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14 September 2024, 09:20

Warum ist der 17. September 1939 für uns so wichtig? Ein Historiker erklärt

Dieses Jahr ist voll von wichtigen Jahrestagen: 80 Jahre Befreiung von den deutsch-faschistischen Invasoren, 85 Jahre Wiedervereinigung von Westbelarus mit der BSSR. Warum wurden die Ereignisse des 17. September 1939 zu einem der wichtigsten staatlichen Feiertage und warum ist es für uns besonders wichtig, uns unserer Vergangenheit zuzuwenden? Ein Gespräch mit dem Dekan der Fakultät für Journalistik der BSU, Dr. Alexej Beljajew, außerordentlicher Professor für Geschichte.

- Der Tag der Nationalen Einheit ist der jüngste unserer staatlichen Feiertage. In diesem Jahr feiern wir ihn zum dritten Mal. Warum wurde er erst jetzt eingeführt und nicht schon vor 20 oder 30 Jahren?

- Es ist falsch zu glauben, dass der Feiertag erst drei Jahre alt ist. Schon 1939, als die Rote Armee eine bemerkenswerte Befreiungsaktion durchführte, wurde der 17. September zu einem besonderen Feiertag. Er wurde mehrere Jahre lang gefeiert. In vielen Siedlungen und Städten Westbelarus wurden Straßen und Plätze nach dem 17. September benannt. Nach 1949 wurde dieser Feiertag auf höchster sowjetischer Führungsebene abgeschafft, weil die Volksrepublik Polen zum sozialistischen Lager gehörte - man wollte die polnischen Genossen nicht noch einmal an die schwierige Zeit unserer Beziehungen erinnern. Deshalb können wir heute nicht von der Schaffung eines neuen Feiertages sprechen, sondern von der Wiederbelebung der Tradition des 17. September.

Warum ist das jetzt passiert? Die belarussische Führung hat immer eine friedliebende Haltung eingenommen. Um nicht in diplomatische Konflikte verwickelt zu werden, da der 17. September in Polen als ein gewisser tragischer Akt der Spaltung des Staates wahrgenommen wird, haben wir dieses Thema nicht angesprochen.

Doch nach 2020 zeigte sich, dass gerade die Nachbarn, mit denen wir uns um Freundschaft bemühten, selbst ohne schlechtes Gewissen auf eine Verschärfung der Beziehungen setzten. Es war der polnische Staat, der große Anstrengungen unternahm, in unserem Land Einflussagenten, die so genannte fünfte Kolonne, vorzubereiten. Wir haben die aktive Arbeit der polnischen Minderheit, insbesondere einer Reihe von Journalisten, bei der Förderung des polnischen Narrativs zu diesem Datum beobachtet. In ihren Veröffentlichungen wiederholten sie die Idee, dass Westbelarus ein polnisches Land sei. Sie glorifizierten auch die Kämpfer der Armia Krajowa (Heimatarmee). Es ist klar, dass solche Ansichten für Belarus inakzeptabel sind. Wir betrachten die Armia Krajowa als feindlich gegenüber den Belarussen und ihre Aktionen auf unserem Territorium nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges als einen Akt des Banditentums, als einen Versuch, den belarussischen Staat anzugreifen. Von unserer Seite war eine Antwort notwendig. Aus ideologischer Sicht war es notwendig, das Datum des 17. Septembers noch einmal festzulegen und zu zeigen: Die Belarussen, die auf ihrem eigenen Territorium leben, haben das Recht, diesen Tag zu feiern, ohne sich zu schämen oder jemanden zu fürchten. Deshalb wurde dieser Feiertag erst jetzt wieder eingeführt. Die Massenveranstaltungen am Vorabend dieses Tages dienen vor allem dazu, unserem Volk die historische Wahrheit über diesen Tag zu vermitteln.

- Was wollen wir mit diesem Feiertag anderen Ländern, vor allem in Europa, vermitteln?

- Mitte der 1950er Jahre regelte Belarus alle territorialen Fragen mit der Volksrepublik Polen. Es wurden Demarkationen und bestimmte Abtretungen vorgenommen, um die endgültige Grenze eines Teils des Territoriums mit der Volksrepublik Polen und des anderen Teils mit der Belarussischen Sozialistischen Sowjetrepublik festzulegen. Die Westgrenze wurde und wird endgültig festgelegt. Und weder Polen noch Belarus sollten irgendwelche gegenseitigen Ansprüche erheben.

