
Themen
"Zitadellen der Tapferkeit "
Während des Großen Vaterländischen Krieges kämpften die Einwohner hunderter belarussischer Städte und Dörfer gegen den Feind und brachten den Sieg näher. Sechsunddreißig Ortschaften wurden besonders ausgezeichnet und später mit Wimpeln „Für Mut und Tapferkeit im Großen Vaterländischen Krieg“ geehrt. Dieses Abzeichen wurde am 6. Oktober 2004 per Präsidialdekret anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung der Republik von den Nazis eingeführt. Hinter jeder der 36 Zitadellen der Tapferkeit verbirgt sich eine erstaunliche Geschichte von Mut, Heldentum und dem Glauben an den Sieg für alle. Wir werden darüber in unserem neuen Projekt zum 80. Jahrestag der Befreiung von Belarus von den Nazis berichten. Heute berichten wir über die Stadt Lida.
In der Morgendämmerung des 22. Juni 1941 wurden die Einwohner von Lida durch das Dröhnen von Flugzeugen geweckt. Ehe die Menschen es bemerken konnten, hagelte es Bomben auf die Stadt. In den ersten Tagen wurde die alte Stadt fast vollständig zerstört. Die massiven Luftangriffe hörten fünf Tage lang nicht auf, und im Massengrab der Opfer der ersten Kriegstage ruhen mehr als 800 Menschen. Viele junge Leute, die den traditionellen Schulabschluss kurz vor Sonnenaufgang feierten, kehrten nicht mehr nach Hause zurück. Eine der feindlichen Bomben traf einen Personenzug und zerstörte drei Waggons vollständig ...
Kinder wurden vor den Augen ihrer Mütter auf Bajonette geworfen
Am Morgen des 27. Juni war Lida vollständig besetzt. Die Faschisten fingen sofort an, ihre „neue“ Ordnung herzustellen. Alle Gebäude, die die Bombardierung überstanden hatten, wurden ihren Bedürfnissen angepasst: Das Gebäude in der Kirow-Straße wurde in ein Gebietskommissariat umgewandelt. In einer der Schulen wurde die Gestapo beherbergt, in einer anderen befand sich ein deutsches Krankenhaus. Die Druckerei wurde in das Gefängnis umfunktioniert. In der Nordstadt und auf den Ruinen der Burg richtete man ein Kriegsgefangenenlager ein.
"Auf Säulen und Plakatwänden waren die Befehle und Anweisungen der Besatzer zu lesen. Wer sie verletzte, dem drohte die Erschießung. Die Menschen durften nachts nicht auf die Straße gehen und sich nicht in Gruppen versammeln. Für Juden, die vor dem Krieg mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung von Lida ausmachten, wurden mehrere Ghettos eingerichtet. Es war ihnen verboten, auf dem Bürgersteig zu gehen und ohne gelbe Markierungen an der Kleidung zu erscheinen. Wer sich nicht daran hielt, wurde ebenfalls erschossen. Diejenigen, die dazu noch in der Lage waren, wurden verpflichtet, für die Besatzer zu arbeiten. Juden arbeiteten auf der Eisenbahn, räumten Trümmer auf und bereiteten Holz auf. Für ihre Arbeit erhielten sie Suppe aus verfaulten Kartoffeln und ein kleines Stück Brot“, sagt Natalja Chotjanowitsch, stellvertretende Direktorin des Museums für Geschichte und Kunst in Lida.

Für 6.000 Juden war am 8. Mai 1942 alles zu Ende: Im Morgengrauen wurden die Menschen aus dem Ghetto in Gruppen aufgeteilt, und die größte Gruppe, zu der auch Frauen, Kinder und alte Menschen gehörten, wurde in Richtung der Nordstadt getrieben.
„Die Faschisten haben Gruben im Voraus vorbereitet. Sie brachten 100 Menschen dorthin, zwangen sie, sich zu entkleiden, und erschossen sie dann. Zuerst wurden die Kinder getötet. Einige von ihnen wurden vor den Augen ihrer Mütter auf Bajonette geworfen. Als die Frauen das sahen, rissen sie sich die Haare aus und schrien, so dass die Überlebenden dieses Geräusch mit dem Brüllen eines Tieres verglichen“, schildert Natalja Chadonowitsch die schrecklichen Fakten.
