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Gesellschaft
17 Oktober 2025, 15:45

„Hier fühlen wir uns wohl“: Warum ist eine kinderreiche Familie aus Deutschland nach Belarus umgezogen?

Freudige Stimmung herrscht im frisch renovierten zweistöckigen Haus, das in der Sobornaja-Straße in der Siedlung Schirowitschi liegt. Hier wohnt seit einigen Wochen eine deutsche Großfamilie. Pawel und Olga Schneider haben 7 Kinder. Das älteste ist gerade 16 Jahre alt geworden, das jüngste ist erst 3 Jahre jung. Die Familie ist glücklich, denn sie hat hier das, was sie in Deutschland nicht hatte: Ein Zuhause. Die Entscheidung, wo man leben möchte, fiel auf Belarus. Hier hat die Familie ein eigenes Haus nicht weit von der orthodoxen Kirche.

Ihre Entscheidung, nach 25 Jahren Deutschland zu verlassen und nach Belarus umzuziehen, hat das Ehepaar Schneider aus Liebe zu Kindern getroffen. Sie wollten, dass sie in einer freundlichen, sicheren Umgebung aufwachsen, wo traditionelle Werte großgeschrieben sind. Nach ihrem Umzug sind 5 Monate vergangen, aber die Schneiders sind sicher: Alles ist so geschehen, wie sie es wollten. 

Die Elternwoche feiert die große Familie zum ersten Mal in Belarus. Zu Gast sind heute Journalisten der lokalen Zeitung.Sie werden willkommen geheißen. Pawel, Olga, Kinder - alle sind offen für das Gespräch. Sie sind beeindruckt davon, wie sich das Leben in Belarus von dem unterscheidet, das sie in Deutschland führten. Sie teilen gerne ihre Erinnerungen mit den Journalisten. 

Zermürbende Arbeit und knapper Gehalt

„In unsere historische Heimat sind wir beide mit unseren Familien nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion gegangen“, erzählt Pawel. „Olja war Ende der 1990-er erst 12 Jahre alt, ich war Anfang der 2000 Jahre umgezogen. Unsere Väter waren Wolga-Deutsche, Mütter sind Russinnen.“ 
Das Leben in Europa war anspruchsvoll und mitunter schwierig. Nach dem Umzug war Pawel 21 Jahre alt. Er arbeitete mehrere Jahre als Kurier, hauptsächlich nachts. Dann aber machte er seinen Führerschein und arbeitete als Lastwagen-Fahrer. 

„Ich habe an verschiedenen Orten gearbeitet, aber immer 14-15 Stunden am Tag. Für einen Stundenlohn, der für die Versorgung der Familie reichen sollte, musste ich um 5 Uhr morgens aufstehen und um 21 Uhr nach Hause kommen. Als ich in einer Stahlbetonfabrik als Fahrer arbeitete, erhielt ich die Chance, den Beruf eines Betonarbeiters zu erwerben. Die letzten Jahre arbeitete ich als Maschinenführer in einem Produktionsbetrieb. Das war eine zermürbende Arbeit. Der Lohn reichte nur knapp. Eigentlich leben alle einfachen Arbeiter so“, erzählt Pawel weiter und fügt hinzu, dass er und seine Frau in all den Jahren des Zusammenlebens nur einmal in den Urlaub fahren konnten. Für eine Woche ins billigste Hotel, in jungen Jahren, als sie noch keine Kinder hatten. 

„Menschen, die als Saisonarbeiter nach Deutschland kommen, sagen oft: „Worüber beschwert ihr euch? Die Gehälter sind doch gut.“ Aber sie vergessen, dass sie keine Steuern zahlen. Wir aber zahlen die Steuern“, mischt sich Olga in das Gespräch ein. „Mein Mann verdiente als Meister in der Fabrik nicht schlecht, aber dieses Geld reichte kaum aus, wir blieben fast bei Null. Das Gas ist um das zweifache teurer geworden. Die Lebensmittelpreise stiegen rasant an. Ein Teil des Gehalts des Ehepartners wurde für die zukünftige Rente einbehalten.“
 