Wenn wir vom Tag der Nationalen Einheit sprechen, dann betonen wir nicht so sehr die territoriale Integrität, sondern die Integrität der Nation. Die Belarussen leben heute im Schatten verschiedener ideologischer Konzepte aus der Vergangenheit. Die bekanntesten davon laufen darauf hinaus, dass die Belarussen entweder polonisierte Russen oder russifizierte Polen sind. Noch im 19. Jahrhundert versuchten polnische und russische Historiker, die ursprüngliche Zugehörigkeit unserer Länder zu ihren Staaten zu beweisen.

Die Frage der Subjektivität des belarussischen Volkes ist sehr wichtig. Wenn unser Volk entstanden ist, hat es dann das Recht, innerhalb seiner territorialen Grenzen zu existieren, und vor allem, hat es das Recht auf eine eigene, absolut unabhängige, souveräne politische Einheit in Form des belarussischen Staates?

Der Tag der Nationalen Einheit ist in erster Linie ein Feiertag der belarussischen Staatlichkeit. Prowestliche Historiker behaupten, dass die belarussische Staatlichkeit auf die Belarussische Volksrepublik zurückgeht, die während der deutschen Besatzung gegründet wurde. Vor 1991 gab es jedoch keinen souveränen belarussischen Staat. Es gab Bedingungen für seine Gründung, aber diese waren mit der BSSR verbunden. In der Sowjetzeit des 20. Jahrhunderts wurde der territoriale Kern gebildet. Und gerade am 17. September 1939, so kann man sagen, wurde die endgültige Entscheidung in der territorialen Frage getroffen.

Die globale Bedeutung des 17. September ist folgende: Es gibt das belarussische Volk, die belarussische Nation, die das Recht auf eine unabhängige souveräne Existenz hat, die alles hat, was dazu notwendig ist, einschließlich eines eigenen Staates. Wenn wir heute über den Tag der Nationalen Einheit sprechen, dann betonen wir vor allem unser Recht auf Souveränität.

- Glauben Sie, dass wir Belarussen die Bedeutung des Ereignisses, das sich am 17. September vor 85 Jahren auf dem Territorium unseres Landes zugetragen hat, richtig verstehen?

- Die Entscheidung des Staatsoberhauptes und der Regierung, den Tag der Nationalen Einheit einzuführen, ist eine Antwort auf die Forderung des Volkes. Um zu verstehen, warum der 17. September für uns ein Feiertag ist, sollten wir uns zunächst an den Frieden von Brest-Litowsk mit den Deutschen im Jahre 1918 erinnern, als Belarus ohne zu fragen in zwei Teile geteilt wurde und ein Teil unter deutsche Besatzung kam. Dann gab es den traurigen Frieden von Riga 1921, der als Folge des polnisch-sowjetischen Krieges geschlossen wurde. Der wieder entstandene polnische Staat unter der Führung von Józef Piłsudski beschlagnahmte einen Teil des Territoriums, das ihm nicht gehörte. Allen war klar, dass der Frieden von Riga nicht lange halten würde, dass er ungerecht war.

Im Jahr 2020 haben wir gesehen, wie sie versucht haben, uns zu spalten: nach der Sprache - belarussisch und russischsprachig, nach der Religion - Katholiken und Orthodoxe, nach dem Streben "nach einer strahlenden europäischen Zukunft" und "nach dem wilden russischen Mordor". Es gab viele Bruchlinien, aus denen man, wenn man sich nur genug Mühe gibt, den Konflikt ableiten kann - sozial, politisch, wirtschaftlich und militärisch. Für uns ist der 17. September ein Datum, das unterstreicht: Wir wollen diese Bruchlinien überbrücken, wir brauchen sie nicht. Wie 1939 vereinigten sich sehr unterschiedliche Belarussen: jene, die fast 20 Jahre unter polnischer Herrschaft gelebt hatten, und jene, die in die Ära der sozialistischen Transformation eingetreten waren. In der Anfangsphase gab es einige mentale Unterschiede, Sprachdialekte zwischen den Bewohnern von West- und Ostbelarus, aber die belarussische Nation war dennoch geeint.