Nachdem sie die Leichen mit Erde überworfen hatten, zogen die Faschisten ab. Als sie am Morgen zum Ort der Hinrichtung zurückkehrten, waren sie entsetzt: Die Erde bewegte sich - es waren Menschen, die überlebt haben und versuchten, aus der Grube herauszukriechen. Dann holten die Besatzer die Einwohner benachbarter Dörfer und befahlen ihnen, die Gruben mit noch mehr Erde zu bedecken.
„Nur wenigen Verwundeten gelang es, aus der Grube zu entkommen. Im August 1944, nach der Befreiung der BSSR, wandten sich fünf Personen an die sowjetischen Behörden und erzählten die Geschichte der Erschießung der Juden von Lida. Eine Kopie der Akte über die Gräueltaten der Nazis in unserem Bezirk wird im Museum aufbewahrt“, sagt Natalja Chotjanowitsch.
Die Menschen schnappten nach Luft, und die Deutschen erschossen sie
Nachdem die Faschisten den Kreis Lida besetzt hatten, begannen sie sofort, nicht nur ein Ghetto, sondern auch ein Durchgangslager für Kriegsgefangene einzurichten. Es lag im Hof eines alten Schlosses. Sowjetische Soldaten und Kommandeure, die in der Umgebung von Lida und in östlichen Gebieten gefangen genommen wurden, wurden in Kolonnen hierher gebracht. Waren es am 4. Juli 1941 noch 2600 Menschen im Dulag Nr. 155, so waren es am 26. Juli bereits 3000 gefangene.
„Heute sehen wir das Schloss Lida nach dem Wiederaufbau. Vor dem Großen Vaterländischen Krieg lag der Schloss in den Ruinen. Die Türme waren zerstört und die Mauerreste eingemottet, und man konnte ungehindert in das Gebiet eindringen. Das reichte den Deutschen. Nachdem sie entlang der verbliebenen Mauern im Burghof Schuppen gebaut und das Gelände mit Stacheldraht umzäunt hatten, wurden die Gefangenen hierher getrieben“, erzählt die stellvertretende Museumsdirektorin.
Im Lager wurden acht Gruppen je 250 Personen gebildet, die auf dem Flugplatz, im Versorgungsdepot und im Bahnhof arbeiten sollten.
„Diese Menschen wurden unter schrecklichen Bedingungen gehalten. Oft durften sie nicht trinken, viele von ihnen hatten weder Kessel noch Flaschen, wo sie sich wenigstens irgendwelche Brühe zubereiten konnten. Und dann zogen die Häftlinge ihre Stiefel aus, ihre Mützen - kurzum, alles, wo man Brühe eingießen konnte“, sagte Natalja Chotjanowitsch.
Einer der Gefangenen im Dulag Lida war Rotarmist Gennadi Woronez. Er und seine Kameraden gerieten am 4. Juli 1941 in die Umzingelung. Zwei Tage lang hielten die Faschisten ihn in einer Scheune gefangen, dann schlossen sie ihn einer großen Gefangenenkolonne an und trieben ihn über die Autobahn von Minsk nach Lida. Nach den Erinnerungen von Gennadi Antonowitsch befanden sich etwa tausend Menschen in der Kolonne. Sie alle wurden in die Festung gebracht.
„Man hat sich Zeit genommen, um die Namen, Geburtsort, Dienstgrad und Militäreinheit der Gefangenen aufzuschreiben. Jeder log so gut er konnte, sogar Vor- und Nachnamen waren falsch..... Wir wurden für kurze Zeit in Lida festgehalten, ich glaube, für zwei oder drei Tage. Dann wurden wir in Güterwaggons je 100 Personen verladen und irgendwohin gebracht. Unter den Gefangenen gab es viele Kranke und Verwundete. Es gab keinen Platz zum Liegen oder Sitzen, nur zum Stehen. Überall war alles fest verschlossen und mit Brettern verrammelt. Die Menschen begannen zu ersticken. Auf unsere Rufe „Atmen!“ antworteten die Deutschen mit Maschinengewehren – sie schossen auf die Waggons. In unserem Waggon wurden viele Soldaten verwundet. Viele verloren vor Erschöpfung das Bewusstsein. Irgendwann in der Mitte der Fahrt hielt der Zug an, wir durften aus den Waggons aussteigen. Ein kleines Feld war von deutschen Maschinengewehrschützen dicht abgesperrt. Einige Gefangene liefen von den Waggons weg und wurden erschossen. Dann wurden wir gezählt und zurück in die Waggons eingepfercht. Unterwegs haben wir einen Schlitz in die Wand zwischen den Waggons geschnitten und abwechselnd „nach Luft geschnappt“ - in den Schlitz geatmet“, so beschreibt Gennadi Woronez die Schrecken der Gefangenschaft.
