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18 Dezember 2024, 20:01

„Innerhalb von zwei Wochen gebaut“. Die Geschichte eines Partisanenflugplatzes, den die Nazis nie gefunden haben

Während des Großen Vaterländischen Krieges kämpften hunderte Städte und Dörfer von Belarus gegen den Feind und brachten den Sieg näher. Sechsunddreißig Städte und Dörfer wurden besonders ausgezeichnet und erhielten später den Wimpel "Für Mut und Tapferkeit im Großen Vaterländischen Krieg". Diese Insignien wurden am 6. Oktober 2004 durch einen Erlass des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung der Republik von den Nazis eingeführt. Hinter jeder der 36 Zitadellen der Tapferkeit verbirgt sich eine erstaunliche Geschichte von Tapferkeit, Heldentum und dem Glauben an den Sieg für alle.

Wir berichten in der neuen Folge von „Zitadellen der Tapferkeit“ über die Stadt Ljuban.
Heute ist es einfach, die Insel Syslow zu erreichen. Sie liegt an der Kreuzung der Gebiete Minsk, Gomel und Mogiljow. Auf der 40 Kilometer langen Strecke von Ljuban bis zum Zielort sind sehr viele Gedenkschilder, Denkmäler und Tafeln zu sehen, die vom Heldentum der örtlichen Partisanen erzählen. Doch vor 80 Jahren war alles anders: Umgeben von Sümpfen galt dieses Stück Land tief im Wald als uneinnehmbar. Während der deutschen Besatzung haben die Nazis hier keinen Fuß gesetzt. Auf der Insel Syslow, im Rücken des Feindes, landete in der Nacht vom 21. auf den 22. September 1942 das erste sowjetische Flugzeug. Die Luftbrücke bestand bis zur Befreiung von Belarus. 

Zivilisten wurden durch Stromschläge getötet

Vor dem Krieg war der Kreis Luban im ganzen Land berühmt: Von hier begann die große Landgewinnung, hier arbeiteten mehrere Unternehmen erfolgreich, hier gab es ca. fünfzig Kolchosen. Eine von ihnen wurde 1940 sogar mit dem Lenin-Orden ausgezeichnet! Die Region Ljuban hat auch ihren eigenen Helden der Sowjetunion. Pawel Olejnikow wurde mit diesem Titel für Tapferkeit und Heldentum im sowjetisch-finnischen Krieg ausgezeichnet. Der Große Vaterländische Krieg veränderte alles...

Ende Juni 1941 tauchten im Kreis Ljuban die ersten Nazis auf, und im Herbst hatte sich das Kreiszentrum bereits in eine deutsche Polizeigarnison verwandelt. Die Kommandantur befand sich im Gebäude des ehemaligen Kreisvorstandes. Im August wurden etwa 150 Männer jüdischer Nationalität im Alter von 14 bis 80 Jahren in das Dorf Dubniki gebracht und dort erschossen. Auch in Ljuban gab es ein Ghetto, in dem die Juden bis zum 4. Dezember 1941 hinter Stacheldraht festgehalten wurden. Lange Zeit glaubte man, dass sie alle an diesem Wintertag erschossen wurden. Doch vor einigen Jahren wurde bekannt, dass die Juden von Ljuban ein viel schlimmeres Schicksal erwartete.
„Dank der Erinnerungen des israelischen Einwohners Sinowi Knel haben wir erfahren, dass die Ghetto-Insassen nicht erschossen, sondern mit elektrischem Strom getötet wurden“, sagt Antonina Simonowa, leitende Wissenschaftlerin des Museums des Nationalen Ruhmes in Ljuban. „Am Morgen des 4. Dezember wurden die Juden aus dem Ghetto an den Rand der Siedlung gebracht und in Gruppen auf ein Metallschild gestellt. Der Strom wurde von einem nahe gelegenen Generator geliefert, den die Menschen zunächst für einen Traktor hielten. Sinowi überlebte, weil er Gummigaloschen an den Füßen hatte. Er schaffte es bis zu seinem Haus und versteckte sich dort, und anschließend halfen ihm seine Nachbarn bei der Flucht zu den Partisanen.
Auch nach den öffentlichen Hinrichtungen hörte der Kampf nicht auf

Antonina Simonowa weist auf eine wichtige geografische Besonderheit der Region Ljuban hin: Die Linie, die durch die Siedlungen Ljuban, Sasmuschje, Dunzy verläuft, teilt die Region in zwei Teile. Der nordwestliche Teil erstreckt sich über den südlichen Rand der lößartigen Hochebene von Sluzk und stellt an einigen Stellen eine erhöhte Hügellandschaft dar. Der südliche Teil, der den nördlichsten Punkt der Pripjat-Polesje bildet, ist mit dichten Wäldern und unwegsamen Sümpfen bedeckt. Dieses Gebiet wird seit 1941 von den Partisanen kontrolliert.

