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14 Januar 2025, 20:00

„Wir wussten, dass wir an einem historischen Ereignis teilnehmen“ Dieser Belarusse nahm an der Siegesparade 1945 teil 

Zum 80. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg startet BelTA zusammen mit der Zeitung „7 Tage“ ein groß angelegtes Projekt. Wir erzählen über die Belarussen, die an der legendären Siegesparade teilgenommen haben. Diese Menschen kämpften bei Rschew und Odessa, gewannen die Schlachten von Stalingrad und Kursk, befreiten Belarus und nahmen Berlin ein. Und am 24. Juni 1945 marschierten sie triumphierend über den Roten Platz in Moskau. Ihre Namen sind in die Chroniken des großen Sieges eingeschrieben!

Pjotr Seliwanow, Teilnehmer der ersten Siegesparade, wird jenen verregneten Morgen des 24. Juni 1945 für den Rest seines Lebens nicht vergessen. Der junge Soldat aus dem belarussischen Polesje marschierte als Mitglied des zusammengesetzten Regiments der Leningrader Front siegreich über den Roten Platz in Moskau. Als er neben Tausenden von Frontsoldaten an den Mauern des Kremls stand, konnte Pjotr nicht ahnen, dass dieser Tag der Beginn einer einzigartigen Familientradition werden würde: Jahrzehnte später würden sein Sohn und später sein Enkel in Paradeuniform über denselben Platz marschieren. Beide sind Berufssoldaten. Und auch Teilnehmer der Siegesparade!

„Ich dachte, jede Granate würde mich treffen.“

Wir haben mehrere Wochen gebraucht, um die Verwandten von Pjotr Seliwanow zu finden. Dutzende von Einwohnern des Kreises Oktjabrski im Gebiet Gomel schlossen sich der journalistischen Recherche an: lokale Historiker, Lehrer, Mitarbeiter der Kreisexekutive. Sogar ehemalige Bewohner des Dorfes Choromzy, wo Pjotr Seliwanow geboren wurde und lange Zeit lebte, meldeten sich bei der Redaktion. Dank der besorgten Belarussen gelang es uns, seine Tochter Ljudmila in Bobruisk ausfindig zu machen. Nachdem sie von dem Projekt „Parade der Sieger: Geschichten und Namen“ gehört hatte, erklärte sich die Familie des Veteranen ohne zu zögern bereit, an dem Projekt teilzunehmen.
...Pjotr Seliwanow wurde 1935 zur Armee eingezogen. Nachdem er die Panzerschule absolviert und einen Beruf als Mechaniker erlernt hatte, kehrte er in sein Heimatdorf Choromzy zurück. Er bekam Arbeit in der Kolchose, heiratete. Seine Fraz brachte zwei Töchter auf die Welt. Plötzlich brach der Krieg aus! Pjotr wurde sofort einberufen - am 7. Juli 1941. Der Soldat wurde zu einem zweimonatigen Lehrgang nach Krasnoarmejskoje in der Nähe von Stalingrad geschickt, und nach der Ausbildung wurde er zum Kommandanten eines neuen Panzers T-60 ernannt.

Die Kinder von Pjotr Seliwanow bewahren sorgfältig die Fotos ihres Vaters im Familienarchiv auf. Ein lächelnder, fröhlicher Mann blickt uns von den verblichenen und an manchen Stellen von der Zeit zerfledderten Bildern an. Wir können gar nicht glauben, dass dieser Mann Dutzende von Kampfeinsätzen, Verwundungen und der Tod von Kameraden hinter sich hat. Ljudmila sammelte viele Erinnerungen ihres Vaters – unter ihnen solche, die von der ersten Schlacht des jungen Soldaten erzählen. Sie fand dort statt, in der Nähe von Stalingrad. „Die Faschisten erstarkten in diesem Gebiet und mussten um jeden Zentimeter Land kämpfen. Diese Schlacht dauerte mehrere Stunden. Es war schwer, in einem Auto zu sitzen, das von der heißen Juli-Sonne aufgeheizt wurde. Noch schlimmer war es, zu spüren, wie die Granaten durch die Luft pfeifen. Es schien, als ob jede einzelne von ihnen dich treffen würde. Von der gesamten Panzerbrigade haben nur neun Panzerbesatzungen diese Schlacht überstanden“, erzählt Pjotr Kuprijanowitsch. 

Der Soldat verbrachte drei Wochen an der Front in Stalingrad. Dort erhielt er seine erste Verwundung. 
- Bei einem der feindlichen Angriffe wurde Papas Panzer beschädigt. Seine Kameraden zogen ihn verwundet und bewusstlos aus der brennenden Maschine. Er kam erst im Krankenhaus wieder zu sich, wo er drei Monate verbrachte“, erzählt seine Tochter.

Auf der namenlosen Höhe

Nach der Behandlung wurde Pjotr Seliwanow nach Ostsibirien geschickt. Hier wurde der junge Soldat von einem Panzerkommandanten zu einem „Jäger“ dieser Kampffahrzeuge umgeschult. Mit einer Panzerabwehrkanone ging es von Kansk nach Leningrad. Für sein Heldentum, das er in den Kämpfen bei Leningrad bewies, erhielt er seine erste Auszeichnung - die Medaille „Für Tapferkeit“. Bald darauf folgte die zweite. Den Orden des Roten Sterns erhielt Oberfeldwebel Seliwanow bereits im Januar 1944 im Gebiet Pskow für die Einnahme einer namenlosen Höhe. Er wurde vom Divisionskommandeur persönlich verliehen. Unseren Soldaten gelang es erst am dritten Tag, den Feind von diesem Ort zu vertreiben, doch in der Nacht gingen die Deutschen erneut in die Offensive. In diesem Gefecht traf Peter Kuprijanowitsch drei Selbstfahrlafetten des Feindes mit einer Panzerabwehrkanone.