Manche Kriegsgefangene wurden von den Dorfbewohnern gerettet. Man gab sie für Brüder oder gar Ehemänner aus. Doch die meisten Gefangenen mussten sich mit einem tragischen Schicksal abfinden.
Befreiung nicht erlebt
Die Partei- und Komsomolgruppe, angeführt von Michail Ignatow und Alexander Klimko, bildete das Zentrum des Lidaer Untergrunds. Seine Mitglieder haben den Deutschen auf jede erdenkliche Weise geschadet: Sie streuten Sand in den Treibstoff, legten Magnetminen unter die Züge. Eines Tages sprengten sie sogar ein Benzinlager und eine Drehscheibe in die Luft. Den Untergrund-Kämpfern gelang es sogar, ein Eisenbahndepot und eine Fabrik zur Herstellung von Bunkern und Unterständen in Brand zu setzen. Sie leisteten auch Aufklärungsarbeit: Sie informierten die Partisanen über die Abfahrt und Ankunft deutscher Militärzüge.

„Sogar Kinder wurden in den Kampf gegen den Feind einbezogen. Wir haben in unserem Museum einen Korb, der vor dem Krieg als Schulranzen verwendet wurde. Als Lida besetzt wurde, trugen die Kinder darin Minen und Flugblätter. Sie versteckten sie am Boden, bedeckten sie mit Lumpen und legten ein Stück Schmalz oben drauf. Bei der Inspektion nahmen die Deutschen das Schmalz, sahen aber in der Regel nicht unter die Lumpen“, erzählt die stellvertretende Museumsleiterin.
Ende 1943 waren in Lida bereits vier Untergrundgruppen tätig: Neben der Gruppe, die Sabotageakte an der Eisenbahn verübte, arbeiteten die Patrioten in den Flugzeugwerkstätten, im deutschen Krankenhaus und im Gebietskommissariat.
„Die Untergrundkämpfer beschafften und übergaben den Partisanen Formulare und Medikamente, Informationen über Operationen, die die Deutschen vorbereiteten. Eines Tages hat die Untergrundkämpferin Maria Kostromina, die der deutschen Sprache ein bisschen mächtig war, einem Gespräch gelauscht. Die Deutschen planten einen Hinterhalt auf die Partisanen. Das brave Mädchen mischte ein Abführmittel in die Getränke der Feinde unter. Der Überfall fand nicht statt. Das Mädchen wurde nicht geschnappt, sie konnte sich rechtzeitig bei den Partisanen retten“, erzählte Natalja Chotjanowitsch.
Nicht weniger wichtig war die Propagandaarbeit des Untergrunds. Nachdem sie einen Empfänger bekommen hatten, hörten sie sich die Berichte von Sowinformbüro an, die sie dann aufschrieben, Kopien anfertigten und als Flugblätter in den Straßen verteilten. Als das Papier knapp wurde, kamen die Tapeten zum Einsatz. Kinder rissen sie von den Wänden in den zerstörten Häusern ab. Außerdem wurde die Untergrundzeitung „Uperad“ (Vorwärts) herausgegeben, die oft auf Blättern aus Schulheften gedruckt wurde. Dort wurden Meldungen des Sowjetischen Informationsbüros gedruckt, Befehle des Oberbefehlshabers sowie Angaben zur Lage an der Front und zu den Aktionen der Partisanen.
Einer der größten Sabotageakte in Lida fand am 14. März 1943 statt. Dank der Hilfe von Partisanen gelang es den Untergrundkämpfern, ein Kraftwerk in die Luft zu jagen. Die Deutschen waren wütend, weil dadurch die Arbeit aller wichtigen feindlichen Einrichtungen, einschließlich des Bahnhofs, des Depots, der Panzerwerkstätten und des Flugplatzes, lahmgelegt war. Die Besatzer versprachen eine hohe Belohnung für die Informationen über den Bombenleger, aber es gab keine Verräter.