Hätte es den 17. September 1939 nicht gegeben, wäre es zu einer weiteren Spaltung der belarussischen Nation gekommen, wären die Bewohner des westlichen Teils unseres Landes von der Polonisierung bedroht gewesen. Denn seit der Union von Lublin im Jahre 1569, seit der Gründung der Polnisch-Litauischen Adelsrepublik (Rzeczpospolita) war es die Hauptaufgabe der polnischen Macht, die belarussischen Gebiete polnisch zu machen. Die polnische Sprache, Kultur und der Katholizismus, der als Leitfaden für das polnische Nationalbewusstsein diente, wurden aktiv eingeführt. Zuerst wurde der Adel polonisiert und zum Rammbock gemacht, der der polnischen Kultur und dem Katholizismus den Weg bahnte, dann nach und nach die städtische Bevölkerung, das Bürgertum. Die Bauern standen am Ende.

Das belarussische nationale Denken begann sich freier zu entwickeln, als unser Land dem Russischen Reich beitrat. Damals erschien in St. Petersburg die erste belarussische Zeitschrift "Goman", die erste Organisation, deren Mitglieder sich als Belarussen zu bezeichnen begannen. Bücher wurden in belarussischer Sprache in kyrillischer Schrift gedruckt. Die russischen Behörden erkannten dies an: Die Belarussen sind einer der drei Teile der dreieinigen russischen Nation mit einer eigenen Identität.

Die Wiedergeburt unserer Nation, unserer Sprache und unserer Kultur begann, als sie von den Fesseln des polnischen Einflusses befreit wurde. Das war vor dem Frieden von Riga. Danach wurde der Westen von Belarus fast 20 Jahre lang wieder hart polonisiert. Ein Beispiel: Vor 1921 gelang es der Sowjetmacht, in diesen Gebieten etwa 400 belarussischsprachige Schulen zu eröffnen, bis zum 17. September 1939, als die Rote Armee einmarschierte, gab es keine einzige mehr.

Die sakrale Bedeutung unseres Feiertages liegt darin, dass es uns am 17. September 1939 gelungen ist, die Vernichtung der belarussischen Nation, Sprache und Kultur zu verhindern. Es ist der Tag, an dem die Nation wiedervereinigt wurde und die Möglichkeit erhielt, sich zu dem zu entwickeln, was heute Republik Belarus heißt.

- Ausländische Historiker, die die Wahrheit verzerren, interpretieren die Operation der Roten Armee im September 1939 als „Vierte Teilung des Rzeczpospolita“, und die UdSSR wird als Aggressor dargestellt und mit Hitlerdeutschland gleichgesetzt. Wie war die politische Lage im August-September 1939 wirklich?

- Als die deutschen Truppen am 1. September 1939 in Polen einmarschierten, erklärten die Alliierten - Großbritannien und Frankreich - gemäß ihren Verpflichtungen Deutschland den Krieg. Am 17. September war das nicht der Fall. Denn Großbritannien und Frankreich sahen in der Sowjetunion keinen Aggressor. Stalin verzögerte den Einmarsch und wartete darauf über zwei Wochen nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges. Und uns wirft man vor, wir seien ihnen in den Rücken gefallen. Tatsächlich hatten die Deutschen bereits die westlichen Grenzen Weißrusslands, die Curzon-Linie, erreicht. Die Entscheidung, die belarussische und ukrainische Bevölkerung in Westbelarus und der Westukraine zu schützen, wurde unter den Bedingungen der drohenden militärischen Katastrophe getroffen. Es gab keine polnische Armee, die polnische Regierung war geflohen. In dieser Situation hat man die Entscheidung getroffen, dem eigenen Volk zu Hilfe zu kommen, das durch den ungerechten Frieden von Riga 1921 künstlich auseinandergerissen worden war. Und die Westmächte nahmen das alles gelassen hin. Und auch die polnische Regierung selbst, die später im Exil auftauchte und von Sikorski geleitet wurde, gab keine Erklärungen ab. Auch sie machte die Sowjetunion nicht zum Aggressor. 

Es wird oft behauptet, dass die Ereignisse von 17. September 1939 durch die Unterzeichnung des Nichtangriffsvertrags (Molotow-Ribbentrop-Pakt) zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion ausgelöst worden sind. Der Pakt wurde in einer Situation unterzeichnet, in der Deutschland zum Krieg gegen die UdSSR gedrängt wurde. Bereits Anfang 1939 appellierte Stalin an die Westmächte, vor allem an Großbritannien und Frankreich, einen gemeinsamen Friedensvertrag zu schließen und sich dem deutschen Aggressor gemeinsam entgegenzustellen. Es wurde vorgeschlagen, groß angelegte Verhandlungen zu führen. Großbritannien und Frankreich schickten ihre Delegationen nach Moskau, deren Aufgabe darin bestand, so viel Zeit wie möglich herauszuzögern, um den Deutschen die Möglichkeit zu geben, sich vorzubereiten, und sie zu einem Angriff auf die Sowjetunion zu provozieren. Die Delegationen hatten nicht einmal die Befugnis, Dokumente zu unterzeichnen. 

