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19 Februar 2025, 19:00

„Ihr seid die größte Nation“. Warum wollte Lukaschenko Beziehungen zu Syrien und Libanon ausbauen

Der Nahe Osten... In dieser Region kreuzen sich die Interessen vieler Staaten. Sowohl jener, die näher dran sind, als auch jener, die weit weg und sogar hinter dem Ozean liegen. Gott bewahre, wenn man heutzutage jemandes Interessen beeinträchtigt – es kann ein Riesenchaos entstehen… Das gilt auch für Syrien und den Libanon. Das sind keineswegs arme Länder, mit einer reichen Geschichte und ernsthaften Perspektiven. Ja, nicht ohne innere Widersprüche. Aber wenn jemand daraus Kapital schlagen will, ist ein Krieg zu erwarten. Belarus hat, egal was im Nahen Osten passiert, nie die Beziehungen zu befreundeten Staaten abgebrochen. Und darüber hinaus hat es immer versucht, zur Entwicklung dieser Staaten beizutragen. Und warum? In der neuen Ausgabe von „Postfactum: Beschlüsse des Ersten“ erzählen wir darüber, welchen Nutzen Belarus in Syrien und im Libanon sucht und ob es nur auf den Nutzen ankommt, mit welcher Botschaft von Lukaschenko der Außenminister Maxim Ryschenkow in diese Region gefahren ist und warum diese Staaten nach Ansicht des belarussischen Präsidenten eine große Zukunft verdienen.
Was erwartet Belarus von Syrien und Libanon?

Belarus hat viele Freunde im Nahen Osten. Objektiv betrachtet sind einige von ihnen reicher, andere ärmer. Aber wie die Praxis zeigt, denkt die belarussische Führung nicht in solchen Kategorien und teilt die Länder nicht in reich und nicht reich ein. Ja, mit einigen Staaten entwickeln wir aktiv eine Investitionszusammenarbeit, zu den anderen Staaten kommen wir mit unseren Waren und Technologien. Aber egal, mit wem Alexander Lukaschenko Gespräche führt, er betont immer, dass es keine Tabu-Themen gibt.

Belarus hat sich beim Aufbau der Beziehungen zu Syrien und Libanon an dieselben Grundsätze gehalten. Keine politische Konjunktur und keine Einmischung in innere Angelegenheiten. Nur ein gerechter und für beide Seiten vorteilhafter Dialog.

„Das Potenzial, das wir in all den Jahren unserer diplomatischen Präsenz im Nahen Osten und in unseren Beziehungen zu Syrien und dem Libanon aufgebaut haben, erlaubt es uns, in dieser Phase - die in vielerlei Hinsicht einen Wendepunkt im Leben beider Länder darstellt - unsere starken und stabilen Positionen sowohl in den bilateralen Beziehungen als auch in Bezug auf unsere Haltung zur Entwicklung der Lage in der Region insgesamt zu wahren. Wir sind hier nur mit dem Wunsch nach einer gleichberechtigten und fruchtbaren Zusammenarbeit in allen Bereichen, sowohl bilateral als auch auf der internationalen Bühne“, sagte der Außerordentliche und Bevollmächtigte Botschafter von Belarus in Syrien, Libanon und Jordanien, Juri Sluka.

Wann hat Belarus begonnen, die Beziehungen zum Libanon aufzubauen?

Wenden wir uns der Geschichte zu. Beginnen wir mit dem Libanon, der einst die Finanz- und Bankenhauptstadt des Nahen Ostens war und deshalb den inoffiziellen Namen „nahöstliche Schweiz“ erhielt.

Belarus und der Libanon nahmen im Frühjahr 1996 diplomatische Beziehungen auf und begannen mit dem Aufbau der bilateralen Zusammenarbeit, ohne Eile, aber ohne etwas auf die lange Bank zu schieben. In den Jahren 1997-1998 fanden gegenseitige Besuche auf der Ebene der Außenminister statt, und zu Beginn des neuen Jahrtausends führten die Regierungschefs Gespräche. Im Juli 2004 besuchte ein libanesischer Präsident Belarus. Schon damals waren die Worte Alexander Lukaschenkos prägend für den Besuch: „Es gibt keine Tabu-Themen.“

Übrigens hatten zu diesem Zeitpunkt bereits etwa ein halbes Tausend libanesischer Fachkräfte eine Ausbildung in Belarus absolviert. Etwa 400 weitere Libanesen studierten damals an belarussischen Universitäten. Und das war wahrscheinlich die höchste Zahl unter allen ausländischen Ländern. Auch heute noch studieren jedes Jahr mehr als 600 Studenten aus dem Libanon in Belarus, und die meisten von ihnen kehren nach Hause zurück, um die sozioökonomische Infrastruktur ihres Landes zu verbessern.

