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13 November 2024, 10:00

„Sie glaubten an Parademarsch im besiegten Berlin“. Geschichten von Soldaten und Partisanen, die bei Lepel kämpften

Während des Großen Vaterländischen Krieges kämpften Stadt- und Dorfbewohner aus ganz Belarus gegen den Feind und brachten den Sieg näher. Sechsunddreißig Ortschaften wurden besonders ausgezeichnet und später mit den Wimpeln "Für Mut und Tapferkeit im Großen Vaterländischen Krieg" geehrt. Diese Insignien wurden am 6. Oktober 2004 durch einen Erlass des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko anlässlich des 60. Jahrestages der Befreiung der Republik von den Nazi-Invasoren eingeführt. Hinter jeder der 36 Zitadellen der Tapferkeit verbirgt sich eine erstaunliche Geschichte von Mut, Heldentum und dem Glauben an den Großen Sieg.

Wir werden darüber in unserem neuen Projekt erzählen, das zum 80. Jahrestag der Befreiung von Belarus von den Nazis erscheint. Der neue Ort in dieser Liste ist Lepel.

Als die Kadetten der Mörserschule den Befehl erhielten, Lepel zu verteidigen, hatten sie 16 Gewehre für 37 Mann, 15 Patronen, zwei Granaten pro Person, einen Mörser und ein paar Maschinengewehre pro Zug. Aber die Jungen zogen ihre neuen Uniformen an, die sie für den Urlaub genäht bekommen hatten, weil sie glaubten, dass sie sie bald durch das besiegte Berlin in einem Parademarsch vorbeiziehen werden. 

Die ersten Tage des Krieges

Es war ein sonniger Sonntag, der 22. Juni 1941. Die Kadetten der Mörserschule in Lepel wurden beurlaubt und gingen in die Stadt. Für Nikolai Butkewitsch, den stellvertretenden Chef der Artillerie, war dieser Tag etwas Besonderes. Unmittelbar nach der Eröffnung des Standesamtes trat der Offizier mit seiner Braut, der Englischlehrerin Nina Rybtschinskaja, über die Schwelle des Gebäudes. 

Das frisch vermählte Ehepaar begab sich auf den zentralen Platz, wo die Bürger auf die Ansprache des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten der UdSSR Wjatscheslaw Molotow warteten.

„Heute, um 4 Uhr morgens…“ Molotows Stimme ertönte aus den Lautsprechern, und ein Raunen ging durch die Menge.

Am 26. Juni, als die Kämpfe bereits in der Nähe von Minsk stattfanden, erhielt die Mörserschule den Befehl, Lepel und die Umgebung zu verteidigen - bis zur vollständigen Evakuierung der Munition aus den Militärlagern, die sich am Kilometer 116 und in Borowka befanden. Die Verteidigungslinie betrug 80 km. Es gab keine anderen militärischen Einheiten, weder aus dem Süden noch aus dem Norden.

„In der Schule waren Jungs, manche waren erst 18 Jahre alt geworden“, sagt Direktorin des Heimatmuseums Lepel Alina Stelmach. „Einige Schüler hatten erst sieben, andere bereits 11 Monate Schule hinter sich.“

Tatsächlich wurde Lepel von Kadetten der Mörserschule (etwa 1600 Personen) und der Infanterieschule Vilnius sowie von Kämpfern der 103. Panzerabwehrdivision und des 87. Kavallerieregiments verteidigt. Alles in allem mehrere tausend Mann. 
Wie sich der ehemalige Kadett Nikolai Kros nach dem Krieg erinnerte, hatten die Militärschüler anfangs 16 Gewehre und 15 Patronen für 37 Personen. Jeder von ihnen hatte zwei Granaten, einen Mörser und mehrere Maschinengewehre pro Zug. Aber die Kadetten zogen eine neue, für die Ferien genähte Uniform an - sie glaubten, dass sie in ein paar Wochen im besiegten Berlin damit protzen würden.

Panzer greifen Batterie an!

Der Befehl, die Kadetten zu bewaffnen und Mörser auszugeben, kam erst am 2. Juli. Am selben Tag wurde das Einberufungsbüro in Lepel zerbombt, und alle Wehrpflichtigen wurden dort getötet. Die ersten Opfer gab es unter der Zivilbevölkerung. Am Abend zogen sich die Reste des 13. Grenzschutzkommandos mit Kämpfen in die Stadt zurück.