Auch muss man erwähnen, dass die ersten, die mit Hitler einen Freundschafts- und Nichtangriffsvertrag unterzeichneten, als er an die Macht kam, Großbritannien, Polen, Frankreich und eine Reihe anderer Länder waren. 

Die Sowjetunion hatte einen Beistandsvertrag mit der Tschechoslowakei, und Stalin bot an, sowjetische Truppen zur Verteidigung dieses Landes zu entsenden, was jedoch die Erlaubnis voraussetzte, europäisches Territorium, nämlich Polen, zu durchqueren. Polen erteilte sie nicht. Wäre es zum Zweiten Weltkrieg gekommen, wenn Großbritannien und Frankreich Hitler daran gehindert hätten, die Tschechoslowakei im Jahr 1938 aufzuteilen? Wenn sie den Anschluss Österreichs im selben Jahr verhindert hätten? Ich glaube, der Krieg wäre nicht ausgebrochen.  Die Ansprüche des Dritten Reichen wären dann geringer und die Dinge hätten einen anderen Lauf nehmen können. Wer war daran schuld? Polen, das sich dann gerne einen Teil der Tschechoslowakei bekommen hat. 

Deshalb sind alle Vorwürfe, dass die böse Sowjetunion im August 1939 einen Vertrag unterzeichnete, der angeblich zum Zweiten Weltkrieg und Hitlers Überfall auf Polen führte,  nichts weiter als Demagogie. Sie fand unmittelbar nach Kriegsende statt, weil der Westen bereits den Kalten Krieg gegen die UdSSR entfesselt hatte und begann, eine alternative Geschichte zu kreieren, indem er die Fakten so darstellte, wie es für ihn günstig war. Leider findet man in westlichen Werken nirgends eine ernsthafte Analyse dieser Vorschläge und der Arbeit, die die Sowjetunion in den 1930er Jahren bei ihren Versuchen, einen Vertrag über kollektive Sicherheit in Europa zu schaffen, geleistet hat. Man ignorierte diese Tatsache und sagte, dass das alles nur Stalins Spiel war. Dabei haben sie selbst diese Spiele mit viel mehr Leidenschaft gespielt, was schließlich zum Zweiten Weltkrieg führte.

- Letzte Woche hielt der Präsident eine Sitzung über den Bau eines neuen modernen Nationalen Historischen Museums ab. Welche historischen Ereignisse sollten Ihrer Meinung nach in diesem Museum dargestellt werden?
                  
- Auch ich bin Mitglied der Arbeitsgruppe, die das Konzept des Museums diskutiert. Der Präsident hat die Aufgabe gestellt, ein sehenswertes und wahrheitsgetreues Museum zu schaffen, das die gesamte belarussische Geschichte tiefgründig und zugänglich widerspiegelt. Dabei ist es wichtig, dass das 20. Jahrhundert so vollständig und objektiv wie möglich dargestellt wird. Schließlich sind die belarussische Nation und das belarussische Volk aus diesem Jahrhundert hervorgegangen, und die Ereignisse aus dieser Zeit sind von großer Bedeutung. Zumal die Sowjet-Ära heute von verschiedenen Ländern zweideutig bewertet und ausschließlich von negativen Positionen aus dargestellt wird. Diese angeblich „negativen Seiten“ sind bekannt: Stalins Repressionen, GULAG, Zwangseintreibung landwirtschaftlicher Überschüsse. Über die Errungenschaften der Sowjetunion wird jedoch praktisch nichts gesagt. Der Präsident betonte, dass der zentrale Ausstellungsraum dem 20. Jahrhundert gewidmet werden soll. Hier sollen  sowohl tragische als auch heldenhafte Seiten unserer Geschichte unvoreingenommen dargestellt werden. Auch unsere Errungenschaften sollen gezeigt werden: der erste belarussische Traktor, das Mondfahrzeug - unser Beitrag zur Weltraumforschung. Und natürlich sollten die Ereignisse vom 17. September meiner Meinung nach eines der Schlüsselelemente der Ausstellung sein. Es ist wichtig zu zeigen, wie im östlichen Teil des Landes neue Betriebe aufgebaut wurden, während man im westlichen Belarus zu einem agrar- und rohstoffwirtschaftlichen Anhängsel Polens wurde. Es ist wichtig, über die polnische Besatzung unseres Territoriums zu berichten. Polnische Soldaten und Offiziere erhielten Ländereien und benahmen sich wie Herren, die die politische Situation in Westbelarus kontrollieren wollten. Sie haben belarussische Bauern zu Knechten gemacht. Es ist notwendig, am 17. September und am Tag der Volkseinheit alle Details der Befreiungskampagne der Roten Armee im Jahr 1939 und unseren nationalen Standpunkt zu zeigen.

