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10 Mai 2024, 17:01

„Zukunft ist vage, Gedenken ist real": Warum ist mediales Projekt für die Stalag-Opfer so wichtig

Die Geschichte von Stalag wurde vor einigen Jahren in die virtuelle Welt versetzt. Es fanden sich Menschen, die ein Medienprojekt über das Kriegsgefangenenlager gestartet haben. Wenn man die Website besucht, fällt einem sofort ein

„Wir arbeiten hier schon seit einigen Jahren und wissen, wie die Situation hier ist, dass hier 100-jährige Kiefern wachsen. Natürlich haben wir uns sofort diesem Bild zugewandt, denn mit den Stämmen schauen die Kiefern auf uns, Lebende. Und mit den Wurzeln schauen sie auf die Verstorbenen, die sich jetzt in diesem Moment an dieser Grabstätte befinden“, erzählte Maria Iwanowa, Leiterin des medialen Projekts „Zukunft ist vage, Gedenken ist real.“
Künstler, Suchdienste, Historiker,  Filmemacher, Designer, Schauspieler… Insgesamt etwa dreißig Personen. Sie haben sich zusammengeschlossen, um die Wahrheit zu erzählen. Denn im Gegensatz zu Menschen vergisst das Internet nichts.

„Alle Geschichten sind furchtbar. Natürlich hat man es mit einer Art Material zu tun, wo man sich entsetzt, vor Unmenschlichkeit und Entmenschlichung. Ich war eher überrascht über die Geschichten, die positiv endeten, heroisch. Aber nicht heroisch im Sinne von Pathos. Es geht eher um einen Heroismus, den man nicht sieht, nicht bemerkt. Heroismus, den man nicht unbedingt in einem Film oder einem Buch findet. Das sind einfache Geschichten: man gibt einem anderen seine Ration oder man rettet einen, wo man weiß, dass man dafür höchstwahrscheinlich selbst erschossen wird.“

Die Projektautoren haben alle verfügbaren Daten über die Geschichte des Stalag zusammengetragen. Jetzt kann jeder über die „gefangene Wahrheit“ erfahren. So hieß übrigens die von den Häftlingen herausgegebene Zeitung.

„Alles, was mit persönlichen Gegenständen zu tun hat, schockiert. Mich hat zum Beispiel eine Geschichte erschüttert, als man einen Löffel gefunden hat, die einem Kriegsgefangenen gehörte und auf dem seine Initialen eingeritzt waren. So fand man letztendlich die Person und konnte sein Schicksal zurückverfolgen. Es gab mehrere Geschichten dieser Art“, erzählt Maria. „Man fand zahlreiche Medaillons, aber auch Gedenklöffel, genauer gesagt Löffel, auf denen die Menschen etwas von sich hinterlassen haben. Sie starben, aber über diese Gegenstände kann man über sie etwas erfahren. Genauso wie über solche Löffel, der irgendwo auf dem Gelände des Stalags oder in einem Grab liegen.“

Auf der Website des Projekts gibt es die Rubrik „Buch der Opfer.“ Man kann verstorbene Verwandte nach dem eingetragenen Nachnamen finden. Bislang gibt es dort nur tausend Namen. Die Freiwilligen haben noch viel Arbeit, um die verfügbaren Daten zu entziffern. Ständig gehen neue Anfragen ein.

„Die Kommunikation erfolgt nach einem Schema, wo zum Beispiel in den sozialen Netzwerken oder über einen direkten Kontakt. Eine Anfrage kommt von einem Verwandten, einer Tochter oder einem Enkelkind. Sie fragen: „Haben Sie irgendwelche Informationen über diese oder jene Person? Wir wissen, wie der Ort heißt, wo er zuletzt war, das war ein Stalag. Das weitere Schicksal ist uns nicht bekannt.“ Also versuchen wir zu helfen, wir finden sie.

Heute werden auf dem Territorium des ehemaligen Konzentrationslagers Führungen organisiert, mit Audioguide. Die Eröffnung fand am Tag des nationalen Gedenkens an die Opfer des Großen Vaterländischen Krieges und des Völkermords am belarussischen Volk im Jahr statt.

„Genau wie Chatyn, das zu einem Symbolbild für alle verbrannten Dörfer in Belarus wurde, kann das ehemalige Stalag an seinem Beispiel zeigen, was in all diesen Lagern in besetzten Gebieten der Sowjetunion geschah. Außerdem wurde keines der ehemaligen Lager so musealisiert, wie Mauthausen, Dachau, Buchenwald, Auschwitz. Das Lager in Masjukowschtschina bietet eine Gelegenheit, einen Gedenkpark zu bauen, gut erhalten gebliebene Bauten zu konservieren und durch dieses in Minsk so günstig gelegene Bild über alle ähnlichen Objekte in Belarus zu berichten“, sagt Dmitri Morosow, Leiter der Nationalen Agentur für Tourismus.

In diesem Jahr ist es gelungen, die Namen von sieben Rotarmisten zu identifizieren. Manche würden sagen, das ist nicht viel. Aber hinter jedem Namen steht die Geschichte eines Kämpfers und die Tragödie seiner Familie. Heute wissen die Angehörigen, wo ihre Lieben begraben sind und wo sie Blumen niederlegen können.
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