Den ganzen Tag des 3. Juli wehrten Kämpfer der Mörserschule Lepel unter ständigen Luftangriffen feindliche Attacken ab. Die Deutschen änderten ständig die Richtung ihrer Angriffe, und unsere Offiziere vom Gefechtsstand meldeten ständig: „Panzer greifen die Batterie an!“. Daraufhin wurde die Zielrichtung geändert und ein Hagel von Minen fiel auf die Deutschen.

Mit den Mörser war es gelungen, den Frontalangriff des Feindes zu stoppen. Er änderte seine Taktik und begann, die Stadt zu umzingeln. Die Kadetten und Militäreinheiten, die Lepel verteidigten, erhielten den Befehl, sich auf das Nordufer der westlichen Dwina zurückzuziehen und dort die Verteidigung zu übernehmen. Diejenigen, die zurückblieben, schossen bis zur letzten Patrone...  

Dank des verzweifelten Widerstands konnte der größte Teil der Munition ausgeführt werden. Der Rest wurde angezündet. In den brennenden Lagerhäusern explodierten Granaten, das Öldepot stand in Flammen, auf den Militärflugplätzen brannte und explodierte die Ausrüstung. Vor dem Hintergrund der brennenden Stadt zogen die letzten Verteidiger von Lepel nach Osten ab.

Generalmajor Boris Terpilowski, der den Rückzug anordnete, wurde kurz danach verhaftet. Im Dezember 1941 wurde er vom Militärgericht "wegen unbefugter Aufgabe der Verteidigungslinie in der Nähe der Stadt Lepel und an der westlichen Dwina" zur Hinrichtung verurteilt. Im Jahr 1942 wurde er begnadigt - Terpilowski kehrte an die Front zurück.

Eine dreiste Operation 

„In Lepel gab es sieben Untergrundgruppen“, erzählt Alina Stelmach. „Insgesamt gab es im Umkreis mehr als 30 Gruppen. Mehrmals wurden fast alle Untergrundmitglieder verhaftet und hingerichtet. Nur einigen gelang die Flucht in die Wälder.“

Im Herbst 1943 erhielten die Partisanen der Region Witebsk den Befehl, „mit einem Schlag die Garnisonen in Lepel, Tschaschniki, Kamen zu vernichten und den Kreis vollständig von den Nazis zu befreien. So begann die größte Partisanenoperation - die Lepel Offensive. 
Warum war es notwendig, Lepel zu erobern? Es gab mehrere Ziele: man wollte die feindlichen Kräfte von der Kalinin Front abziehen, die Kommunikationen zwischen Lepel und Borissow, Orscha und Witebsk lahm zu legen und die geplante Strafoperation gegen die Partisanen zu verhindern. Inzwischen war Lepel ein fester Ort: hier befanden sich die Truppen der 3. Panzerarmee und der SS-Division RONA.

An der Lepeler Offensive waren 21 Partisanenbrigaden mit einer Gesamtstärke von 30 bis 40 Tausend Mann beteiligt. Fünf Brigaden stürmten die Stadt Lepel. 

„Die Offensive wurde ohne Luftunterstützung und ohne schwere Waffen durchgeführt. Die Kommunikation zwischen den Brigaden erfolgte mit Hilfe von berittenen Boten“, sagt Alina Stelmach. 

In der Nacht zum 20. Oktober 1943 beschlagnahmten Partisanen, die mit Panzerabwehrgranaten und Molotowcocktails bewaffnet waren, die Maschinen- und Traktorenstation und den Bahnhof und brannten sie nieder. Dann rückten die Angriffsgruppen in die Stadt ein, zerstörten das Kommunikationszentrum und drangen in das Zentrum vor, wo es zu blutigen Kämpfen kam. Dann folgte der Rückzug - die Kräfte waren ungleich verteilt. In der Nacht zum 21. Oktober stürmten die Brigaden erneut Lepel. 
Während der Operation erlitten die Deutschen einen schweren Schaden, die Strafaktionen wurden vereitelt, die Partisanenzone wurde erheblich ausgeweitet, und die 3. Panzerarmee musste zurückziehen.

Partisanengebiet 

Ende 1943 erstreckte sich die Partisanenzone Polozk-Lepel über die Kreise Uschatschi, teilweise Polozk, Lepel, Dokschizy und über einige Kreise des Gebiets Witebsk. Die Fläche betrug 3245 Quadratkilometer mit 1220 Siedlungen, in denen etwa 80 Tausend Menschen lebten.

„Hier wurde die sowjetische Macht wiederhergestellt“, sagt Alina Stelmach. „Das Gebiet wurde zum Stützpunkt und Rückzugsgebiet der Partisanen. Sie haben dort Flugplätze und Landeplätze eingerichtet und erhielten Waffen, Munition und Medikamente aus dem Hinterland geliefert. Seit Herbst 1943 operierten 16 Partisanenbrigaden in dieser Zone.