„Viele Kinder? Es ist euer Problem!“ 

Als kinderreiche Familie hatten die Schneiders in Deutschland keine sozialen Vergünstigungen, sagt die Mutter der Großfamilie. Man sagte uns: „Ihr habt viele Kinder. Das ist euer Problem.“
In der Kita wurden die Kinder nur vormittags betreut. Für jedes Kind mussten wir 100 Euro im Monat bezahlen. Eines der Kinder ist behindert, er braucht Operationen, um gesund zu werden. Die deutschen Ärzte versprachen uns zuerst Hilfe, sagten aber später, wir müssen bis zum 14. Lebensjahr warten. Ohne OP wird der Junge weder selbständig atmen noch sprechen können. Abwarten kostet noch mehr Probleme in der Entwicklung. Die Mutter muss die ganze Zeit in der Nähe ihres Sohnes sein. 
„In Belarus ist die Einstellung zu Großfamilien ganz anders. Selbst wenn du drei Kinder hast, bekommst du Präferenzen. In Deutschland gibt es das nicht. Präferenzen haben jene, die ein Kind aus einer dysfunktionalen Familie aufnehmen“, fügt Olga hinzu. 

Thuje-Mädchen und gleichgeschlechtliche Lehrer-Familien
 
Mit der Gesundheitsversorgung gibt es jedes Jahr immer mehr Probleme. Um einen Facharzttermin zu bekommen, muss man manchmal mehrere Monate warten. Bei Kindern ist das besonders akut zu spüren. 

„Was uns noch viel zu schaffen machte, war die LGBTQ-Agenda. Das hatten unsere älteren Kinder in der Schule zu spüren bekommen. Und man darf nichts einwenden, weil die Konsequenzen nicht gut sein können. Das Jugendamt kann sogar ein Kind wegnehmen. Die Tochter unserer Bekannten wollte Lehrerin werden. An der Uni sagte man ihr, sie werde in der Schule unbedingt die LGBTQ-Agenda vertreten. Dabei stammt das Mädchen aus einer gläubigen Familie und konnte sich damit nicht abfinden.“
 
Olga erzählt „Geschichten“ aus dem Schulalltag. „Eine Lehrerin in der Schule hat geheiratet, und „der Ehemann" war eine Frau. Die Eltern wollten ihr ein Geschenk zur Hochzeit machen und sammelten Geld. Ein anderer Lehrer erzählte in der Klasse mit Begeisterung über seine Abenteuer mit seinem männlichen Partner in Los Angeles. Eine Schülerin identifizierte sich als ein Tuja-Baum und forderte die Lehrer und Mitschüler, sie so anzureden. Als mein Sohn sich darüber beschwerte, erhielt ich aus der Schule einen Anruf. Mir wurde gesagt, ich soll meinem Sohn “etwas mehr Toleranz“ beibringen. Sonst bekomme ich Probleme.“

Haus mit Blick auf orthodoxe Kirche 
 
Eines Tages lernten Pawel und Olga eine Familie kennen, die nach Belarus umgezogen war. Sie ließen sich in der städtischen Siedlung Schirowitschi nieder. Als Schneiders sie hier besuchten, waren sie sehr beeindruckt – sowohl von der Siedlung als auch vom Land. Auch ihre Freunde erzählten ihnen viel über das Leben in Belarus. So reifte langsam die Idee für einen möglichen Umzug.
Die Idee wurde zur Wirklichkeit, als die Familie Schneider vor zwei Jahren ein zum Verkauf stehendes Haus in Schirowitschi besuchte. Dieses Haus gefiel den Schneiders, endlich kauften sie es. 

„Das Haus ist geräumig, zweistöckig. Ja, es musste repariert werden. Aber als ich aus dem Fenster schaute und das orthodoxe Kloster in seiner ganzen Pracht sah, war wahrscheinlich in diesem Moment alles entschieden“, erinnert sich Pawel. „Ich habe verstanden: Dieses Haus gehört uns.“ 
Zwei Jahre zahlten sie noch einen Kredit für ihre Wohnung in der Nähe von Bremen. Gleichzeitig mussten sie viel sparen, um den Umzug zu finanzieren. Den Urlaub verbrachten sie in Schirowitschi und brachten das gekaufte Haus in Ordnung. Im April 2025 konnte das Haus in Deutschland verkauft werden und die Familie landete schließlich in Belarus. 