Die Untergrundkämpfer haben die Befreiung nicht erlebt
„Am 4. Mai 1944 gelang es den Agenten der Abwehrgruppe 307, eine Verbindungsfrau des Partisanenkommandos „Baltijez“ festzunehmen. Sie wurde brutal gefoltert und verriet die Treffpunkte der Untergrundkämpfer. Fast alle Untergrundkämpfer wurden gefangen genommen. Michail Ignatow wurde am 23. Juni im Gefängnishof erschossen, die anderen wurden in den Außenbezirk von Lida gebracht und am 3. Juli erschossen. Das geschah 5 Tage vor der Befreiung der Stadt durch die Rote Armee“, sagte Natalja Chotjanowitsch.
Ungeachtet dieser Tragödie kämpfte der verbliebene Untergrund weiter. Junge Leute, die auf dem Flugplatz arbeiteten, fertigten eine detaillierte Karte des Gebiets an und markierten darauf alle wichtigen Objekte. Dank dieser Karte konnten unsere Luftstreitkräfte die feindlichen Flugzeuge genau angreifen. Eine Kopie des Plans wird heute im Museum aufbewahrt. Lida wurde am 8. Juli 1944 innerhalb von drei Stunden praktisch ohne Verluste und Widerstand vollständig befreit. Der Feind wurde von drei Reiterregimentern aus der Stadt vertrieben.
Für ihren Mut und ihre Tapferkeit im Kampf gegen die Nazis während des Großen Vaterländischen Krieges wurden am 10. Mai 1965 die Lidaer Untergrundkämpfer Michail Ignatow, Alexander Klimko, Anatoli Kotschan, Matrena Nakasnych, Maria Kostromina, Leonid Cholewinski und Leonid Kudatschew posthum mit dem Orden des Vaterländischen Krieges ersten Grades ausgezeichnet.
Das Geschichts- und Kunstmuseum von Lida bewahrt viele einzigartige Exponate aus dem Großen Vaterländischen Krieg auf. Eines davon ist die Fahne des Dorfrates Radiwonischki, die der Vorsitzende Wiktor Sapego in einem Krug versteckte und in der Erde vergrub, als die Deutschen kamen. Wiktor Martynowitsch starb 1944, aber seine Verwandten gaben die Hoffnung nicht auf, diese Fahne zu finden. Sie fanden sie nach 30 Jahren. Das verfallene Banner und Teile des Krugs sind heute im Museum zu sehen.
Die Straßen tragen ihre Namen:
L. Beda Straße
Sowjetischer Pilot, Generalleutnant der Luftfahrt, zweimaliger Held der Sowjetunion. Leonid Beda flog seine ersten Kampfeinsätze in der Nähe von Stalingrad im Jahr 1942, nachdem er die Militärfliegerschule in Tschkalow absolviert hatte. Er nahm an der Befreinung des Minsker Kessels teil, an der Überwindung der Flüsse Beresina und Neman. Er befreite die baltischen Staaten und Polen. Bis April 1944 absolvierte er 109 Kampfeinsätze. Er beendete den Krieg im Rang eines Garde-Majors. Er nahm an den Kämpfen um die Befreiung von Lida teil und war auf dem Flugplatz von Lida stationiert. Nach dem Krieg setzte er seinen Dienst in den Luftstreitkräften der UdSSR fort. Er befehligte ein Regiment, eine Division und die Luftstreitkräfte des belarussischen Militärbezirks des Roten Banners. Tragischerweise starb er am 26. Dezember 1976 bei einem Autounfall. Es war Ehrenbürger von Lida.
Brikel Straße
Generalmajor, Held der Sowjetunion. Pawel Brikel zog in den Krieg als Regimentskommandeur am 22. Juni 1941 in der Nähe der Stadt Rawa-Russkaja. Den Siegestag des 9. Mai 1945 feierte er als Divisionskommandeur an der Elbe. Er nahm an den Schlachten an der Südwest-, Don-, Stalingrad-, Süd-, Steppen-, West-, 1. und 2. baltischen, 2. und 3. weißrussischen Fronten teil. Er verteidigte die Städte Kiew, Stalingrad, Moskau, nahm an den Operationen auf Beresina und in Berlin teil. Zweimal wurde er verwundet. Für die Befreiung von Lida und Grodno erhielt die Division den Namen „Grodnenskaja“, das 23. Kavallerieregiment erhielt den Namen „Lidski“. Nach dem Krieg war er Leiter des Militärgestüts Dubovsky Nr. 1. Demobilisiert im Jahr 1950. Ehrenbürger von Lida.