Im März 1944 wurde er erneut verwundet (der durch ein Schrapnell gebrochene Arm erinnerte den Kriegsveteranen noch lange an diesen Krieg). Aber auch dies konnte seinen Glauben an einen baldigen Sieg nicht erschüttern. Sobald die Wunde verheilt war, kehrte Pjotr Kuprijanowitsch in seine Heimatdivision 182 zurück.
„Seine dritte Kampfauszeichnung - den Orden des Ruhmes ІІІ. Grades - erhielt Papa für die Schlacht am Bahnhof Dno. Dann gelang es den Soldaten, einen feindlichen Zug zu kapern und 180 deutsche Soldaten und Offiziere gefangen zu nehmen“,  erzählt Ljudmila Petrowna. „Und für die Überwindung des Flusses Welikaja, der im Leningrader Gebiet liegt, erhielt er den Ruhmesorden II. Grades. Die sowjetischen Soldaten, die sich am anderen Ufer festgesetzt hatten, wehrten mehr als sieben Angriffe pro Tag ab.“

Der Soldat wurde auch mit dem Orden des Vaterländischen Krieges ausgezeichnet. Der Soldat der Roten Armee erhielt ihn in Lettland nach einer schwierigen Durchquerung der feindlichen Nachhut. Eine Nacht lang nahmen Soldaten der 182. Schützendivision mehr als 500 deutsche Soldaten und Offiziere gefangen und konnten etwa 20 Selbstfahrlafetten und andere Waffen erbeuten.

Pjotr Kuprijanowitsch befreite Lettland und Litauen. Er beendete den Krieg im März 1945 in Ostpreußen. Der Oberfeldwebel wurde zum Offiziersstudium in das Hauptquartier der Leningrader Front versetzt. Und schon im Juni wurde beschlossen, ihn als einen der besten Soldaten nach Moskau zu schicken, um an der Siegesparade auf dem Roten Platz teilzunehmen.

„Wir, die Teilnehmer der Siegesparade, waren sehr aufgeregt. Jeder von uns war von einem Gefühl der Freude überwältigt. Wir wussten, dass wir an einem historischen Ereignis teilnahmen. Wir werden nie den Moment vergessen, als wir über den Platz gingen und die Menschen auf uns zustürmten! Es war unmöglich, durch die dichte Menschenmenge zu kommen. Viele Blumen, glückliches Lächeln in den Gesichtern“, erzählte der Veteran selbst über dieses historische Ereignis.

Die Erben des Siegers

Pjotr Kuprijanowitsch kehrte im November 1945 nach Choromzy zurück. Von dem Dorf, wie es der Veteran in Erinnerung hatte, als er an die Front ging, blieb jedoch fast nichts mehr übrig. Während des Krieges setzten die Faschisten die Siedlung zweimal in Brand. Bei einem der Angriffe, am 3. März 1944, trieben sie die Bewohner in eine Scheune und verbrannten alle bei lebendigem Leib. Unter ihnen befanden sich zwei Töchter von Pjotr Kuprijanowitsch und seine Mutter - sie alle starben. Seine Frau Jegenija und sein Vater Kuprijan Trofimowitsch überlebten wie durch ein Wunder im Todeslager Osaritschi. 

Nach den Schrecken des Krieges fanden die Seliwanows die Kraft zum Weiterleben: Sie bauten ein neues Haus und zogen zwei hübsche Söhne und zwei Töchter auf. Fast alle Kinder folgten dem Beispiel ihres Vaters und verbanden ihr Leben mit der Verteidigung des Vaterlandes.

„Mein Vater erinnerte sich oft an den Krieg. Als ich diese Erzählungen hörte, beschloss auch ich, seine Arbeit fortzusetzen. Ich besuchte die Dserschinski-Marinehochschule in Leningrad und diente nach meinem Abschluss auf Atom-U-Booten der ehemaligen Sowjetunion. Wie mein Vater wurde auch ich während meiner Dienstzeit mit vielen Medaillen ausgezeichnet. Aber leider hat mein Vater meine wichtigste Auszeichnung - den Tapferkeitsorden - nicht mehr erlebt. Er starb am 5. Juli 1980“, sagt Leonid Petrowitsch Seliwanow. „Ich erhielt diesen Orden für Tapferkeit und Selbstlosigkeit bei der Erfüllung militärischer und offizieller Pflichten. Boris Jelzin überreichte ihn mir persönlich im Kreml. Es ist schade, dass mein Vater damals nicht mehr lebte, er wäre sehr stolz auf mich gewesen.“

Die militärischen Auszeichnungen von Pjotr Kuprijanowitsch werden in St. Petersburg im Haus seines Sohnes Leonid aufbewahrt. Der Offizier sieht sie sich oft an und erinnert sich an die militärischen Heldentaten seines Vaters. „Papa hat immer mit Stolz erzählt, was ihn diese Orden und Medaillen gekostet haben. Mit meinen Söhnen erinnern wir uns noch oft an seine Heldentaten und Kriegstage“, sagt der Mann.

Wie sein Vater im Jahr 1945 nahm auch Leonid Petrowitsch Jahre später an der Siegesparade teil. Und einige Jahre später marschierte auch der Sohn von Leonid Petrowitsch bei der Parade auf dem Roten Platz mit. Dies ist eine einzigartige Familientradition der Seliwanows. 

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