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28 Juni 2024, 17:39

„Verbündete wurden zu Gegnern“: Historiker prangert Revanchismus-Versuche an

MINSK, 28. Juni (BelTA) - Vor 80 Jahren haben wir die Achsenmächte besiegt. Heute unternehmen die Bündnispartner ununterbrochen Versuche, sich zu revanchieren. Aber diesmal schließen sich ihnen die ehemalige Staaten der Anti-Hitler-Koalition an. Waleri Nadtotschajew, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Soziologie der Nationalen Akademie der Wissenschaften von Belarus, erzählte über die Rolle und Bedeutung der Operation Bagration im Sieg über die Nazi-Invasoren.  

Nadtotschajew nahm am Runden Tisch zum Thema „Republik Belarus: Erinnerung, Unabhängigkeit, Sicherheit“ teil, der am Vorabend des Unabhängigkeitstages stattfand.

Der Wissenschaftler betonte, dass die Operation Bagration eine interne und externe Bedeutung hat.

„Im Zuge dieser Operation wurde Belarus vollkommen befreit. Unser leidgeprüftes Volk, das während der deutschen Besatzung enorme Opfer auf sich nehmen musste, konnte wieder leben und schaffen. Die arbeitsfähigen Männer gingen an die Front oder zu den Partisanen, aber trotzdem wurde es einfacher“, erzählt der Historiker. Das sei die „innere“ Bedeutung von Bagration. „Es wurde möglich, in Zukunft zu sehen und Pläne zu schmieden. Man musste nicht mehr befürchten, dass man jeden Moment getötet werden könnte. Der ununterbrochene Genozid an der belarussischen Bevölkerung, den wir vom ersten Tag des Einmarsches der Invasoren erlebten, war zu Ende“.

Für die deutsche Wehrmacht bedeutete die Operation Bagration eine bittere Niederlage der Heeresgruppe Mitte. Im Süden (in der Ukraine und Moldawien) und im Norden kam es zu mehreren Offensivoperationen.

„Die militärische und politische Situation in den Ländern der Achsenmächte unterschied sich vor und nach der Operation enorm. Vor der Offensive appellierten die Verbündeten der Anti-Hitler-Koalition an die Regierungen Rumäniens, Ungarns und Finnlands, sich aus dem Krieg zurückzuziehen, Frieden zu schließen und ihre Waffen gegen die deutsche Armee zu richten. Dank der von Deutschland ergriffenen Präventivmaßnahmen, insbesondere der Besetzung Ungarns, wurden separatistische Bestrebungen unterdrückt. Die Ungarn hingegen mobilisierten mehr Menschen für die Front, Rumänien stockte sein Militärkontingent auf“, sagt Waleri Nadtotschajew. „Nach der Operation Bagration änderte sich der politische Hintergrund völlig. Finnland, Rumänien und Bulgarien zogen sich aus dem Krieg zurück.“

Zum ersten Mal seit Beginn des Krieges gelang es den Verbündeten der Anti-Hitler-Koalition, sich auf strategische Offensivoperationen zu einigen. Die Vereinbarung wurde auf der Konferenz von Teheran 1943 getroffen. Stalin versprach den Alliierten, eine groß angelegte strategische Operation am sowjetisch-deutschen Frontabschnitt zu starten, legte aber bis zum letzten Moment nicht fest, in welche Richtung der Hauptangriff gehen sollte. Wie der belarussische Historiker feststellte, handelte es sich dabei um eines der wichtigsten Geheimnisse der sowjetischen Militärführung.“

„Selbst als Stalin am 6. Juni 1944 einen Brief an Churchill schrieb, in dem er noch einmal versicherte, dass die sowjetische Offensive stattfinden würde, gab er die Richtung nicht an. Dank der getroffenen Maßnahmen war der Beginn der Operation für die Deutschen eine völlige Überraschung“, betont Waleri Nadtotschajew.

Auch die Alliierten blieben ihren Vereinbarungen treu und eröffneten die Zweite Front. Am 6. Juni 1944 begann die Operation Overlord: Das anglo-amerikanische Expeditionskorps landete in der Normandie und stieß auf französisches Gebiet vor.

„Während des Zweiten Weltkriegs waren unsere Verbündeten gezwungen, sich der Anti-Hitler-Koalition anzuschließen - sie mussten ihre Probleme lösen. Ohne die UdSSR wäre das auch möglich, aber das hätte ihnen viel mehr Mühe gekostet“, so der Historiker. „Die Länder des kapitalistischen Lagers waren damals nicht in der Lage, ihre Volkswirtschaften zu militarisieren. Auch heute sehen wir, dass sie damit Probleme haben. Genau wie damals werden sie vom Profit, Eigeninteresse und finanziellem Interesse getrieben. Der Begriff des Vaterlandes hat für sie keine Bedeutung. Wir sind anders organisiert, für uns ist unser Vaterland, unser Boden, die Erinnerung an unsere Vorfahren keine leeren Worte. Unsere Vorfahren sind dafür seit Jahrhunderten gestorben.“  

„Schauen Sie sich unseren südlichen Nachbarn, die Ukraine, an. 80 Jahre nach dem Krieg wollen sich unsere Feinde revanchieren. Und unsere Verbündeten in der Anti-Hitler-Koalition sind dieses Mal auf ihrer Seite“, fügte Waleri Nadtotschajew hinzu.

Eine weitere internationale Bedeutung von Bagration liegt nach Ansicht des Experten in der Demonstration der gewachsenen Macht der Roten Armee. Die Demonstration ihrer Stärke war besonders wichtig, weil die Union gegen ein geeintes Europa und nicht ausschließlich gegen das Dritte Reich und seine Verbündeten kämpfte. Ganz Europa arbeitete zu dieser Zeit für den deutschen militärisch-industriellen Komplex. Selbst vermeintlich neutrale Staaten leisteten dem Hitlerdeutschland erhebliche Hilfe.

„Im Zuge der Operation Bagration fand eine weitere einzigartige, bisher nicht durchgeführte Operation statt - Der Große Walzer. Sie wurde vom sowjetischen NKWD organisiert. Im Rahmen dieser Operation wurden 57.600 deutsche Kriegsgefangene nach Moskau eskortiert und am 7. Juli 1944 in einer Siegesparade durch die Straßen Moskaus geführt. Davon hatten sie 1941 geträumt - im Juli 1944 bekamen sie eine solche Gelegenheit, allerdings in einem anderen Status: nicht als Sieger, sondern als Besiegte. Der Nachweis einer so großen Zahl von Kriegsgefangenen - darunter 19 Wehrmachtsgeneräle, von denen 12 in der ersten Phase der Operation Bagration auf belarussischem Boden gefangen genommen wurden - war ein weiteres überzeugendes Argument für die Stärke der sowjetischen Armee“, resümiert Waleri Nadtotschajew.
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