Ignatow Straße
Michail Ignatow wurde 1910 in der Region Lipezk geboren. Er absolvierte 5 Klassen und bekam Arbeit in einer Kolchose, später arbeitete er bei der Eisenbahn als Schaffner und Lokführer im Lokomotivdepot. Im Jahr 1939 wurde er zur Arbeit nach Lida geschickt. Im April 1942 gründete Michail Nikolajewitsch Ignatow auf dem Bahnhof von Lida eine Untergrundgruppe, der junge Patrioten und sowjetische Kriegsgefangene angehörten. Ab August 1943 war er Verbindungsmann der Partisaneneinheiten „Iskra“ und „Baltijez“ der Kirow-Brigade. Im Mai 1944 wurde er verhaftet und am 23. Juni auf dem Gefängnishof erschossen. Posthum wurde er mit dem Orden des Vaterländischen Krieges 1. Klasse ausgezeichnet.
Julia Gawrilenko,
Zeitung „7 Tage“
In der Morgendämmerung des 22. Juni 1941 wurden die Einwohner von Lida durch das Dröhnen von Flugzeugen geweckt. Ehe die Menschen es bemerken konnten, hagelte es Bomben auf die Stadt. In den ersten Tagen wurde die alte Stadt fast vollständig zerstört. Die massiven Luftangriffe hörten fünf Tage lang nicht auf, und im Massengrab der Opfer der ersten Kriegstage ruhen mehr als 800 Menschen. Viele junge Leute, die den traditionellen Schulabschluss kurz vor Sonnenaufgang feierten, kehrten nicht mehr nach Hause zurück. Eine der feindlichen Bomben traf einen Personenzug und zerstörte drei Waggons vollständig ...
Kinder wurden vor den Augen ihrer Mütter auf Bajonette geworfen
Am Morgen des 27. Juni war Lida vollständig besetzt. Die Faschisten fingen sofort an, ihre „neue“ Ordnung herzustellen. Alle Gebäude, die die Bombardierung überstanden hatten, wurden ihren Bedürfnissen angepasst: Das Gebäude in der Kirow-Straße wurde in ein Gebietskommissariat umgewandelt. In einer der Schulen wurde die Gestapo beherbergt, in einer anderen befand sich ein deutsches Krankenhaus. Die Druckerei wurde in das Gefängnis umfunktioniert. In der Nordstadt und auf den Ruinen der Burg richtete man ein Kriegsgefangenenlager ein.
"Auf Säulen und Plakatwänden waren die Befehle und Anweisungen der Besatzer zu lesen. Wer sie verletzte, dem drohte die Erschießung. Die Menschen durften nachts nicht auf die Straße gehen und sich nicht in Gruppen versammeln. Für Juden, die vor dem Krieg mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung von Lida ausmachten, wurden mehrere Ghettos eingerichtet. Es war ihnen verboten, auf dem Bürgersteig zu gehen und ohne gelbe Markierungen an der Kleidung zu erscheinen. Wer sich nicht daran hielt, wurde ebenfalls erschossen. Diejenigen, die dazu noch in der Lage waren, wurden verpflichtet, für die Besatzer zu arbeiten. Juden arbeiteten auf der Eisenbahn, räumten Trümmer auf und bereiteten Holz auf. Für ihre Arbeit erhielten sie Suppe aus verfaulten Kartoffeln und ein kleines Stück Brot“, sagt Natalja Chotjanowitsch, stellvertretende Direktorin des Museums für Geschichte und Kunst in Lida.
Für 6.000 Juden war am 8. Mai 1942 alles zu Ende: Im Morgengrauen wurden die Menschen aus dem Ghetto in Gruppen aufgeteilt, und die größte Gruppe, zu der auch Frauen, Kinder und alte Menschen gehörten, wurde in Richtung der Nordstadt getrieben.
„Die Faschisten haben Gruben im Voraus vorbereitet. Sie brachten 100 Menschen dorthin, zwangen sie, sich zu entkleiden, und erschossen sie dann. Zuerst wurden die Kinder getötet. Einige von ihnen wurden vor den Augen ihrer Mütter auf Bajonette geworfen. Als die Frauen das sahen, rissen sie sich die Haare aus und schrien, so dass die Überlebenden dieses Geräusch mit dem Brüllen eines Tieres verglichen“, schildert Natalja Chadonowitsch die schrecklichen Fakten.
Nachdem sie die Leichen mit Erde überworfen hatten, zogen die Faschisten ab. Als sie am Morgen zum Ort der Hinrichtung zurückkehrten, waren sie entsetzt: Die Erde bewegte sich - es waren Menschen, die überlebt haben und versuchten, aus der Grube herauszukriechen. Dann holten die Besatzer die Einwohner benachbarter Dörfer und befahlen ihnen, die Gruben mit noch mehr Erde zu bedecken.