Wie in anderen Gebietes der BSSR wurde auch in Ljuban bei Ausbruch des Krieges beschlossen, die führende Parteitroika beizubehalten: den Chef der Miliz Michail Jermakowitsch, den Vorsitzenden des Kreisexekutivkomitees Andrej Luferow und den Leiter der NKWD-Abteilung Jewstrat Gorbatschow. Sie waren es, die mit Hilfe der Einwohner die Evakuierung der materiellen Werte durchführten und den Partisanenkampf organisierten.

Am 7. Juli 1941 fasste das Zentralkomitee der KP(b)B einen Beschluss, wonach eine Gruppe von Sekretären und Mitgliedern des Minsker Untergrund-Regionalkomitees der KP(b)B unter der Leitung des zweiten Sekretärs Wassili Koslow in die besetzten Gebiete der Region Ljuban entsandt wurde. Eine 16-köpfige Sabotagegruppe unter der Leitung des Vorsitzenden des Exekutivkomitees von Kriwitschi, Alexander Dalidowitsch, wurde ebenfalls dorthin geschickt. Am Zielort angekommen, begannen die Saboteure mit der aktiven Kampftätigkeit. Nachdem sie sich mit Lokalpatrioten und den Soldaten der Roten Armee zusammengetan hatten, wuchs die Gruppe schnell zu einer Partisaneneinheit heran. Ende 1941 waren auch die Einheiten Gromow, Dowator und Tschapajew in der Region aktiv.
Bereits in den ersten Kriegstagen begann unser Volk, sich gegen den Feind zu wehren. So lieferte sich beispielsweise eine Gruppe unter dem Kommando des Einheimischen Afanassi Pruschak im Sommer 1941 ihre erste Schlacht mit den Deutschen. Leider war es für einige Widerstandskämpfer die letzte Schlacht. „Pruschak selbst wurde brutal hingerichtet. Nachdem die Faschisten in seinem Heimatdorf einen Galgen errichtet hatten, hängten sie ihn öffentlich auf - als Mahnung an die Einwohner, die den Partisanen helfen wollten“, nennt Antonina Simonowa eine grausame Tatsache und fügt hinzu: „ Aber die Widerstandswelle des Volkes war unaufhaltsam.“

Eine sowjetische Schule wurde hinter den feindlichen Linien eingerichtet
                                                    
Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass die ersten Partisanengruppen, die später zu Abteilungen wurden, eng mit der lokalen Bevölkerung zusammenarbeiteten.

„Heute können wir mit Sicherheit sagen, dass die aktive Kampftätigkeit der Volksverteidiger ohne die ständige Unterstützung durch die Zivilbevölkerung nicht möglich gewesen wäre. Die Menschen versteckten die in Einkesselung geratenen Rotarmisten, versorgten sie, beschafften für sie Zivilkleidung und zeigten ihnen den Weg zu den Partisanen“, sagt Antonina Simonowa. „Vor dem Krieg war Stepan Kornejew der Vorsitzende des Dorfrates in Sagalje. Er war ein Mann von unbestreitbarer Autorität. Nachdem er seine Landsleute versammelt hatte, erklärte er, dass sie Sagalje mit Waffen in der Hand schützen würden. Und die Menschen folgten ihm.“
Das Dorf Sagalje ist eine einzigartige Siedlung. Hier, tief hinter den feindlichen Linien, hat die Sowjetmacht nie aufgehört zu wirken. Und am 1. Oktober 1942 wurde eine Partisanenschule eröffnet, die von 110 Kindern besucht wurde. Vier junge Lehrer brachten den Kindern nicht nur Lesen und Schreiben bei, sondern lernten auch Gedichte und Lieder, um sie den verwundeten Partisanen in den Krankenhäusern vorzutragen.

In der Nacht vom 6. auf den 7. November 1941 führten die Partisanen von Ljuban ihre erste große Operation durch. Damals wurde die deutsche Polizeigarnison zerschlagen, der Feind erlitt schwere Verluste. Die Volksrächer beschlagnahmten Waffen, Munition, Lebensmittel und Kleidung.