Im April 1944 begannen die Nazis mit „Frühlingsfest“ eine Antipartisanenoperation in der Zone Polozk-Lepel. Für den Kampf gegen 17,5 Tausend Partisanen setzten sie rund 60 Tausend Soldaten ein. Die harten Kämpfe dauerten 25 Tage an. Mehrere Wochen lang wurde die kreisförmige Verteidigungslinie von 230 km auf 20 km reduziert. 
Am Abend des 4. Mai gingen Partisanengruppen unter feindlichem Beschuss zum Durchbruch über das Feld ... Dabei wurden 1,5 Tausend Menschen getötet, aber es gelang vielen, sich aus der Umzingelung zu befreien. Bis zur Befreiung des Kreises Lepel blieben nur noch wenige Wochen.

Am Morgen des 28. Juni drangen Panzer der 10. Panzerbrigade mit einem Trupp von Maschinengewehrschützen und Kämpfern der 7. mechanisierten Gardebrigade von Süden und Osten in die Stadt Lepel ein. Um 15.00 Uhr des 28. Juni war die Stadt befreit.

Lange Suche

In der N.-M.-Pschonko-Schule in Sloboda gibt es ein Heimatmuseum. Unter den Mitgliedern des Dorfrates gibt es keine Veteranen, aber die Arbeit zur Verewigung der Erinnerung an die Helden wird fortgesetzt. 

Zu Beginn des Krieges zogen zwei Brüder Pschonko aus Sloboda an die Front. Beide wurden im Kampf vermisst. Die Mutter, die mehr als 100 Jahre alt wurde, wartete ihr Leben lang auf das Knarren der Tür in der Hoffnung, wenigsten einen der Söhne, Nikolai, wieder zu sehen. Sie wartete vergeblich und starb 1991. Aber die Volontäre mit dem Geschichtslehrer Waleri Tuchto an der Spitze gaben nicht auf. Sus dem russischen Gelendschik kam die Nachricht: Nikolais Flugzeug wurde auf dem Meeresgrund gefunden. Die sterblichen Überreste des Piloten kehrten nach Belarus zurück - der gebürtige Lepeler wurde neben seiner Mutter beigesetzt.

Die Freiwilligen aus Sloboda halfen bei der Suche nach dem Grab von Nikolai Jessipowitsch, Partisan der Tschekisten-Brigade, der im Februar 1943 starb. Lange Zeit befand sich über dem Grab ein Holzschild mit der Aufschrift „Unbekannter Partisan“. Jetzt gibt es dort ein Denkmal.

Der stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees des Kreises Lepel Wiktor Asarjonok:

„Der Wimpel „Für Mut und Tapferkeit während des Großen Vaterländischen Krieges“, den der Präsident von Belarus der Stadt Lepel verliehen hat, ist eine hohe Auszeichnung für die unglaubliche Tapferkeit, die nicht nur die Kämpfer, sondern auch die Einwohner während des Großen Vaterländischen Krieges gezeigt haben. Die Namen der Partisanenkommandeure - Wladimir Lobanok, Alexej Danukalow, Fjodor Dubrowski und viele andere - sind in goldenen Buchstaben in die Geschichte der Region Lepel eingegangen. Und natürlich kommt dem Wimpel im Jahr des 80. Jahrestags der Befreiung von Belarus von den Nazis eine besondere Bedeutung zu.

Straßen tragen ihre Namen 

Margewitsch Straße 

Vera Margevich wurde 1922 im Dorf Gorjany bei Lepel geboren. Vor dem Krieg machte sie ihren Abschluss an der Kultur- und Bildungshochschule in Mogiljow. Von den ersten Tagen der Besatzung an beteiligte sich das Mädchen aktiv an der Arbeit des Untergrunds, schrieb Flugblätter und verteilte sie unter der Bevölkerung. Es gelang ihr, einige Flugblätter in die Tasche eines Polizisten zu stecken, der sie zum Tanzen aufforderte. Weras gesamte Familie beteiligte sich an der Untergrundarbeit. Nach einem Verrat ging Familie Margewitsch zu den Partisanen in die Dobow-Brigade. Wera kämpfte als Maschinengewehrschützin, trat der Partei bei und nahm an 40 Kampfeinsätzen teil. Wie sich ihre Kameraden später erinnerten, hatte Wera viel Mut, sie ging immer in voller Montur in den Angriff. Im Oktober 1943 nahm sie an der Erstürmung von Lepel teil. Nach der unausgesprochenen Regel wurden Frauen nicht zur Erstürmung der Siedlungen herangezogen, aber Wera konnte sie nicht Nein sagen. 