„Nur wenigen Verwundeten gelang es, aus der Grube zu entkommen. Im August 1944, nach der Befreiung der BSSR, wandten sich fünf Personen an die sowjetischen Behörden und erzählten die Geschichte der Erschießung der Juden von Lida. Eine Kopie der Akte über die Gräueltaten der Nazis in unserem Bezirk wird im Museum aufbewahrt“, sagt Natalja Chotjanowitsch.
Die Menschen schnappten nach Luft, und die Deutschen erschossen sie
Nachdem die Faschisten den Kreis Lida besetzt hatten, begannen sie sofort, nicht nur ein Ghetto, sondern auch ein Durchgangslager für Kriegsgefangene einzurichten. Es lag im Hof eines alten Schlosses. Sowjetische Soldaten und Kommandeure, die in der Umgebung von Lida und in östlichen Gebieten gefangen genommen wurden, wurden in Kolonnen hierher gebracht. Waren es am 4. Juli 1941 noch 2600 Menschen im Dulag Nr. 155, so waren es am 26. Juli bereits 3000 gefangene.
„Heute sehen wir das Schloss Lida nach dem Wiederaufbau. Vor dem Großen Vaterländischen Krieg lag der Schloss in den Ruinen. Die Türme waren zerstört und die Mauerreste eingemottet, und man konnte ungehindert in das Gebiet eindringen. Das reichte den Deutschen. Nachdem sie entlang der verbliebenen Mauern im Burghof Schuppen gebaut und das Gelände mit Stacheldraht umzäunt hatten, wurden die Gefangenen hierher getrieben“, erzählt die stellvertretende Museumsdirektorin.
Im Lager wurden acht Gruppen je 250 Personen gebildet, die auf dem Flugplatz, im Versorgungsdepot und im Bahnhof arbeiten sollten.
„Diese Menschen wurden unter schrecklichen Bedingungen gehalten. Oft durften sie nicht trinken, viele von ihnen hatten weder Kessel noch Flaschen, wo sie sich wenigstens irgendwelche Brühe zubereiten konnten. Und dann zogen die Häftlinge ihre Stiefel aus, ihre Mützen - kurzum, alles, wo man Brühe eingießen konnte“, sagte Natalja Chotjanowitsch.
Einer der Gefangenen im Dulag Lida war Rotarmist Gennadi Woronez. Er und seine Kameraden gerieten am 4. Juli 1941 in die Umzingelung. Zwei Tage lang hielten die Faschisten ihn in einer Scheune gefangen, dann schlossen sie ihn einer großen Gefangenenkolonne an und trieben ihn über die Autobahn von Minsk nach Lida. Nach den Erinnerungen von Gennadi Antonowitsch befanden sich etwa tausend Menschen in der Kolonne. Sie alle wurden in die Festung gebracht.
„Man hat sich Zeit genommen, um die Namen, Geburtsort, Dienstgrad und Militäreinheit der Gefangenen aufzuschreiben. Jeder log so gut er konnte, sogar Vor- und Nachnamen waren falsch..... Wir wurden für kurze Zeit in Lida festgehalten, ich glaube, für zwei oder drei Tage. Dann wurden wir in Güterwaggons je 100 Personen verladen und irgendwohin gebracht. Unter den Gefangenen gab es viele Kranke und Verwundete. Es gab keinen Platz zum Liegen oder Sitzen, nur zum Stehen. Überall war alles fest verschlossen und mit Brettern verrammelt. Die Menschen begannen zu ersticken. Auf unsere Rufe „Atmen!“ antworteten die Deutschen mit Maschinengewehren – sie schossen auf die Waggons. In unserem Waggon wurden viele Soldaten verwundet. Viele verloren vor Erschöpfung das Bewusstsein. Irgendwann in der Mitte der Fahrt hielt der Zug an, wir durften aus den Waggons aussteigen. Ein kleines Feld war von deutschen Maschinengewehrschützen dicht abgesperrt. Einige Gefangene liefen von den Waggons weg und wurden erschossen. Dann wurden wir gezählt und zurück in die Waggons eingepfercht. Unterwegs haben wir einen Schlitz in die Wand zwischen den Waggons geschnitten und abwechselnd „nach Luft geschnappt“ - in den Schlitz geatmet“, so beschreibt Gennadi Woronez die Schrecken der Gefangenschaft.