„Wir haben gerade mit dem Präsidenten vereinbart, dass die Grundlage unserer Zusammenarbeit zivile Güter sein werden. Wir sollten den bilateralen Handelsumsatz deutlich erhöhen. Aber wir haben auch erklärt, dass es keine geschlossenen Zonen und keine Tabu-Themen in den Beziehungen zwischen unseren Staaten gibt. Und wenn die libanesische Führung an den Problemen der militärisch-technischen Zusammenarbeit, der Zusammenarbeit im Bereich der Hochtechnologien interessiert ist, werden wir diese Bereiche mit großer Freude unterstützen. Was die Fragen des Nahen Ostens anbelangt, so haben wir praktisch keine Unterschiede in unseren Einschätzungen und Ansätzen zur Beilegung der Probleme. Es wird problematisch sein, den Frieden im Nahen Osten ohne die Beteiligung der Vereinten Nationen, und zwar ohne eine aktive Beteiligung, zu erreichen", fasste Alexander Lukaschenko die Ergebnisse der ersten Gespräche mit seinem Amtskollegen zusammen.

Was blieb von Lukaschenkos Besuch im Libanon in Erinnerung?

Knapp ein Jahr später, im Februar 2005, stattete das Staatsoberhaupt dem Libanon einen Gegenbesuch ab. Die Gespräche in Beirut waren eine Fortsetzung des in der belarussischen Hauptstadt begonnenen Dialogs. Alexander Lukaschenko wurde vom Präsidenten des Libanon persönlich am Flughafen empfangen. In Beirut einigten sich die Parteien auf weitere Schritte zur Entwicklung der Zusammenarbeit in vorrangigen Bereichen: Industrie, Banken, Investitionen, Wissenschaft, Bildung und Kultur.  

Nach Angaben des Pressedienstes des belarussischen Staatschefs bekundete die libanesische Seite ihr Interesse an einer Zusammenarbeit in den Bereichen Transport, Elektrotechnik und Maschinenbau sowie am Kauf von belarussischen Landmaschinen.

„Sie sagen immer, Libanon ist ein kleines Land und hat eine kleine Bevölkerungszahl. Ein kleines Volk. Ich muss sagen, dass Sie die größte Nation sind, denn Sie allein haben Ihre Souveränität und Unabhängigkeit verteidigt. Sie haben Ihr Land befreit, um die alten Grenzen Ihres Staates zu bewahren. Ich glaube, dass es von der Größe Ihres Volkes zeugt. Damit haben Sie nicht nur Respekt verdient. Sie verdienen eine große Zukunft“, sagte Alexander Lukaschenko vor Reportern in Beirut.

Ihm zufolge haben Belarus und der Libanon viele gemeinsame Interessen gefunden, und im Allgemeinen hat unser Land eine starke Position in der arabischen Welt. „Die arabische Welt hat uns nie im Stich gelassen. Deshalb kommen wir mit großer Freude hierher, weil wir diese Unterstützung spüren, und wir kommen immer nicht umsonst. Wir haben keine geschlossenen Themen, weder mit dem Libanon noch mit Syrien“, betonte der Präsident.

Damals war der Libanon bereit, für Belarus ein Tor zum Markt des Nahen Ostens zu werden. Leider haben ein weiterer Krieg und die darauf folgende innenpolitische Krise die Intensität der belarussisch-libanesischen Kontakte verringert. Die meisten Abkommen wurden für unbestimmte Zeit eingefroren. Auch jetzt ist die Lage im Nahen Osten alles andere als ideal, aber Belarus setzt den Dialog mit dem Libanon nach wie vor fort.

Was hat Maxim Ryschenkow mit der libanesischen Führung besprochen?

Im Februar 2025 stattete der belarussische Außenminister dem Libanon einen Besuch ab. Der belarussischen Delegation gehörten unter anderem Geschäftsleute an, die bereit sind, mit diesem Land zusammenarbeiten. Sie entwickeln über Libanon auch die Zusammenarbeit mit anderen Staaten.

Maxim Ryschenkow überbrachte dem libanesischen Präsidenten eine Botschaft des belarussischen Staatsoberhauptes. Alexander Lukaschenko beglückwünschte seinen Amtskollegen zu seiner Ernennung im Amt und lud ihn zu einem Besuch in Belarus ein. Die Einladung wurde angenommen. Um seine Absichten zu bekräftigen, übergab Belarus dem Libanon 100 Tonnen Milchpulver und 10 Krankenwagen.  