„Hier hat sich alles auf einmal perfekt entwickelt“, sagt Pawel. „Das Problem mit der Aufenthaltsgenehmigung wurde schnell gelöst. Ich durfte hier arbeiten. Meine Frau bekommt Betreuungszulage für das behinderte Kind. Das Kreiskrankenhaus hat ein Konsilium versammelt, um alle medizinischen Probleme schnell zu lösen, und bald erhielten wir alle notwendigen Dokumente. Grischa erhält Heimunterricht. Wir konnten nicht einmal denken, dass der Staat so viel Aufmerksamkeit uns entgegenbringen würde. Hier werden alle Probleme schnell gelöst, die lokalen Behörden sind immer bereit zuzuhören und zu helfen. Es ist etwas Besonderes für uns geworden.“
Neulich haben die Schneiders in Schirowitschi einen eigenen Laden eröffnet. Das ist eine gute Gelegenheit, die Stadtbewohner kennenzulernen. 

Bessere Schule und stärkere Freundschaft 

Man sagt, dass Kinder ihre wahren Gefühle nicht verbergen können. "Sind Sie mit dem Umzug zufrieden?", fragen wir die drei Jungen. „Ja!“, antworten Lukjan, Tichon und Kyrill im Chor. Und plötzlich beginnen sie ihre Freunde zu nennen. Und es sind viele. „Wissen Sie, wir hatten nur wenige Freunde in Deutschland. Neue Freunde gewinnen war sehr schwer. Niemand wollte das. Und hier hat man uns sofort am ersten Tag viel geholfen, damit wir uns hier einleben konnten. Wir haben ganze Klassen von Freunden.“ 
Die Jungen verbrachten den ganzen Sommer am See, sie badeten, radelten, spielten Fußball. 

„In der Schule ist alles in Ordnung. Russisch und Belorussisch fallen uns etwas schwer. Aber Algebra, Geometrie – hier erhalten wir sehr gute Noten“, erzählt Lukjan. Er ist in der 7. Klasse. Aus seiner Sicht ist die Bildung in Belarus fundierter. Es gibt mehr Fächer. Sie werden ernsthafter unterrichtet. Das macht viel Spaß und ist viel interessanter. 
Jelisaweta und Alexandra sind noch klein und können noch keine Meinung mitteilen. Ihr Vater erzählt aber mit Vergnügen, dass Jelisaweta sehr gern den Kindergarten besucht. Dort hat sie Freundinnen. Und das Essen im Kindergarten ist gesund und lecker. Jelisaweta isst mit viel Appetit. 

„Hauptsache ist: wir fühlen uns hier sehr wohl. Unsere Kinder wachsen so auf, wie sie sein sollten - freundlich, offen und aufrichtig“, meint Olga. 
In Belarus gibt es mehr Freiheit

Wir verbrachten in der Familie Schneider fast den ganzen Abend. Sie erzählten uns viele Geschichten aus ihrem Leben – sie würden für mehrere Reportagen reichen. Die Familie besucht sonntags den Gottesdienst, träumt davon, eines Tages ganz Belarus zu sehen. Es gibt bereits andere Familien in Deutschland, die für einen Umzug nach Belarus bereit sind. 

„Hier leben bereits 5 Familien aus Deutschland“, erzählt Vizekreisvorsitzende Teressa Juschkewitsch. „Drei Familien haben Kinder. Wir freuen uns sehr darauf und helfen ihnen, sich einzuleben. Wir helfen ihnen, soziale Probleme zu lösen. Von diesen Familien erfahren unsere Stadtbürger sehr viel davon, wie das leben in Deutschland aussieht. Dort ist alles gar nicht wolkenlos. Auch die Eindrücke unserer deutschen Neuankömmlinge sind völlig anders als das, was dort im Westen über uns erzählt wird. 
Pawel Schneider erzählte uns beim Abschied, dass sie in Kürze noch eine deutsche Familie zu Besuch erwarten. Sie könnte sich auch in Schirowitschi niederlassen.

Es gibt immer mehr Menschen, die ihr Leben und ihre Zukunft mit Belarus verbinden. Warum ziehen sie um? Die Antwort auf diese Frage geben Pawel und Olga Schneider: in Belarus gibt es mehr Freiheit, mehr Menschlichkeit und soziale Gerechtigkeit.
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