Manche Kriegsgefangene wurden von den Dorfbewohnern gerettet. Man gab sie für Brüder oder gar Ehemänner aus. Doch die meisten Gefangenen mussten sich mit einem tragischen Schicksal abfinden.
Befreiung nicht erlebt
Lida war für die Deutschen ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt. So ist es nicht verwunderlich, dass die ersten Sabotageaktionen der Partisanen auf die Eisenbahn verübt wurden.
„Sogar Kinder wurden in den Kampf gegen den Feind einbezogen. Wir haben in unserem Museum einen Korb, der vor dem Krieg als Schulranzen verwendet wurde. Als Lida besetzt wurde, trugen die Kinder darin Minen und Flugblätter. Sie versteckten sie am Boden, bedeckten sie mit Lumpen und legten ein Stück Schmalz oben drauf. Bei der Inspektion nahmen die Deutschen das Schmalz, sahen aber in der Regel nicht unter die Lumpen“, erzählt die stellvertretende Museumsleiterin.
Ende 1943 waren in Lida bereits vier Untergrundgruppen tätig: Neben der Gruppe, die Sabotageakte an der Eisenbahn verübte, arbeiteten die Patrioten in den Flugzeugwerkstätten, im deutschen Krankenhaus und im Gebietskommissariat.
„Die Untergrundkämpfer beschafften und übergaben den Partisanen Formulare und Medikamente, Informationen über Operationen, die die Deutschen vorbereiteten. Eines Tages hat die Untergrundkämpferin Maria Kostromina, die der deutschen Sprache ein bisschen mächtig war, einem Gespräch gelauscht. Die Deutschen planten einen Hinterhalt auf die Partisanen. Das brave Mädchen mischte ein Abführmittel in die Getränke der Feinde unter. Der Überfall fand nicht statt. Das Mädchen wurde nicht geschnappt, sie konnte sich rechtzeitig bei den Partisanen retten“, erzählte Natalja Chotjanowitsch.
Nicht weniger wichtig war die Propagandaarbeit des Untergrunds. Nachdem sie einen Empfänger bekommen hatten, hörten sie sich die Berichte von Sowinformbüro an, die sie dann aufschrieben, Kopien anfertigten und als Flugblätter in den Straßen verteilten. Als das Papier knapp wurde, kamen die Tapeten zum Einsatz. Kinder rissen sie von den Wänden in den zerstörten Häusern ab. Außerdem wurde die Untergrundzeitung „Uperad“ (Vorwärts) herausgegeben, die oft auf Blättern aus Schulheften gedruckt wurde. Dort wurden Meldungen des Sowjetischen Informationsbüros gedruckt, Befehle des Oberbefehlshabers sowie Angaben zur Lage an der Front und zu den Aktionen der Partisanen.
Einer der größten Sabotageakte in Lida fand am 14. März 1943 statt. Dank der Hilfe von Partisanen gelang es den Untergrundkämpfern, ein Kraftwerk in die Luft zu jagen. Die Deutschen waren wütend, weil dadurch die Arbeit aller wichtigen feindlichen Einrichtungen, einschließlich des Bahnhofs, des Depots, der Panzerwerkstätten und des Flugplatzes, lahmgelegt war. Die Besatzer versprachen eine hohe Belohnung für die Informationen über den Bombenleger, aber es gab keine Verräter.
Die Untergrundkämpfer haben die Befreiung nicht erlebt
„Am 4. Mai 1944 gelang es den Agenten der Abwehrgruppe 307, eine Verbindungsfrau des Partisanenkommandos „Baltijez“ festzunehmen. Sie wurde brutal gefoltert und verriet die Treffpunkte der Untergrundkämpfer. Fast alle Untergrundkämpfer wurden gefangen genommen. Michail Ignatow wurde am 23. Juni im Gefängnishof erschossen, die anderen wurden in den Außenbezirk von Lida gebracht und am 3. Juli erschossen. Das geschah 5 Tage vor der Befreiung der Stadt durch die Rote Armee“, sagte Natalja Chotjanowitsch.
Ungeachtet dieser Tragödie kämpfte der verbliebene Untergrund weiter. Junge Leute, die auf dem Flugplatz arbeiteten, fertigten eine detaillierte Karte des Gebiets an und markierten darauf alle wichtigen Objekte. Dank dieser Karte konnten unsere Luftstreitkräfte die feindlichen Flugzeuge genau angreifen. Eine Kopie des Plans wird heute im Museum aufbewahrt. Lida wurde am 8. Juli 1944 innerhalb von drei Stunden praktisch ohne Verluste und Widerstand vollständig befreit. Der Feind wurde von drei Reiterregimentern aus der Stadt vertrieben.