„Der Libanon ist für uns ein langfristiger, guter Partner. Und natürlich können wir unter diesen Bedingungen die Beziehungen nicht abbrechen und darauf warten, dass sich hier alles zum Idealzustand normalisiert. Wir sehen unsere Mission der Freundschaft mit dem Libanon darin, heute zu helfen, wenn unsere Unterstützung am meisten gebraucht wird“, sagte Maxim Ryschenkow vor Reportern.

Belarus ist bereit, den Libanon mit Nahrungsmitteln zu versorgen und beim Wiederaufbau des Agrarsektors und der zerstörten Infrastruktur zu helfen. Natürlich ist es unmöglich, all dies auf einmal zu realisieren. Außerdem muss sich der Libanon jetzt auf die innenpolitische Agenda und die Wahrung des Gleichgewichts zwischen den Konfessionen konzentrieren. Aber die Tatsache, dass unsere Länder einen offenen Dialog führen, noch dazu auf höchster Ebene, ist ein sehr gutes Signal und ein Beispiel für alle anderen.

Warum ist der Leiter des belarussischen Außenministeriums nach Syrien geflogen?

Kurz zuvor hatte der Leiter des belarussischen Außenministeriums in Syrien zu Besuch. Maxim Ryschenkow flog auf Einladung der syrischen Seite nach Damaskus. Nur eine Woche vor seinem Besuch sagte Alexander Lukaschenko, dass Syrien Belarus seine Zusammenarbeit angeboten habe. „Syrien lädt uns zu Gesprächen und Meinungsaustausch ein", machte das Staatsoberhaupt keinen Hehl daraus.

Maxim Ryschenkow erörterte mit der syrischen Führung „verschiedene Bereiche der Zusammenarbeit, die zum raschen Wiederaufbau Syriens beitragen sollen“. Der Minister überreichte dem syrischen Staatschef Urkunden für 50 MAZ-Busse, die der Präsident und das Volk von Belarus dem syrischen Volk gespendet haben. Sie werden in den nächsten Monaten hergestellt und nach Damaskus geschickt.

Bei den Gesprächen in Damaskus erklärte Maxim Ryschenkow, dass Minsk bereit sei, die humanitären Programme zur Erholung syrischer Kinder in Belarus fortzusetzen, die unter der Schirmherrschaft des belarussischen Staatschefs durchgeführt werden und die beiden Nationen in den letzten Jahren besonders nahe gebracht haben. Als Alexander Lukaschenko vorschlug, ein Programm zur Erholung und Bildung für Kinder aus Syrien zu entwickeln, erklärte er, dass er von einer allgemeinen menschlichen Wahrheit ausgehe: Wenn du auf fremdes Leid reagierst, wirst du auch eines Tages Hilfe bekommen. Kinder sind heilig.

Syrischen Medien zufolge hat der Außenminister in Damaskus ein weiteres interessantes Treffen abgehalten - mit der Führung des Allgemeinen Geheimdienstes. Man sagt, Diplomatie liebt Stille, das betrifft auch solche Treffen. Wir können also nur Vermutungen darüber anstellen, welche Themen dabei angesprochen und welche Vereinbarungen getroffen wurden.

Was bringt Belarus und Syrien einander näher?

Belarus leistet Syrien seit 2015 humanitäre Hilfe. Das Land schickt Warentransporte (es gab mittlerweile 4), das sind Babynahrung, Lebensmittel, Medikamente, medizinische Ausrüstung, Decken, Kinderkleidung und Schuhe. Auch MAZ-Fahrzeuge wurden Syrien übergeben. Im Zeitraum 2017-2024 hat das Kinderlager Subrjonok mehr als 1,3 Tausend Kinder aus Syrien aufgenommen.

Die Führung des Landes erinnert sich sicher noch daran, wie Alexander Lukaschenko vor zwei Jahren anordnete, humanitäre Hilfe in das von Erdbeben heimgesuchte Syrien zu schicken und Militärsanitäter zur Unterstützung der Bevölkerung einzusetzen.

„Die Belarussen haben den Krieg in Syrien nie am Rande miterlebt. Wir leisten dem syrischen Volk nach wie vor humanitäre Hilfe, das betrifft insbesondere Kinder. Syrische Kinder werden im Rahmen eines Sonderprogramms zur Erholung nach Belarus eingeladen. Wir werden auch in Zukunft auf diese Weise handeln“, betonte Alexander Lukaschenko im November 2017 bei einem Treffen mit dem Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz.

