Wenn wir über den Großen Vaterländischen Krieg sprechen, erwähnen wir meistens die Schlacht bei Kursk, die Operation Bagration, die Schlachten um Moskau, am Dnjepr oder von Stalingrad. Und nur selten erinnern wir uns beispielsweise an den hohen Norden. Aber der Krieg erreichte auch diese Region. Die Kämpfe oberhalb des Polarkreises waren so blutig, dass Murmansk zu einer von zwölf Städten wurde, denen aufgrund des massiven Heldentums und Mutes ihrer Einwohner der Titel „Heldenstadt“ verliehen wurde. Auch unsere Landsleute kämpften in der Arktis. Einer von ihnen, der Panzersoldat Wiktor Jaroschewitsch, wurde nicht nur mit der Medaille „Für die Verteidigung des sowjetischen Polargebiets” ausgezeichnet, sondern nahm auch an der berühmten Siegesparade 1945 teil.
Der Weg jedes Menschen führte durch den Krieg
Die Enkelin von Wiktor Jaroschewitsch habe ich letztes Jahr dank dem Projekt „Parade der Sieger: Geschichten und Namen” kennengelernt. Als stellvertretende Chefkuratorin des Belarussischen Staatlichen Museums für die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges erzählte Swetlana Pribysch unseren Lesern, wie die Vorbereitungen für die Parade verliefen und welche Rolle unsere Landsleute dabei spielten. Als das Interview beendet war, das Aufnahmegerät ausgeschaltet war und ich schon gehen wollte, fügte Svetlana bescheiden hinzu: „Mein Großvater hat auch an dieser Parade teilgenommen, aber leider weiß ich nur sehr wenig über seinen Weg.”
Fast ein Jahr später trafen wir Swetlana erneut. Diesmal, um mehr über die Geschichte ihrer Familie zu erfahren.
„Dass mein Großvater am 24. Juni 1945 in Moskau an der Siegesparade teilgenommen hatte, erfuhr ich, als ich bereits im Belarussischen Staatlichen Museum für die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges arbeitete“, gesteht Swetlana Pribysch. „Beim Studium der Materialien aus den Beständen des Museums sowie verschiedener Literatur über diese berühmte Parade, die in unserer Geschichte eine besondere Bedeutung hat, habe ich viele verschiedene Details erfahren. Zum Beispiel, wie sie vorbereitet wurde, wie die Auswahl der Paradeteilnehmer erfolgte – die Besten der Besten, Träger von drei Kampfauszeichnungen und dazu noch mit bestimmten äußeren Merkmalen. Sie kamen von verschiedenen Fronten nach Moskau, und jeder von ihnen hatte seinen eigenen schwierigen Weg durch den Krieg zu diesem großen Fest hinter sich.
Am Vorabend der Siegesparade erhielten die Teilnehmer die Medaille „Für den Sieg über Deutschland im Großen Vaterländischen Krieg 1941-1945”. Sie wurde am 9. Mai 1945 eingeführt und war mit rund 15 Millionen Ausgezeichneten eine der massenhaftesten Auszeichnungen in der UdSSR. Aber es gab eine Besonderheit: Nur die Teilnehmer der Siegesparade erhielten einen Ausweis zur Medaille mit rotem Einband. Auch Wiktor Jaroschewitsch hatte so einen.
„Dank diesem besonderen Merkmal auf dem Dokument habe ich erfahren, dass auch mein Großvater an dieser Parade teilgenommen hat”, erklärt Swetlana Pribysch.
Die Medaille „Für den Sieg über Deutschland” wurde dem Oberfeldwebel Jaroschewitsch am 18. Juni 1945 verliehen. Swetlana setzte ihre Suche fort und fand den Nachnamen ihres Großvaters in den Namenslisten der Teilnehmer der Siegesparade, die 2015 in der Zeitung „Sowjetische Russland“ veröffentlicht wurden. Diesen Angaben zufolge marschierte Wiktor Jarosсhewitsch als Teil eines gemischten Bataillons aus Piloten und Panzersoldaten.
Er rettete das Leben der Panzerbesatzung
„Mein Großvater wurde 1922 im Dorf Buzewitschi (im Kreis Minsk) geboren. Am 12. Juni 1941 wurde er zum Militärdienst einberufen. Kurz vor Kriegsbeginn befand er sich in Murmansk, wo er am 18. Juni seinen Eid ablegte“, fährt Swetlana Pribysch fort. „Heute kann ich den Weg durch den Krieg von meinem Großvater nur anhand seiner Dokumente rekonstruieren.“
Das 363. selbständige Panzerabteilung der 7. Armee der Karelischen Front, in dem Wiktor Jaroschewitsch kämpfte, befand sich bis Mai 1944 an der Verteidigungslinie am Fluss Swir. Diese Linie war von September 1941 bis zum Sommer 1944 ein unüberwindbares Hindernis für den Feind, der versuchte, Leningrad mit einem zweiten Blockadering zu umzingeln. Ihre Verteidigung ermöglichte die Existenz der Straße des Lebens.
