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04 August 2017, 12:34

500 Jahre Buchdruck in Belarus

Vor 500 Jahren, am 6. August 1517, erschien in Prag das erste gedruckte belarussische Buch – der Psalter, eines der populärsten und verbreitetsten Bibelbücher in Christentum. Mit diesem Psalter kündigte Erstdrucker Franzysk Skaryna den Beginn des Buchdrucks in Belarus an, der sich in enger Verbindung mit dem europäischen und ostslawischen Buchdruck entwickelte.

Vor der Erfindung des Druckgeräts wurden Bücher von Hand geschrieben und abgeschrieben. Die ersten handgeschriebenen Bücher und ihre Kopien verbreiteten sich auf dem belarussischen Boden, als das Christentum nach Europa kam. Bücher waren ein sehr teures Gut. Um ein Buch abzuschreiben und mit Zeichnungen oder Illustrationen zu versehen, brauchte man manchmal mehrere Jahre. Und um in den Besitz eines solchen Buches zu kommen, waren reiche Männer sogar bereit, eine Pferdeherde dafür zu zahlen.

Herausragende Persönlichkeiten der christlichen kulturell-aufklärerischen Bewegung Euphrosyne von Polozk und Kyrill von Turow hielten das Abschreiben der Bücher für ein wichtiges und würdiges Werk.

Der Fortschritt war aber nicht aufzuhalten. Die Erfindung der Xylographie, welche man benutzte, um allerhand Abbildungen zu vervielfältigen, brachte Menschen auf den Gedanken, Bücher Seite für Seite mittels eines Reibers in Holz zu schneiden und abzudrucken. Das dauerte bis zu der Zeit, als Johannes Gutenberg um 1440 bewegliche Metalllettern erfand, sie zu Zeilen zusammenfügte und mit Druck aufs Papier übertrug. So begann die Geschichte des Buchdrucks in Europa.

Ende des 15. Jahrhunderts wurde in der Familie des reichen Kaufmanns Luka Skaryna ein Sohn geboren, der uns als Franzysk (Francysk) bekannt ist und der zu einem der größten belarussischen und europäischen Aufklärer wurde.

Bereits als Kind zeigte der gebürtige Polozker großes Interesse am Lernen. Skarynas langer Weg führte ihn aus der Stadt Polozk hinaus nach Europa. Er erhielt eine ausgezeichnete wissenschaftliche Ausbildung an den Universitäten von Krakau und Padua und landete schließlich in Prag, wo er auf einen unglaublichen Gedanken kam: er wollte die Bibel in der Sprache seiner Landsleute drucken.

Für das Geld der Mäzene bestellte Franzysk eine Druckpresse, begann mit der Bibel-Übersetzung und versah das Buch mit seinen Randnotizen. Im August 1517 druckte er seinen Psalter - das erste gedruckte Buch für ostslawische Völker. Skaryna wagte dabei einen präzedenzlosen Schritt — er verewigte sein Bildnis, indem er sein Portrait auf den Seiten der Bibel setzte.

In Prag druckte er über 20 Bibelbücher und versah sie alle mit Vor- und Nachwort.

Um 1520 siedelte Franzysk Skaryna nach Wilna um, wo er die erste Druckerei im Großfürstentum Litauen gründete. 1522 erschien „Das kleine Reisebuch“, eine Sammlung geistlicher Bücher in Kleinformat für Wanderer. Es enthielt neben Gebetstexten und Psalmen Informationen über christliche Feste, Finsternistage, Tag-und-Nacht-Gleiche und Sonnenwende. Nach dem Tod wichtiger Mäzene der Wilnaer Druckerei ebbte auch Skarynas Verlagstätigkeit, aber die Entwicklung des Buchdrucks in Belarus war nicht mehr zu stoppen.

Die erste Buchdruckerei auf dem Territorium des modernen Belarus entstand 1553 in Brest unter der Schirmherrschaft von Nikolai Radziwill dem Schwarzen. Hier wurde die berühmte Brester Bibel herausgegeben. Die „Radziwill-Bibel“ war ein Meisterwerk — lederner Einband, 738 Seiten, zahlreiche Gravuren und Titelbilder. Das kostbare Buch war 10 000 Dukaten wert — ein Jahreseinkommen des Fürsten Radziwill.

Nach dem Tod von Nikolai Radziwill haben seine Verwandten, Anhänger anderer Konfessionen, fast alle Bibel-Exemplare verbrannt.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde in der Stadt Neswish eine Druckerei gegründet. Eine Zeit lang wurde sie von Szymon Budny geleitet, dem großen Denker der Aufklärungszeit. In Neswish gab er seinen berühmten „Katechismus“ heraus, ein viel diskutiertes Buch im Großfürstentum Litauen und weit über die Grenzen des Landes hinaus.

In jener Zeit wirkten in Belarus auch zwei Erstdrucker - Pjotr Mstislawez und Iwan Fjodorow. Die beiden gründeten im Landkreis Grodno eine Druckerei und gaben 1569 „Das Unterrichtsevangelium“ heraus, ein sehr gelesenes Buch, das mehrere Auflagen erlebte.

Ende des 16. Jahrhunderts fasste der Buchdruck auch im Kreis der geistlichen Bruderschaften im Großfürstentum Litauen Fuß. Die Bruderschaften existierten bei orthodoxen Kirchen und Klöstern und vereinten Stadtbürger. Die Bruderschaften druckten unter anderem auch Lehrbücher. So erschien 1619 in Vievis die kirchenslawische „Grammatik“ von Meletius Smotrizki. Einer der weltberühmten russischen Gelehrten Michail Lomonossow nannte diese Grammatik gemeinsam mit zwei anderen Büchern „die Pforten meiner Gelehrsamkeit“.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es auf den belarussischen Territorien des Russischen Reiches 21 Druckereien. Sie verlegten Bücher in der polnischen und später in der russischen Sprache. Belarussischsprachige Bücher waren Stückware. Aber die Sprache selbst lebte, weil sie im Alltag gesprochen wurde.

Was Menschen zum Lachen brachte, führte auch zum Aufblühen des Buchdrucks in der belarussischen Sprache. Die bekannten Komödien und Parodien „Eneida nawywarat“ („Aeneis verdreht“) und „Taras na Parnasse“ („Taras auf dem Parnaß“) waren so beliebt, dass sie auswendig gelernt und einige Jahrzehnte später veröffentlicht wurden.

Die legalen belarussischen Verlage entstanden nach der Russischen Revolution von 1905. Die ersten Werke der belarussischen Autoren Janka Kupala, Zmitrok Bjadulja und Tischka Gartny erschienen 1906 in der Petersburger Druckerei.

In den ersten 2 Dekaden des 20. Jahrhunderts wurden mehrere Verlage ins Leben gerufen, eines davon der Staatliche Verlag der BSSR, heute Verlag „Belarus“.

In den unruhigen Zeiten der Revolutionen und Kriege wurde die Macht des gedruckten Wortes nicht unterschätzt. Während des Großen Vaterländischen Krieges waren Untergrundkämpfer und Partisanen auch dank einer erfolgreichen Arbeit mobiler Druckereien an wichtige Informationen gelangt.

Mit der Erfindung des Offset-Drucks erlebte der Buchdruck im 20. Jahrhundert einen Boom. In Belarus sind heutzutage rund 500 Verlage registriert. Sie geben über 20 Millionen Buchexemplare pro Jahr oder mehr als 2 Bücher pro Einwohner heraus.

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