Werden Belarus und Syrien ihre Beziehungen wiederherstellen können?

In letzter Zeit hat sich die handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Belarus und Syrien vor dem Hintergrund schwieriger Bedingungen entwickelt. Die Verkehrs- und Sozialinfrastruktur ist zerstört, der Regierung mangelt es an Finanzen, die Kaufkraft der Bevölkerung ist zurückgegangen... Im Jahr 2021 belief sich der gegenseitige Handelsumsatz zwischen den Ländern auf $8,2 Mio., während er in den besten Jahren über dem Wert von $86 Mio. lag. Belarus exportierte bestimmte Waren, Milchpulver, Molke, Medikamente, Traktoren und Zugmaschinen nach Syrien. Es importierte Olivenöl, Obst und Gemüse, Nüsse und Kaffee.

Aber allein die Tatsache, dass Maxim Ryschenkow kürzlich Syrien besucht hat, zeigt, dass Damaskus bereit ist, die Beziehungen zu Minsk auszubauen. Und auch hier gilt: keine politische Konjunktur, sondern ein gleichberechtigter und für beide Seiten vorteilhafter Dialog. Wie es hieß, beabsichtigt die syrische Seite, den Transportsektor zu reformieren, was bedeutet, dass belarussische Ausrüstung gefragt sein könnte. Daher erörterten die Parteien die Möglichkeit, die Montage von Bussen, landwirtschaftlichen Maschinen und anderen Projekten in Syrien zu organisieren.

„All dies wurde sehr schnell und zügig vorbereitet. Und allein die Tatsache, dass wir empfangen wurden, und zwar wirklich gut und auf höchster Ebene (in beiden Fällen fanden Treffen mit den Staatschefs statt, die sehr positiv und konstruktiv und vor allem offen waren), ist ein gutes Zeichen“, sagte der Leiter der belarussischen diplomatischen Vertretung. „Wir sind hier bekannt, man erinnert sich an uns, und es stellt sich heraus, dass wir erwartet werden. Dies ist ein weiteres gutes Signal, um unsere Arbeit fortzusetzen und unsere Präsenz zu verstärken. Wir haben uns hier nicht als unkonstruktiv oder negativ erwiesen. Alle unsere Aktionen waren immer ausschließlich in eine positive Richtung gerichtet. Ich möchte zum Beispiel daran erinnern, dass unsere Sanitäter an der Mission der Vereinten Nationen im Südlibanon teilgenommen haben. Unsere Militärärzte waren nicht nur auf dem Territorium der Militäreinheiten bekannt, sie behandelten in ihrer Freizeit die Bevölkerung.“

Der Direktor des Zentrums für internationale Studien an der Fakultät für internationale Beziehungen der BGU, Nikita Belentschenko, ist der Ansicht, dass viel davon abhängen wird, welchen innen- und außenpolitischen Kurs die derzeitige syrische Regierung einschlagen wird.

„Ist sie in der Lage, einen Kompromiss mit anderen Ländern zu finden?“, sagte er. „Wir sind bestrebt, die Beziehungen zu allen Ländern und Regionen auszubauen. Wir sind bereit, so viel wie möglich zu helfen, um Frieden in die Region zu bringen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir diese chaotisch verlaufenden Konflikte zum Anlass nehmen sollten, diese Zusammenarbeit aufzugeben. Im Gegenteil, wir sollten die politische Situation in diesen Ländern auf jede erdenkliche Weise unterstützen. Unsere Position, wenn wir Syrien und den Libanon unterstützen, findet auch in anderen Ländern des Nahen Ostens ein Echo: Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Oman.“

Es ist nicht alles einfach im Nahen Osten. Aber Belarus hat die Absicht, trotz aller Schwierigkeiten dort zu arbeiten. Die Schwierigkeiten sind eines Tages zu Ende. Aber man muss heute schon etwas tun, vor allem, wenn andere diese Unterstützung so dringend benötigen.

Wenn wir auf ideale Bedingungen für den Eintritt in diese Märkte warten, wird dort niemand auf uns warten. Niemand wird wissen, wer oder was Belarus ist. Wir werden einfach zu spät kommen. Deshalb sind wir bereits heute dort, und wir sollten uns auf keinen Fall zurückziehen. Wir sollen alles tun, damit man uns dort sieht und kennt. Das tun wir, indem wir auf Schöpfung und konstruktive Zusammenarbeit setzen.
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