Politleiterin Margewitsch war in den ersten Reihen der Angreifer. Den Partisanen gelang es, den Bahnhof und die Kommandantur einzunehmen. Die Kämpfe verlagerten sich in das Zentrum von Lepel, wo Wera tödlich verwundet wurde. Ein Partisan, der in sie verliebt war, trug das blutende Mädchen aus der Stadt ins Dorf, aber für sie war es zu spät...

Wera Margewitsch wurde mit dem Lenin-Orden, dem Orden des Roten Sterns und dem Orden des Vaterländischen Krieges der II. Klasse ausgezeichnet. Im Jahr 1964 wurde die Grundschule in Bobrowo nach ihr benannt. Die Straßen in Lepel und im Agrarstädtchen Bobrowo tragen ihren Namen.

Danukalow Straße

Alexej Danukalow wurde 1916 im Gouvernement Samara in der Familie eines Saporoger Kosaken geboren. Er war ein Militärangehörige, Panzerfahrer und politischer Leiter. Er nahm am Gegenangriff auf Lepel vom 6. bis 9. Juli 1941 teil. Er geriet in einen Kessel, gründete Ende August 1941 die Partisaneneinheit Rodina (dt. Heimat), die aus den in den besetzten Gebieten verbliebenen Soldaten bestand. Später befehligte er die Brigade „Alexej“.

Die Brigade „Alexej“ zerschlug 22 deutsche Garnisonen, ließ 46 Züge entgleisen, sprengte 71 Brücken und 44 Bunker, zerstörte 5 Panzerfahrzeuge, 9 Panzer und 2 faschistische Flugzeuge. Auf Dunkalow wurde ein Kopfgeld im Wert von 100.000 Reichsmark ausgesetzt.
Im April 1944 begannen die Nazis die Strafoperation Frühlingsfest, wo sie Panzer und Flugzeuge einsetzten. Bei einem der feindlichen Luftangriffe wurde Alexej Danukalow tödlich verwundet. Seine Kameraden konnten nicht glauben, dass der legendäre Kommandeur gestorben war, und schickten Verbindungsleute, um die tragische Nachricht zu überprüfen. 

Am 15. August wurde der Partisanenkommandant posthum mit dem Titel Held der Sowjetunion ausgezeichnet. Die Mittelschule im Agrarstädtchen Weleschkowitschi, Straßen in Lepel, Witebsk, Liosno und Uschatschy tragen seinen Namen .

Bis Ende der 80er Jahre versammelten sich ehemalige Kampfkameraden am Todestag von Danukalow an seinem Grab und legten Blumen nieder.

Marunko Straße 

Anatoli Marunko wurde 1916 im Dorf Gubino, Lepel, geboren. Vor dem Krieg machte er seinen Abschluss an der Militärschule für Luftfahrttechniker. Von 1938 bis 1941 arbeitete er als Lehrer und später als Direktor der Schule in Starolepezk. Er unterrichtete Mathematik, aber es war sehr schwierig, bei ihm eine Eins zu bekommen.

Nach der Besetzung des Kreises Lepel beteiligte er sich aktiv an der Untergrundarbeit und schloss sich dann den Partisanen an. Im Frühjahr 1942 wurde er Kommissar der Partisaneneinheit Nr. 68. Anatoli Marunko gab nicht nur aktiv militärische Erfahrungen an junge Partisanen weiter, sondern blieb auch als einfühlsamer Mensch in Erinnerung, der immer Worte fand, um seine Kameraden zu ermutigen. Viele erinnerten sich daran, dass der ehemalige Schuldirektor ein Naturtalent als Lehrer hatte und ihnen beibrachte, den Feind nicht mit Gewalt, sondern mit List und Geschick zu besiegen. 

Im August 1942 wurde Marunko Kommissar der Partisaneneinheit Nr. 3 der Dubow-Brigade. Am 15. September wurde er zum zweiten Sekretär des Kreiskomitees der KP(b)B von Lepel gewählt. Er starb am 22. Dezember 1942 während der Schlacht um das strategisch wichtige Dorf Pyschno.

Die Schule in Starolepelsk und eine Straße in Lepel tragen seinen Namen. 

Autor: Alexej Gorbunow, Fotos von Sergej Scheleg und dem Heimatmuseum Lepel
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