Der Flug zur ISS wurde nicht nur für unsere erste Kosmonautin Marina Wassilewskaja, sondern auch für belarussische Journalisten zu einer sehr schwierigen Mission. Um die Besatzung des Raumschiffs Sojus MS-24 auf der Erde zu empfangen, scheuten sie sich nicht, in die kasachische Steppe zu fahren, trotz der Rekordüberschwemmung der letzten 80 Jahre, der kalten Nächte in der Zeltstadt und der Wahrscheinlichkeit, dass die Kosmonauten an einem anderen Ort landen würden, als erwartet.
Das BelTA-Reporterteam erzählte in einem Interview, wie es über das historische Ereignis berichtete und was hinter den Kulissen ihrer Arbeit blieb.
Andrej Woropai: „Ich hätte nie gedacht, dass es so kommen würde“
BelTA-Korrespondent Andrej Woropai hat sogar als Kind nicht geträumt, Kosmonaut zu werden, aber als er Ende letzten Jahres über seine Dienstreise in die russische Stadt Swjosdny Gorodok erfahren hatte, war er sehr glücklich. Dort trainierten zwei belarussische Bewerberinnen für den bevorstehenden Weltraumflug - Marina Wassilewskaja und Anastassija Lenkowa.
„Es ist ein großes Glück, einem historischen und für unser Land wichtigen Moment beizuwohnen“, sagt Andrej, der im Laufe des Jahres mehrmals dem Vorbereitungsprozess der Kosmonautinnen beiwohnen durfte.
Er war auch unter den Journalisten, die zum Baikonur reisten, um die Besatzung um Oleg Nowizki ins All zu verabschieden.
„Sie sollten am 21. März zur ISS fliegen. An jenem Tag erreichten wir das Hotel Kosmonaut, wo seit vielen Jahrzehnten Kosmonauten nach einer und derselben Tradition verabschiedet werden: Mit dem Song „Trawa u doma“ der Rock-Band Semljane. Wir sahen dort fast 1200 Gäste und Touristen. Für Besatzungsmitglieder, die seit mehreren Tagen in der Quarantäne waren, hat man den Weg zum Bus frei gemacht. Niemand durfte sie umarmen oder die Hand geben. Als die Kosmonauten aus dem Hotel gingen, wurden ich und mein BelTA-Kollege Fotokorrespondent Pawel Orlowski an die Drehkreuze gedrückt. Aber wir arbeiteten weiter“, erinnert sich Andrej.
Auf dem Baikonur herrschten besondere Arbeitsbedingungen. Das haben alle belarussischen Journaloisten erzählt. In der kosmischen Stadt gab es keinen Internetanschluss. Das war eine Herausforderung, die es galt zu bewältigen.
„Zuerst diktierte ich alle Informationen per Telefon einem BelTA-Kollegen, der eigens zu diesem Zweck um 6 Uhr morgens zur Arbeit kam. Das war eine völlig neue Erfahrung für mich, und meine älteren Kollegen sagten später, dass dies in den 1990er Jahren die einzige Möglichkeit war - es gab nirgendwo ein Internet", erinnert sich der Sonderkorrespondent.
Mit großer Mühe fand er in der Baikonur-Kantine WiFi-Anschluss, so dass BelTA als erstes Medium Informationen und Fotos über die Vorbereitungen der Besatzung zum Start nach Belarus übermitteln konnte.
Am Tag des Starts war Andrej nur drei Kilometer von der Rakete entfernt. Er war aufgeregt. Besonders als er realisierte, dass die Rakete am Startplatz steht, wo sie doch längst am Himmel sein sollte.
„Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas passieren würde. Als uns per Lautsprecher gesagt wurde, dass der Start abgesagt worden war, fühlte ich mich leer. Schließlich hatte ich viele Monate auf den Moment hingearbeitet. Ich wollte sehen, wie die Sojus MS-25 Rakete abheben wird. Ich ging automatisch zum Medienzelt: Kollegen riefen ihre Leiter an und erklärten, was passiert war. Ich hörte einige Touristen sich beschweren, dass sie für das Dabeisein viel Geld bezahlt haben. Ich war verärgert, aber am meisten tat mir Marina leid. Ich dachte sogar, dass man den Flug gar absagen würde. Erst als sie einen neuen Starttermin ankündigten, habe ich Erleichterung gespürt“, erinnert sich Andrej.
Am 23. März wiederholte sich die gesamte Startzeremonie zur Verabschiedung der Besatzung - mit dem Start der Crew vom Hotel, dem Semljane-Song... Ach ja, diesmal haben die Kosmonauten keine Unterschriften an der Hoteltür gelassen.