Faschisten verwechselten Partisanen mit regulären Einheiten der Roten Armee

Unweit des Dorfes Sagalje befand sich die Insel Syslow, ein Waldstück inmitten eines sumpfigen Moores. Man konnte nur über schmale Pfade dorthin gelangen, die nur wenige Menschen kannten. Als sich im Sommer 1941 die Frage nach einem Standort für die Führungsorgane der Partisanen- und Untergrundbewegung im Süden der Region Minsk stellte, griff man auf eben diesen Ort zurück.

Zunächst befand sich auf der Insel das Partisanenkommando von Dalidowitsch, dem das Exekutivkomitee des Kreises Ljuban unterstellt war. Später kamen die regionalen Untergrundparteiorgane hierher. Im November 1941 befand sich auf Syslow der Stab der Partisanenbewegung der Region Minsk unter der Leitung des Sekretärs des Minsker Untergrund-Regionalkomitees der Kommunistischen Partei von Belarus Wassili Koslow. 
„Im Winter 1941/1942 unternahmen Partisanenkommandos unter der Führung von Wassili Korsch einen Angriff auf die deutschen Polizeigarnisonen. In den Kämpfen gelang es ihnen, eine große Anzahl deutscher Polizeigarnisonen zu besiegen und Waffen und Munition zu beschlagnahmen. Die Faschisten waren sich sicher, dass im Hintergrund reguläre Einheiten der Roten Armee operierten. Sie konnten nicht glauben, dass all dies das Werk von Volksrächern war,“ erzählte die Museumsleiterin. „Aber das Wichtigste ist, dass die Partisanenzone Ljuban-Oktjabrski, eine der größten in der BSSR, zu dieser Zeit gebildet wurde. Das Dorf Sagalje wurde ihr Zentrum. In 418 Siedlungen wurde die Sowjetmacht wiederhergestellt, 9 der 12 Vorkriegs-Dorfräte setzten ihre Arbeit fort.“

Hitler hat nie einen Fuß hierher gesetzt

Im Sommer 1942 hatte die Partisanenbewegung enorm an Stärke gewonnen: Ein Chiffrierer und ein Funker kamen in das Gebiet, und die Funkverbindung mit Moskau wurde hergestellt. Im Stab der Partisanenbewegung gingen Meldungen ein, in denen um Waffen und Sprengstoff gebeten wurde. Flugzeuge warfen wertvolle Ladungen mit Fallschirmen ab, doch die Pakete landeten in sumpfigen Gebieten oder hingen an den Ästen hoher Bäume. Dann wurde der kühne Entschluss gefasst, einen eigenen Flugplatz zu bauen!

„Der Bau wurde von Pawel Anassenko geleitet, einem Angriffsschützen der 23. Luftdivision, einem Mann mit erstaunlichem Schicksal. Beim ersten Mal wurde er in der Nähe von Rschew abgeschossen, aber trotz schwerer Verbrennungen gelang es dem Kämpfer, den Kommandanten und den Funker in die Sanitätseinheit zu bringen. Nach seiner Genesung kehrte er wieder an die Front zurück. Beim zweiten Mal wurde er in der Region Mogiljow abgeschossen. Pawel wurde gefangen genommen, aber auf dem Weg in ein Konzentrationslager in der Nähe von Warschau entkam er und landete in Ljuban“, erzählt Antonina Simonowa. „Als die Frage nach dem Bau eines Flugplatzes aufkam, machten sich der Sekretär des regionalen Untergrundkomitees von Minsk, Wassili Koslow, der alteingesessene Gerassim Galtschenja und Pawel Anassenko, der sich mit den Feinheiten des militärischen Bauwesens gut auskannte, auf die Suche nach einem Standort. Der ideale Ort war die Insel Syslow. Dank der Bemühungen von Partisanen und Anwohnern, die meisten von ihnen Kinder und alte Menschen, wurde der Flugplatz schließlich innerhalb von nur zwei Wochen gebaut!

In der Nacht vom 21. auf den 22. September 1942, als das Dröhnen eines Motors die Stille des Waldes durchbrach, wurden die Signallichter auf Syslow angemacht. Und das erste sowjetische Flugzeug unter der Führung von Hauptmann Alexander Grusdin, einem der 14 Piloten, die für ihren Einsatz hinter der Front mit dem Titel „Held der Sowjetunion“ geehrt wurden, landete auf dem Partisanenlandeplatz. 
Ein spezielles Team war für die Tarnung der Landebahn zuständig. Wenn die Flugzeuge abflogen, wurden Baumkübel hierher geschleppt. Überraschenderweise konnten die Faschisten nie herausfinden, wo die sowjetischen Flugzeuge gelandet waren. Und der Flugplatz war bis zur Befreiung von Belarus erfolgreich in Betrieb.

