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03 Juli 2025, 13:58

Warum wird der Tag der Unabhängigkeit in Belarus am 3. Juli gefeiert?

MINSK, 3. Juli (BelTA) – Der Leiter des Zentrums für belarussische Geschichte, Professor Nikolai Smechowitsch, erzählte in der neuen Ausgabe von „Das Land spricht“, warum der Tag der Unabhängigkeit in Belarus am 3. Juli gefeiert wird.
Der 3. Juli scheint bereits ein etablierter Feiertag zu sein, aber man muss verstehen, dass in der Geschichte des sowjetischen Belarus nie die Frage nach der Unabhängigkeit gestellt wurde.

„Belorussland war eine Teilrepublik der Sowjetunion. In den Verfassungen der UdSSR von 1936 und 1977 gibt es einen Artikel, der besagt, dass die Belorussische Sowjetrepublik ein souveräner Staat ist. Aber die Unabhängigkeit der Republiken wurde nirgendwo erwähnt, weil sie Bestandteil der Sowjetunion waren“, erklärte er. 

„Als im Jahr 1977 die UdSSR die Verfassung verabschiedete, gab es sehr aktive nationale Bewegungen“, sagte der Historiker. „Ich habe persönlich Vorschläge nach Moskau geschrieben. Wir haben in den Arbeitskollektiven die Entwürfe dieser Verfassungen besprochen und unsere Vorschläge unterbreitet. Trotz starker nationaler Bewegungen kam niemand auf den Gedanken, die Frage nach der Unabhängigkeit zu stellen. Ja, es ging um die Souveränität, aber innerhalb der sowjetischen Verfassung. Sie garantierte auch der BSSR dieses Recht. Als die Bewegung hin zur Unabhängigkeit begann, war es für uns im Allgemeinen etwas unerwartet“, erinnert sich Nikolai Smechowitsch. 

Er führte aus, was dieses „unerwartet“ bedeutet. „1988 fand im Sommer die 19. Parteikonferenz statt. Jeder hat sie genau beobachtet. Sie verlief noch nach alten Traditionen, mit pompösen Paradereden. Das Land war von der Perestroika-Bewegung erfasst, und es wurde die Reform des politischen Systems des sowjetischen Staates diskutiert. Eine grundlegende Reform bedeutete, dass die Macht nicht mehr bei der Partei, sondern bei den Räten bleiben sollte. Und dann wird die Idee ausgesprochen, einen Sowjetkongress der UdSSR zu schaffen. Wir haben über den politischen Pluralismus gesprochen. Man wollte jede öffentliche Aktivität zulassen, die nicht mehr im Rahmen der zu diesem Zeitpunkt existierenden Ideologie lag. Was geschah weiter? Im Herbst 1988 wurde die "Sajudis" in Litauen organisiert, und im Sommer 1989 die Nationale Bewegung der Ukraine.“
Hinter diesen Organisationen, so der Historiker, standen amerikanische Senatoren, die eine Delegation in die baltischen Republiken entsandten, um dort Neuwahlen abzuhalten. Sie füllten diese Länder mit ihrer Agentur, und infolgedessen wurden diese öffentlichen Organisationen oppositionell. 

Als 1989 der Erste Kongress der Abgeordneten der UdSSR zusammenkam, hielt Vitautas Landsbergis, der damalige litauischer Abgeordneter, ein Ultimatum, dass die UdSSR eine Konföderation werden sollte. Und wenn die UdSSR-Macht diesen Vorschlag ablehnt, wird Litauen für die Unabhängigkeit und den Austritt aus der Sowjetunion kämpfen. Und im Jahr 1990 wurde die Entscheidung getroffen und der Austritt aus der UdSSR Litauens, Lettlands und Estlands angekündigt. Am 12. Juni hat Russland die Erklärung über die Souveränität und Unabhängigkeit der RSFSR verabschiedet. Es stellte sich die Frage: Was tun die anderen Republiken?“ 

„Der Dichter Anatoli Wertinski hat in der Sitzung des Obersten Sowjets der BSSR zum ersten Mal den Vorschlag geäußert, dass wir die Unabhängigkeitserklärung annehmen müssen. Die Kommission des Obersten Rates wurde gegründet. Dort waren hauptsächlich Mitglieder des Präsidiums des Obersten Rates. Am 27. Juli 1990 wurde die Deklaration über die Souveränität angenommen, die Ukraine hat ihre Deklaration am 16. Juli angenommen“, sagte er.