Anschließend wurde auf der Grundlage der 363. selbständigen Panzerabteilung das 89. selbständige Panzerregiment gebildet, das an der Swir-Petrosawodsker-Operation im Juni und August 1944 teilnahm, in deren Verlauf der größte Teil Kareliens befreit wurde. Anschließend wurde das Regiment in die Arktis verlegt, wo es an der Petsamo-Kirkenes-Operation teilnahm, die von Oktober bis November 1944 im Norden Norwegens stattfand, und sich bei der Befreiung von Petschenga auszeichnete.
Der Richtschütze und späterer Panzermechaniker und -fahrer, Oberfeldwebel Jaroschewitsch, erhielt von Stalin eine Dankesurkunde für seine hervorragenden Kampfhandlungen bei der Befreiung der Stadt Petsamo (Petschenga), eines Nickelabbaugebiets, der Stadt Kirkenes und des Gebiets Petschenga. Im Juli 1944 wurde er mit dem Orden des Vaterländischen Krieges 2. Klasse und der Medaille „Für Tapferkeit“ ausgezeichnet, 1945 mit der Medaille „Für die Verteidigung der sowjetischen Arktis“.
In einem der Auszeichnungsblätter, unterzeichnet vom Regimentskommandeur Oberstleutnant Sutschkow steht es: „Bei der Verfolgung des sich aus der Stadt Salmi zurückziehenden Feindes am 6. Juli 1944 in den Kämpfen um die Siedlung Pelkonen lud er schnell die Kanone und das Maschinengewehr, korrigierte ununterbrochen das Feuer des Panzerkommandanten und leistete dem verwundeten Fahrer erste Hilfe. Während des Kampfes löschte er einen Panzer, der durch eine feindliche Thermitgranate in Brand geraten war, und rettete damit die Besatzung und die Ausrüstung des Fahrzeugs. Unter starkem Artillerie- und Mörserfeuer des Feindes ergriff er Maßnahmen, um einen im Sumpf festgefahrenen Panzer abzuschleppen. Im Kampf zeigte er Mut und Tapferkeit.“
Ein ausgezeichneter Panzersoldat
Auf einem der Foto sieht man einen jungen Mann mit Panzerhelm und Überanzung mit Auszeichnungen auf der Brust, auf dem anderen einen stattlichen Mann in fortgeschrittenem Alter, einen Veteranen. Aber auf der Brust sind dieselben Auszeichnungen zu sehen.
„Als ich vor langer Zeit zum ersten Mal das Foto mit dem Panzerhelm sah, konnte ich kaum glauben, dass es mein Großvater war“, sagt Swetlana. „Von allen Auszeichnungen, die er erhalten hatte, war ihm das Ehrenzeichen „Ausgezeichneter Panzersoldat“ am liebsten“.
Man sagt, dass der beste Fahrer ein Panzersoldat ist. Und Wiktor hat dies in seinem friedlichen Leben mehr als einmal in der Praxis bestätigt. Nach seiner Demobilisierung im Jahr 1946 arbeitete er als Fahrer im Woroschilow-Werk, im Unternehmen „Sojusantiseptik“ und von 1953 bis zu seiner Rente (1982) im Fuhrpark der Akademie der Wissenschaften der BSSR. Die Familie seiner Enkelin bewahrt zahlreiche Urkunden und Dankschreiben auf, die ihrem Großvater von der Leitung der Akademie der Wissenschaften und des Fuhrparks überreicht wurden. Einige davon sind von dem bekannten belarussischen Physiker und Akademiemitglied der Akademie der Wissenschaften der UdSSR Nikolai Borissowitsch unterzeichnet, der viele Jahre lang die Akademie der Wissenschaften der BSSR leitete.
„Ich war Studentin, als mein Großvater starb. Das war am 22. Juni 1995. Leider ist seine persönliche Kriegsgeschichte mit ihm gestorben – wie viele Vertreter seiner Generation sprach er nicht gern über den Großen Vaterländischen Krieg. Aber ich denke, das Wichtigste ist uns geblieben: Wir alle – seine beiden Töchter Walentina und Tamara, seine Enkel und Urenkel – können stolz auf unseren Vater und Großvater sein. Er musste fernab von Belarus kämpfen, alle Prüfungen mit Ehre bestehen und wurde zum Sieger im blutigsten Krieg des vergangenen Jahrhunderts", sagt Swetlana Pribysch.
