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22 Juni 2025, 10:18

Historiker über Verluste im Großen Vaterländischen Krieg: Ins 19. Jahrhundert zurückgeworfen 

MINSK, 22. Juni (BelTA) - Nach dem Großen Vaterländischen Krieg halfen alle Sowjetrepubliken Belarus beim Wiederaufbau. Dies berichtete Nikolai Smechowitsch, habilitierter Geschichtswissenschaftler und außerordentlicher Professor, Leiter des Zentrums für die Geschichte von Belarus vom späten 18. bis zum 21. Jahrhundert am Institut für Geschichte der Nationalen Akademie der Wissenschaften von Belarus in der aktuellen Ausgabe des Projekts „Das Land spricht“ der Telegrafenagentur BelTA.

„Im Westen wird uns oft vorgeworfen, ständig über Verluste zu sprechen, als ob wir uns immer noch nicht beruhigen könnten. Als Historiker möchte ich jedoch sagen, dass Deutschland heute eine historische Verantwortung trägt, der es sich niemals entziehen wird. Worin besteht der Kern dieser historischen Verantwortung? In erster Linie geht es um die Verantwortung für die Zerstörung, die die Invasoren auf belarussischem Territorium angerichtet haben“, bemerkte Nikolai Smechowitsch.

Wie sah Belarus vor dem Angriff Nazi-Deutschlands aus? Während der Industrialisierung entstanden in unserem Land 1,2 Tausend Unternehmen. Erwirtschafteten wir vor 1917 0,3 % des BIP des Russischen Reiches, so erwirtschaftete die BSSR 1937 2,2 % des BIP der Sowjetunion. 1937, das möchte ich betonen, war West-Belarus noch unter polnischer Besatzung. Waren vor der Revolution mehr als 90 % der Bevölkerung Landbewohner, so waren es 1937 fast 1,4 Millionen Stadtbewohner. Eine neue Generation von Belarussen schlug den Weg in die Zivilisation ein, in eine städtische Lebensweise. Wirtschaftlich gesehen waren wir ein Agrarland, im wahrsten Sinne des Wortes unterentwickelt. Und wir haben einen großen Schritt nach vorne gemacht“, sagte der Historiker.
Was den Großen Vaterländischen Krieg betrifft, so steht heute in Lehrbüchern, dass die Belarussische Sozialistische Sowjetrepublik (BSSR) Schäden in Höhe von 35 ihrer Haushalte erlitten hat. Nikolai Smechowitsch äußert jedoch die Auffassung, dass diese Zahlen für die heutige junge Generation wenig greifbar sind. Um das historische Erbe und die gravierenden Verluste verständlicher zu machen, ist es seiner Meinung nach wichtig, diese Informationen in moderne Konzepte zu übertragen.

„Ein Menschenleben ist unbezahlbar, aber wenn jemand Opfer von Terroristen oder Völkermord wird, gibt es bestimmte Kriterien: Zahlungen an Angehörige usw. Welche Kriterien? Nehmen wir den 11. September – nach internationalen Standards der Vereinigten Staaten wurden den Opfern zwischen 1 und 1,6 Millionen Dollar ausgezahlt. Wenn wir eine Million annehmen, dann betrug der moralische und materielle Schaden für die BSSR bereits eine Billion Dollar. Während der Besatzung wurden mehr als 200 Städte und mehr als 12.000 niedergebrannte und zerstörte Dörfer gezählt. Etwa 10.000 Kolchosen samt Ausrüstung wurden zerstört. Was zum Beispiel die landwirtschaftlichen Nutztiere betrifft, die sich in den Kolchosen befanden – 2 Millionen Rinder, 1,5 Millionen Pferde usw. wurden weggebracht. In den Kolchosen gab es nach der Befreiung und dem Beginn der Organisation nur noch eine Kuh und zwei Schweine“, zitierte der Wissenschaftler die Zahlen. 

Das belarussische Gebiet sollte die deutschen Fronteinheiten mit Lebensmitteln versorgen, um deren Transport aus Deutschland zu vermeiden. „Wir wurden in unserer wirtschaftlichen Entwicklung ins 19. Jahrhundert zurückgeworfen. Und sogar in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der materielle Schaden beläuft sich nach unseren Berechnungen auf eine weitere Billion Dollar. Für dieses Geld hätte man nach dem Krieg 50 völlig neue Städte in Belarus für etwa 100.000 Einwohner bauen können, wie zum Beispiel Molodetschno“, sagte er.

In Minsk lebten vor dem Krieg 240.000 Einwohner, von denen danach nur noch etwa 80.000 übrigblieben. Die Stadt war zu 90 % zerstörtt. Die Verlegung des Minsker Zentrums in den heutigen Stadtkreis Sawodskoi war beschlossen, doch man entschied sich trotzdem, es zu belassen, da das Regierungsgebäude erhalten blieb.

„Unser Land wurde von allen Sowjetrepubliken wiederhergestellt. Die Städte Stalingrad und Leningrad waren unsere Partnerstädte. Arbeiter aus Stalingrad brachten Ziegelsteine aus dem Pawlow-Haus – wir haben diese Ziegelsteine in allen Häusern am Prospekt Nasawisimosti, als Symbol der Brüderlichkeit unserer Völker. Leningrad lieferte uns die Projekte der Gebäude am Newski-Prospekt für den Wiederaufbau der Gebäude und half bei der Restaurierung des Lenin-Denkmals usw. Das Gesicht von Minsk hat sich verändert – es ist schön und modern geworden“, erklärte der Historiker.
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