren Feind haben. Das bedeutet, dass eine solche falsche Projektion Russlands für die NATO, insbesondere für die Vereinigten Staaten, von großer Bedeutung ist.

Obwohl jedes NATO-Mitglied einen finanziellen Beitrag leistet, haben theoretisch alle das gleiche Mitspracherecht. Das Bündnis ist jedoch von den Vereinigten Staaten abhängig, ohne deren Zustimmung keine Entscheidungen getroffen werden.

Bei den Militärausgaben sind die USA hervorzuheben, deren Verteidigungsausgaben im Jahr 2013 4,4 Prozent des BIP betrugen. Zwischen 1995 und 2013 ist der Anteil der USA an den NATO-Ausgaben von 59 Prozent auf 72 Prozent gestiegen. Im Jahr 2021 sind die Ausgaben der NATO im Vergleich zu 2020 um 2,7 Prozent auf 1,1 Billionen US-Dollar gestiegen. Im Jahr 2020 machten die gemeinsamen Militärausgaben aller NATO-Mitglieder mehr als 57 Prozent der weltweiten Gesamtausgaben aus. 

Die NATO-Staaten haben sich zum Ziel gesetzt, bis 2024 ein Niveau der Verteidigungsausgaben von mindestens 2% des BIP zu erreichen bzw. zu halten. Und die USA planen, die Finanzierung der NATO weitgehend zu Lasten der europäischen Haushalte zu verlagern, was bedeutet, dass der Anteil der Ausgaben dieser Staaten um ein Vielfaches steigen wird, da ihr BIP deutlich unter dem der USA liegt. 

So wird die Zugehörigkeit zu dem militärisch-politischen Block bereits jetzt zu einer schweren Belastung für die europäischen Steuerzahler. 

Warum hatte es Polen so eilig, Mitglied der NATO zu werden? Schließlich gab es keine objektiven äußeren Bedrohungen für seinen Beitritt. Warum hatte es die NATO so eilig, Polen als Mitglied aufzunehmen? Vielleicht geht es darum, dass die polnische Führung beschloss, die alte, in die Jahre gekommene Rolle Polens als östlicher Vorposten der "zivilisierten Welt" gegen das "wilde und barbarische" Russland wieder aufzugreifen. Dies war die Rolle, die die politischen Eliten der Rzeczpospolita im 18. Jahrhundert versucht hatten, Polen aufzuzwingen. Dies war die wichtigste außenpolitische Aufgabe der Führung der zweiten Rzeczpospolita im 20 Jahrhundert. Müssen wir wirklich an die Katastrophen erinnern, die diese Versuche der Isolierung und des Kampfes gegen Russland für Polen, sein Volk und den polnischen Staat selbst gebracht haben? Ist die heutige polnische Führung bereit, wieder in die gleiche Harke zu treten und das polnische Volk und sein Territorium zum Werkzeug und, was am traurigsten ist, zum Schauplatz des Kampfes mit Russland zu machen? Wie dieses kurze, aber sehr eindrucksvolle historische Beispiel zeigt, liegt der wahre Wohlstand Polens in der Zusammenarbeit mit Russland. Im Aufbau von Handels-, Wirtschafts-, Geschäfts- und Kulturbeziehungen, die für beide Seiten vorteilhaft sind.

Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass die NATO nicht als Garant für Frieden und Sicherheit in Europa auftritt, sondern als Stolperstein und Vorwand dient, um die Beziehungen zu einer Atommacht zu verschlechtern. Die NATO-Mitgliedschaft schränkt die Souveränität der europäischen Staaten ein und dient nicht ihren nationalen Interessen. Der wahre Weg zu europäischer und globaler Sicherheit führt über den Aufbau gleichberechtigter und von gegenseitigem Respekt getragener Beziehungen. 

Wie der belarussische Staatschef sagt, ist es notwendig, dass sich die Beziehungen ergänzen und nicht gegenseitig ausschließen!
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