Straßen sind nach ihnen benannt
Bragin-Straße

Im März 1941 wurde Alexei Bragin zum Sekretär des Minsker Regionalkomitees der Kommunistischen Partei (Bolschewiki) ernannt. Zu Beginn des Großen Vaterländischen Krieges wurde er als Teil einer Gruppe von Sekretären und Mitgliedern des Minsker Regionalkomitees der Partei in die südlichen Bezirke der Region Minsk geschickt, um die Partisanenbewegung zu organisieren. Im Juli wurde er zum Sekretär des regionalen Untergrundkomitees der Kommunistischen Partei in Minsk ernannt. Am 8. Oktober geriet er bei der Ausführung eines Auftrags in einen Hinterhalt. Er wurde schwer verwundet und gefangen genommen. Während des Verhörs versuchte er zu fliehen und wurde dabei getötet. Die Einheimischen begruben ihn im Wald zwischen den Erdhügeln. Nach dem Krieg wurde er in Ljuban beigesetzt. Eine der Straßen im Stadtzentrum trägt seinen Namen, und 1964 wurde ihm auf dem Platz an der Perwomajskaja-Straße ein Denkmal errichtet. Nach der Rekonstruktion im Jahr 2005 wurde es an die Kreuzung Perwomaiskaja-Straße/ Bragin-Straße versetzt.

Lyschtschenja-Straße

Im Januar 1945 befehligte der Gardeunteroffizier Sachar Lyschtschenja die Aufklärungsabteilung des 43. Garde-Artillerieregiments der 15. Garde-Schützendivision der 5. Gardearmee der 1. Ukrainischen Front. Im Februar kämpfte das Regiment in der Nähe von Breslau schwere Gefechte. In der Nacht vom 7. auf den 8. Februar erhielt Lyschtschenja den Auftrag, Daten über die gegnerische Verteidigung und deren Kräfte sowie über die Lage der Abschusspunkte zu sammeln. Als die Aufklärungsgruppe zurückkehrte, wurde sie vom Feind entdeckt, woraufhin es zu einem Kampf kam. Lyschtschenja blieb zurück, um den Rückzug seiner Kameraden zu decken, wurde schwer verwundet und gefangen genommen. Trotz Folter weigerte er sich, Auskunft über die  sowjetische Einheiten zu geben, und wurde hingerichtet. Durch den Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 27. Juni 1945 wurde ihm posthum der Titel „Held der Sowjetunion“ verliehen. Straßen in Ljuban und im Dorf Plastok tragen seinen Namen. 

Scherschnjowa-Straße
Nach ihrer Ausbildung an einer Spezialschule wurde Rimma Scherschnjowa 1942 Verbindungsmitglied des Zentralkomitees des Komsomol in der Moskauer Partisanenabteilung Gastello. Im November 1942 meldete sie sich bei der Partisanenbrigade Rosow der Minsker Partisaneneinheit. Am 25. November griff die Brigade die feindliche Garnison an, die das Dorf Lomowitschi besetzt hielt. Während des Kampfes wurden die Partisanen durch Maschinengewehrfeuer aus einem kreisförmig angelegten Bunker an einer Kreuzung aufgehalten. Bei dem Versuch, den Kommandeur zu retten, wurde Rimma tödlich verwundet. Sie wurde posthum mit dem Orden des Roten Banners ausgezeichnet. Eine Straße im Dorf Schiwun trägt ihren Namen.

Drei Einwohner des Kreises Ljuban wurden mit dem Titel „Held der Sowjetunion“ ausgezeichnet, zwei weitere sind Träger des Ruhmes-Ordens. Auch die 17-jährige Rimma Scherschnjowa, die den Kommandanten unter Einsatz ihres eigenen Lebens rettete, fand in diesem Land ihre letzte Ruhe. 1968 wurde die Bezirksorganisation des Komsomol mit dem Orden des Vaterländischen Krieges erster Klasse für das Heldentum und den Mut des Komsomol und der Jugend von Ljuban während des Krieges ausgezeichnet.

Am Rand der Stadt Ljuban steht ein Denkmal (Architekt Leonid Levin), das der örtlichen Lehrerin Fenja Kononowa gewidmet ist, einer mutigen Untergrundkämpferin, die von den Nazis brutal gefoltert wurde. Sie wurde in das eiskalte Wasser der Oressa geworfen und später erschossen. Die Skulptur des unbesiegten Mädchens ist ein Symbol für den Kampf gegen den Feind, der von den Partisanen und den Einheimischen gleichermaßen geführt wurde.
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