„Kosmonauten sind sehr abergläubisch und brechen nie mit Traditionen ab“, erklärte Andrej.
Der zweite Startversuch war erfolgreich. Der BelTA-Sonderkorrespondent verfolgte den Start von derselben Position aus wie beim ersten Mal.
„Eine riesige Rakete schien so hoch wie eine halbe Handfläche zu sein, aber als dieses riesige Ding abzuheben begann, wurde mir klar, wofür die Touristen runde Summen bezahlt hatten. Diese Flamme, die unter der Rakete hervorbrach, dieses laute Rumpeln, das selbst in drei Kilometern Entfernung deutlich zu hören war - so etwas bleibt lange in Erinnerung. Ich habe mich sehr gefreut, dass die Besatzung ins All geflogen ist, dass Belarus es geschafft hat, so hoch in den Himmel zu fliegen!“
Pawel Orlowski: "Wir rannten zum Sojus durch die Steppe, Füße in Einkaufstüten eingewickelt“
Pawel Orlowski, Fotokorrespondent von BELTA, war der Sojus MS-25 kurz vor dem Raketenstart am nächsten. Zum ersten und zum zweiten Mal.
„Beim ersten Mal kamen wir 40 Minuten früher als die Besatzung am Startplatz an. Die Kosmonauten wurden mit einem Bus zur Sojus gebracht. Sie wurden zur Rakete geführt. Ihnen wurde geholfen, die Raumanzüge waren schwer und nicht sehr bequem. Die Besatzung winkte uns zu, posierte, alle lächelten, und ich machte mir Sorgen - diese Leute sind mir fast ans Herz gewachsen, wir haben ein Jahr lang einen langen Trainingsweg mit ihnen zurückgelegt. Wir warteten auf den Start. Ich wusste auf die Sekunde genau, wann die "Sojus" abheben sollte. Ich bereitete die Fotoausrüstung für die Arbeit vor. Und plötzlich merkte ich, dass die Startzeit gekommen war und nichts passierte. Ich sah die verständnislosen Blicke meiner Kollegen. Wir standen weit weg von den Lautsprechern und wussten nicht, dass der Start verschoben worden war. Wir waren uns sicher, dass er sich nur verzögert hatte, also gingen wir nicht weg. Wir merkten erst, dass die Rakete an diesem Tag nirgendwohin ging, als wir Busse und Autos in unsere Richtung fahren sahen“, erzählt Pawel.
Er gibt zu, dass er sich schon am Tag des Starts Sorgen um die Besatzung gemacht hat. Aber was war das für eine Freude, als die Rakete direkt zur ISS flog! Pawel Orlowski war übrigens nicht nur der letzte, der die Crew von Oleg Nowizki verabschiedete, sondern auch einer der ersten, der sie traf.
„Es dauerte zwei Stunden, um mit dem Hubschrauber über der Steppe den richtigen Ort zu erreichen. Es gab keine Funkverbindung, wir wussten nicht, ob alles nach Plan verlief. Wir flogen zu dem Ort, an dem die Kapsel mit den Kosmonauten laut Flugplan hätte landen sollen, aber wir wussten, dass es eine Notlandung an einem ganz anderen Ort geben könnte. In der Luft begannen die Kollegen von Roscosmos, Einkaufstüten auf die Füße anzuziehen und mit Klebeband anzutackern. Sie erklärten uns, dass die Steppe mit Wasser vollgelaufen war. Wir taten, was sie taten. Und als wir landeten, stellte sich heraus, dass der Boden trocken und es draußen heiß war. Aber wir hatten keine Zeit, die Tüten zu entfernen, deshalb rannten wir über die Dornen zur Kapsel mit den Kosmonauten“, lacht der Fotokorrespondent.
Er sah den riesigen Fallschirm am Himmel aus dem Fenster des Hubschraubers, als einer seiner Kollegen rief: „Schaut hin!“ In diesem Moment war die Erleichterung bei allen groß.
„Der Pilot flog so nah wie möglich an die Kapsel heran und begann zu kreisen. Während dieser wenigen Kurven machten wir Fotos von der Landung aus verschiedenen Blickwinkeln. Es war wirklich beeindruckend, wie sich eine solche Sandsäule in die Luft erhob! Zu diesem Zeitpunkt wussten wir bereits, dass Pyrotechnik und Sprengladungen verwendet werden, um die Landung zu erleichtern. Der Hubschrauber landete etwa 300 Meter von den Kosmonauten entfernt, und wir rannten zu ihnen, ohne anzuhalten, um zu sehen, ob alles in Ordnung war. Es gelang uns, die Besatzung durch das Bullauge zu fotografieren, noch bevor die Luken geöffnet wurden. Die erste Person, die ich sah, war Oleg Nowizki - er saß entspannt in der Mitte und lächelte. Daran habe ich gemerkt, dass alles reibungslos verlief“, sagt Pawel.