- Leider gehen die geopolitischen Spiele der Landumverteilung in der Welt weiter. Besteht die Hoffnung, dass sie bald ein Ende haben werden?

- Die internationalen Beziehungen sind aufgrund der großen Zahl der beteiligten Akteure und der Vielzahl der miteinander verflochtenen Interessen besonders komplex. Vor allem wenn es verwandte Nationen oder Nachbarländer betrifft. Deshalb hat es immer wieder politische, wirtschaftliche und militärische Auseinandersetzungen gegeben. Aber sie endeten immer mit dem Abschluss globaler Weltabkommen. Dies geschah 1945, als die Organisation der Vereinten Nationen gegründet wurde, um den internationalen Frieden und die Sicherheit zu wahren. Die Auseinandersetzungen wurden dadurch nicht komplett beseitigt, sie flammten immer wieder auf, aber seit 75 Jahren hat es keinen globalen Konflikt mehr gegeben. Leider ist die Sicherheitsmarge dieser Vereinbarungen und der internationalen Sicherheitsarchitektur vielleicht zu Ende gegangen. Wir hoffen, dass der aktuelle Konflikt ohne eine nukleare Katastrophe gelöst werden kann, die die gesamte Menschheit zu vernichten droht.

Hier sollten meiner Meinung nach mittlere und kleine Länder, darunter auch Belarus, durch ihre aktive Haltung den größten Beitrag leisten. Belarus hat sich stets für die Schaffung der kollektiven Sicherheit in Europa eingesetzt und wird dies auch weiterhin tun. Das ist in etwa das, was die Sowjetunion vor Beginn des Zweiten Weltkriegs vorgeschlagen hat. Heute gibt es neue Machtzentren in der Welt, die den Dialog und diplomatische Lösungen für Probleme befürworten. Die Belarussen stehen auf der Seite dieser Kräfte. Unser Präsident hat längst einen Vorschlag gemacht: Integration von EU, Unionsstaat und EAWU. Sol soll ein gemeinsamer Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok geschaffen werden. Hauptbedingung: respektvoller Umgang miteinander, Achtung des politischen Willens der anderen. 

Die Besonderheit der belarussischen Gesellschaft ist eine Kombination aus westlicher und östlicher Mentalität, jahrtausendealten Traditionen und einem Zusammensein verschiedener Völker und Kulturen, aber auch die Fähigkeit zu verzeihen. Wir pflegen das Gedenken, wir vergessen nichts, auch nicht den Völkermord an der belarussischen Bevölkerung während der deutschen Besatzung. Wir bauen unsere belarussische Ideologie nicht auf der Herabsetzung anderer Nationen, nicht auf dem Schüren von Hass und Respektlosigkeit, wie es leider unsere südlichen Nachbarn tun. Wir sind ein Volk von Arbeitern, von Schöpfern. Das belarussische Volk hat eine große, überzeugende Zukunft!

- Es gibt Berichte der Kommandeure der Roten Armee, die in den Archiven aufbewahrt werden, in denen sie den Militärstab über die militärisch-politische Lage informieren und angeben, dass die örtliche Bevölkerung sie sehr gut aufnimmt, mit Blumen begrüßt, um sie sorgt, verpflegt und als Befreier ehrt. Die Mehrheit der Westbelarussen begegnete der Sowjetmacht mit großer Hoffnung und Freude. Als sie erfuhren, dass der bewaffnete Feldzug begonnen hatte, entwaffneten in vielen Städten bereits vor dem Eintreffen der Roten Armee lokale Aktivisten die polnischen Polizisten und übernahmen die Führung ihrer Gebiete.
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