Für ihren Mut und ihre Tapferkeit im Kampf gegen die Nazis während des Großen Vaterländischen Krieges wurden am 10. Mai 1965 die Lidaer Untergrundkämpfer Michail Ignatow, Alexander Klimko, Anatoli Kotschan, Matrena Nakasnych, Maria Kostromina, Leonid Cholewinski und Leonid Kudatschew posthum mit dem Orden des Vaterländischen Krieges ersten Grades ausgezeichnet.
Das Geschichts- und Kunstmuseum von Lida bewahrt viele einzigartige Exponate aus dem Großen Vaterländischen Krieg auf. Eines davon ist die Fahne des Dorfrates Radiwonischki, die der Vorsitzende Wiktor Sapego in einem Krug versteckte und in der Erde vergrub, als die Deutschen kamen. Wiktor Martynowitsch starb 1944, aber seine Verwandten gaben die Hoffnung nicht auf, diese Fahne zu finden. Sie fanden sie nach 30 Jahren. Das verfallene Banner und Teile des Krugs sind heute im Museum zu sehen.
Die Straßen tragen ihre Namen:
L. Beda Straße
Sowjetischer Pilot, Generalleutnant der Luftfahrt, zweimaliger Held der Sowjetunion. Leonid Beda flog seine ersten Kampfeinsätze in der Nähe von Stalingrad im Jahr 1942, nachdem er die Militärfliegerschule in Tschkalow absolviert hatte. Er nahm an der Befreinung des Minsker Kessels teil, an der Überwindung der Flüsse Beresina und Neman. Er befreite die baltischen Staaten und Polen. Bis April 1944 absolvierte er 109 Kampfeinsätze. Er beendete den Krieg im Rang eines Garde-Majors. Er nahm an den Kämpfen um die Befreiung von Lida teil und war auf dem Flugplatz von Lida stationiert. Nach dem Krieg setzte er seinen Dienst in den Luftstreitkräften der UdSSR fort. Er befehligte ein Regiment, eine Division und die Luftstreitkräfte des belarussischen Militärbezirks des Roten Banners. Tragischerweise starb er am 26. Dezember 1976 bei einem Autounfall. Es war Ehrenbürger von Lida.
Brikel Straße
Generalmajor, Held der Sowjetunion. Pawel Brikel zog in den Krieg als Regimentskommandeur am 22. Juni 1941 in der Nähe der Stadt Rawa-Russkaja. Den Siegestag des 9. Mai 1945 feierte er als Divisionskommandeur an der Elbe. Er nahm an den Schlachten an der Südwest-, Don-, Stalingrad-, Süd-, Steppen-, West-, 1. und 2. baltischen, 2. und 3. weißrussischen Fronten teil. Er verteidigte die Städte Kiew, Stalingrad, Moskau, nahm an den Operationen auf Beresina und in Berlin teil. Zweimal wurde er verwundet. Für die Befreiung von Lida und Grodno erhielt die Division den Namen „Grodnenskaja“, das 23. Kavallerieregiment erhielt den Namen „Lidski“. Nach dem Krieg war er Leiter des Militärgestüts Dubovsky Nr. 1. Demobilisiert im Jahr 1950. Ehrenbürger von Lida.
Ignatow Straße
Michail Ignatow wurde 1910 in der Region Lipezk geboren. Er absolvierte 5 Klassen und bekam Arbeit in einer Kolchose, später arbeitete er bei der Eisenbahn als Schaffner und Lokführer im Lokomotivdepot. Im Jahr 1939 wurde er zur Arbeit nach Lida geschickt. Im April 1942 gründete Michail Nikolajewitsch Ignatow auf dem Bahnhof von Lida eine Untergrundgruppe, der junge Patrioten und sowjetische Kriegsgefangene angehörten. Ab August 1943 war er Verbindungsmann der Partisaneneinheiten „Iskra“ und „Baltijez“ der Kirow-Brigade. Im Mai 1944 wurde er verhaftet und am 23. Juni auf dem Gefängnishof erschossen. Posthum wurde er mit dem Orden des Vaterländischen Krieges 1. Klasse ausgezeichnet.
Julia Gawrilenko,
Zeitung „7 Tage“