Er gesteht, dass er sich Sorgen um Marina gemacht hat: Es war ihr erster Flug, die Vorbereitungszeit war knapp. Er hält ihre Tat für heldenhaft und die erste belarussische Kosmonautin selbst für eine mutige, aufrichtige und starke Person.
Anastassjia Benedisjuk: "Als wir den Fallschirm am Himmel sahen, haben einige von uns vor Freude geweint"
Die Journalistin der Belarussischen Fernsehgesellschaft Anastassija Benedisjuk war eine der ersten, die die Sojus MS-24 direkt nach der Landung erreichte. Aber es war ein langer und schwieriger Weg dorthin. Es begann damit, dass es in Kasachstan, in der Steppe, in der die Astronauten landen werden, stark regnete. Solche Regenfälle hat es seit etwa 80 Jahren nicht mehr gegeben.
„Drei Tage vor der Ankunft der Sojus-MS-24-Besatzung wurde uns mitgeteilt, dass die Spezialisten und Soldaten, die sich zum Landeort des Raumschiffs begeben, mit Gummistiefeln und Booten ausgerüstet werden sollen. Das Hochwasser in Kasachstan hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen Rekordstand erreicht! Man sprach auch über den Einsatz einer speziellen Maschine, die auf dem Wasser fährt - "Blue Bird". Solche Fahrzeuge werden seit 30 Jahren bei Rettungsaktionen während des Abstiegs von Sojus eingesetzt. Wir brauchten Gott sei Dank weder Boote noch Gummistiefel: Zwar blieben die Autos mit den Journalisten im Sumpf und in tiefen Pfützen stecken, aber im Großen und Ganzen haben wir die 500 Kilometer bis zum Feldlager in der Steppe normal bewältigt. Übrigens war das nicht der einzige Punkt in der Nähe, an dem die Sojus MS-24 landen konnte. Es gab noch einen zweiten. Die Fachleute hofften, dass die Kapsel doch am ersten Punkt landet, denn am zweiten erreichte der Wasserstand bereits zwei Meter“, sagt Anastassjia.
Die Journalisten kamen am Freitagabend im Feldlager an, was bedeutete, dass sie eine kalte Nacht in der Steppe überstehen mussten. Doch schon am Morgen wurde Anastasia klar, dass sich alle Schwierigkeiten, die sie erlebt hatten, gelohnt hatten. Als sie ihr Gesicht zum Himmel hob, sah sie einen riesigen Fallschirm.
„Es war ein sehr aufregender Moment, dass einige von uns vor Freude weinten: Der Fallschirm hatte sich geöffnet! Wir rannten sofort zu den Autos, um zum Landeplatz zu fahren - die Kapsel wurde vom Wind weggeblasen. Am Ende mussten wir acht Kilometer weit fahren. Wir kamen kurz vor den Rettern und allen Spezialisten dort an. Als die Luken der Sojus geöffnet wurden, war das erste, was mir auffiel, dass Marina genauso schön und lächelnd war wie bei all unseren früheren Treffen. Wenn man sie ansah, hatte man nicht das Gefühl, dass der Flug schwierig war, obwohl es harte Arbeit und eine unglaubliche Belastung war. Aber unsere erste weibliche Kosmonautin lächelte und war gerührt davon, wie viele Menschen gekommen waren, um die Besatzung zu treffen“, sagt Anastassija Benedisjuk.
Die Kosmonauten wurden nicht mit leeren Händen empfangen. Anastasia brachte einen Miniaturstrauß Gänseblümchen aus Karaganda mit. Die Fernsehmoderatorin Anna Kwilorija aus Minsk brachte Schmalz und Brot mit. Der stellvertretende Leiter der Abteilung für Luft- und Raumfahrt der Nationalen Akademie der Wissenschaften von Belarus Ivan Butscha brachte Apfelsaft für Marina und Birkensaft für Oleg Nowizki mit.
„Es ist eine langjährige Tradition. Gleich nach der Landung macht Oleg Nowizki einen Schluck Birkensaft“, erklärt die Journalistin und merkt an, dass sie sehr stolz war, die Crew auf der Erde zu treffen. „Es ist Stolz für Marina Wassilewskaja, für die Spezialisten, die sie aus allen Kandidaten für den Flug ausgewählt haben, für unser Land. Jetzt ist Belarus auch in der bemannten Kosmonautik vertreten!“