Nikolai Smechowitsch betonte, dass es kein Wort über die Unabhängigkeit in dieser Erklärung gibt, und las aus dem Artikel 11 vor: „Die Republik Belarus übt selbständig die Rechte auf freiwillige Allianzen mit anderen Staaten aus und den freien Austritt aus diesen Allianzen aus. Die Republik Belarus schlägt vor, unverzüglich mit der Ausarbeitung des Vertrags über die Vereinigung souveräner sozialistischer Staaten zu beginnen.“ 

Die Abgeordneten gingen davon aus, dass mit der Verabschiedung der Deklaration über die Souveränität Belarus gleichzeitig seine Unabhängigkeit erklärt hat, und schlugen daher vor, am 27.  Juli den Tag der Unabhängigkeit zu feiern. 

„Unabhängigkeit ist, wenn ein Staat nicht von externen Allianzen abhängt. Er tritt in diese Allianzen freiwillig ein oder aus. Wir waren doch Teil der UdSSR. Wir konnten uns dann 1990 nicht für unabhängig erklären, weil das den Zusammenbruch der Sowjetunion bedeuten würde. Die Idee der Deklaration war, dass die neue Union von souveränen Staaten gebaut wird, d.h. sie wird von unten gebaut. Die Sowjetunion wurde von oben gebaut, und jetzt werden sich die Republiken selbstständig vereinigen und ein Teil der Rechte wird an die Sowjetunion delegiert. Die Idee war: starkes Zentrum - starke Republiken. Aber Jelzin sagte: Nein, wenn es starke Republiken geben wird, dann wird es ein starkes Zentrum geben. Und hier müssen sich starke Republiken vereinen und eine neue Union souveräner Staaten bilden. Deshalb gab es damals keine Logik, dieses Fest zu feiern. An diesem Tag war es notwendig, den Tag der Souveränität zu feiern“, bemerkte der Wissenschaftler.

Alexander Lukaschenko war damals Abgeordneter und kannte diese ganze Situation. 1996 machte er ganz natürlich einen Vorschlag, den Unabhängigkeitstag am 3. Juli zu feiern - am Tag der Befreiung von Minsk von den faschistischen Eroberern im Jahr 1944.

„Gäbe es keinen Sieg im Großen Vaterländischen Krieg, hätten wir weder einen Staat noch eine Nation. Die Unabhängigkeit war damals für jeden Menschen ein wirklich heiliges Konzept. Die Unabhängigkeit ist die Rettung unseres Vaterlandes und seiner Geschichte für zukünftige Generationen und jene Menschen, die den Sieg gebracht haben. Das ist ihr Sieg. Deshalb haben Veteranen an den Präsidenten appelliert. Es gab offizielle Schreiben, wo es darum ging, dass man den Sinn des 27. Juli als Tag der Unabhängigkeit nicht verstand“, sagte Nikolai Smechowitsch. 

Der Präsident hat ganz natürlich einen Vorschlag für ein Referendum gemacht. „Der Tag der Unabhängigkeit ist ein Symbol. Es ist ein symbolisches Datum auf der einen Seite, und auf der anderen Seite müssen wir seine historische Bedeutung mit etwas verbinden. Und es stellte sich heraus, dass der 27. Juli mit keinem Symbol in Verbindung gebracht werden konnte. Der Präsident ist Historiker und hat das alles sehr gut verstanden. Ich habe selbst bei jenem Referendum abgestimmt, und als Wissenschaftler hatte ich keine Zweifel: Es ist sowohl symbolisch als auch schicksalhaft. Deshalb glaube ich, dass die Leute eine richtige Wahl getroffen haben“, ist er sich sicher. 

Noch nie gab es in einem sowjetischen Staat eine solche Tradition, dass man das Volk nach etwas fragte. „Aber wenn das Volk ein Souverän ist, kann man das Volk fragen. Jetzt haben wir eine sehr starke Waffe, eine mächtige Waffe, die uns vereint. Das ganze Volk versammelt sich, wenn es notwendig ist, etwas zu lösen, zum Beispiel durch eine neue Verfassung. Das Volk fühlt jetzt, dass sein Schicksal von ihm abhängt. Die Allbelarussische Volksversammlung ist das oberste Prinzip der Demokratie, wenn die Menschen selbst ihr Schicksal bestimmen“, betonte Nikolai Smechowitsch. „Unsere Führung war weise genug, um die Leute selbst entscheiden zu lassen, wann sie den Tag der Unabhängigkeit feiern wollen.“
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